Wien (öaw) - Eine universale Grundschulausbildung kombiniert mit einer breiten Sekundarausbildung ist
essentiell für das Wirtschaftswachstum in sehr armen Ländern. Mehr Hochschulbildung rechnet sich erst
in Industrienationen. Diese Zusammenhänge haben erstmals Demographen der ÖAW und der IIASA statistisch
bewiesen.
Ein höherer Bildungsabschluss führt meist zu einem höheren Einkommen. Dieser Zusammenhang galt bisher
aber nur auf der individuellen Ebene als gesichert. Warum sich auf der makroökonomischen Ebene bisher kein
so eindeutiger Zusammenhang zeigte, und wie jetzt neue Daten neue Ergebnisse liefern, haben Demographen unter der
Leitung von Wolfgang Lutz (Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften,
ÖAW und International Institute for Applied Systems Analysis, IIASA) in der jüngsten Ausgabe von Science
(22. 2. 2008) publiziert.
Wolfgang Lutz, Jesus Crespo Cuaresma (IIASA) und Warren Sanderson (IIASA) haben Bildungs- und Wirtschaftsdaten
aus 120 Ländern zwischen 1970 und 2000 analysiert. Ihr innovativer Ansatz war, die Daten exakt nach Altergruppen
und Bildungskategorien zu strukturieren. Zu diesem Zweck haben die Forscher vom IIASA und dem Institut für
Demographie gemeinsam Methoden der Bevölkerungsprognose auf die Vergangenheit angewandt und - unter Berücksichtigung
differentieller Sterblichkeit - die Strukturen rekonstruiert. Bei der Bildung unterschieden sie zwischen: keine
Schulbildung, Grund-, Mittel- und Hochschulbildung. Mit diesen neuen Daten konnten die Wissenschafter erstmals
einen statistisch signifikanten, positiven Zusammenhang zwischen Ausbildungsniveau und Wirtschaftswachstum belegen.
Auf Basis dieses Zusammenhangs rechneten sie vier Szenarien, um zu untersuchen, von welchen Bildungsinvestitionen
arme Länder am meisten profitieren. Die Ergebnisse zeigen, dass die gegenwärtigen internationalen Entwicklungsziele,
die auf universelle Volksschulbildung abzielen, wichtig aber noch ungenügend sind, um Länder aus der
Armutsfalle zu bringen. Auch das Forcieren von Hochschulbildung in Bevölkerungen wie etwa Indien, die zur
Hälfte analphabetisch sind, ist keine optimale Strategie.
*Diese Studie zeigt erstmal verlässlich, wo man ansetzen muss, damit Bildung wirklich fruchtbringend - im
Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums - wirkt. Mit dieser Arbeit haben wir nicht zuletzt für Politiker
und Diplomaten, die sich für eine zukunftsfähige Weltentwicklung einsetzen, eine wichtige Grundlage geschaffen",
fasst Wolfgang Lutz die Bedeutung dieser wissenschaftlichen Analyse zusammen. In diesem Sinne müssen die internationalen
Entwicklungsziele angepasst werden: Eine breite Mittelschulbildung sollte an eine allgemeine Grundschulausbildung
angeschlossen werden, um es Gesellschaften zu ermöglichen, durch einen Entwicklungsschub aus der Armutsfalle
zu entkommen, wie es etwa die asiatischen Tigerstaaten vorgemacht haben. Mehr tertiäre Bildung wird erst für
Industrienationen wichtig. |