Rat Landwirtschaft: EU-Agrarminister verweigern Zustimmung zu GVO   

erstellt am
20. 02. 08

Pröll kritisiert GVO-Verfahren - Private Lagerhaltung von Schweinefleisch wird verlängert
Wien (bmlfuw/aiz) - Ihre Zustimmung verweigerten die EU-Agrarminister am 18.02. bei ihrer Ratstagung in Brüssel den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Zulassung der Inverkehrbringung von vier gentechnisch veränderten Maissorten (Einfuhr von GA 21-Mais zur Verarbeitung in Futtermitteln und vier GVO-Maishybride von Monsanto und deren Verarbeitungsprodukte) und von Pülpe (als Futtermittel verwendeter Kartoffel-Rückstand bei der Stärkefabrikation) der GV-Stärkekartoffel "Amflora".

Es kamen keine qualifizierten Mehrheiten dafür zustande, allerdings sprachen sich die Minister auch nicht mit qualifizierter Mehrheit gegen die Zulassungen aus, sodass neuerlich ein Patt herrscht. Daher landen die Dossiers wieder bei der Kommission und diese entscheidet auf eigene Faust. Auch Österreich lehnte die Zulassungen ab. Landwirtschaftsminister Josef Pröll berief sich darauf, dass den Anträgen nur Studien der Interessenten zugrunde lägen und daher "nicht als unabhängig gelten können". Weiters seien die mittel- und langfristigen Folgen der konventionellen Kreuzungen zweier GVO-Maishybride nicht erforscht, enthalte die GVO-Stärkekartoffel "Amflora" eine Antibiotikaresistenz im Markergen und weise die Maissorte GA 21 erhebliche Mängel bei der toxischen und allergologischen Sicherheitsbewertung auf.

Gegenüber dem AIZ betonte Pröll, er habe am Rat gegenüber der Europäischen Kommission grundsätzlich kritisiert, dass die "Zulassungsverfahren für GVO-Konstrukte in der EU unbefriedigend seien und die EU so auf Dauer nicht Politik machen kann". Man müsse die Verfahren insofern überlegen, als ihnen kaum als neutral zu bezeichnende Firmengutachten der Antragsteller zugrunde liegen. "So kann man nicht das Vertrauen der Konsumenten und der Politik stärken."

Gelangt ein Antrag auf GVO-Zulassung in die dritte Runde des Abstimmungsverfahrens und wiederum zurück in die Hände der Kommission, führt dies aber inzwischen auch nicht mehr automatisch zur Zulassung. EU-Umweltkommissar Stavros Dimas blockiert beispielsweise seit einem halben Jahr die ebenfalls beantragte Anbaugenehmigung für die Stärkekartoffel "Amflora". Für die Verwendung der Pülpe von "Amflora" als Futtermittel gab es im Rat 131 Stimmen pro und 166 dagegen. Immerhin gab es bei den Abstimmungen für die Einfuhrgenehmigung des GA 21-Maises als Futtermittel eine einfache Mehrheit dafür, wobei sich Deutschland der Stimme enthielt.

Schweinemarkt: Kommission wird Verlängerung privater Lagerhaltung vorschlagen
"Großen Druck", so Pröll, hätten er und zahlreiche Ministerkollegen wie aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Tschechien, Ungarn, Irland, Litauen, Polen, Rumänien und der Slowakei auf die Europäische Kommission in Richtung Entlastungsmaßnahmen für den angespannten Schweinefleischmarkt der EU ausgeübt. Der Vorstoß der Landwirtschaftsminister kommt vor dem Hintergrund drastisch gestiegener Preise für Schweinefutter und gleichzeitig gesunkener Preise für Schweinefleisch, wodurch viele Erzeuger in existenzielle wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Die Minister forderten neben höheren Exporterstattungen Regelungen, wonach die mit der privaten Lagerhaltung bis Ende November 2007 vom Markt genommenen knapp 100.000 t Schweinefleisch nach der obligatorischen fünfmonatigen Einlagerung nicht wieder auf einmal und unkontrolliert auf den Markt drängen und erneut für Druck sorgen. Deutschland und Österreich forderten von der Kommission weiters ein Gesamtkonzept für den künftigen Schweinefleischmarkt.

Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel sagte daraufhin zu, die Kommission werde am 21.02.2008 im Verwaltungsausschuss Schweinefleisch einen Vorschlag einbringen, die Einlagerungsdauer dieses Schweinefleisches in der privaten Lagerhaltung als ersten Schritt um drei Monate zu verlängern. Zu den Exporterstattungen habe die Kommission noch kein Signal gesetzt, doch hofft Pröll hier mit weiterem politischen Druck gemeinsam mit seinen Verbündeten ebenfalls noch auf entsprechende Schritte der Kommission im Verwaltungsausschuss.

Im Rat allerdings hielt Fischer Boel der Forderung nach höheren Exporterstattungen vorerst entgegen, eine Genehmigung der gentechnisch veränderten Maissorte GA 21 wäre die sinnvollste Hilfe für die darbenden Schweineerzeuger gewesen. Dies hätte die notwendigen Futtermittelimporte der EU aus Südamerika verbilligt.

Pröll präzisierte Österreichs Prioritäten für den Gesundheitscheck der GAP
Der slowenische Ratsvorsitz unter Landwirtschaftsminister Iztok Jarc ließ die Minister anhand eines Fragebogens ausführlich ihre Prioritäten für den anstehenden Gesundheitscheck der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und das ebenfalls von der Kommission anvisierte Auslaufen der Milchquoten nach 2014/15 darstellen.

Der Vorsitz plant, aus diesen Positionen und der weiteren Debatte in den Ratsarbeitsgruppen für die Märztagung der Landwirtschaftsminister einen Entwurf für gemeinsame politische Schlussfolgerungen zu formulieren.

Pröll konzentrierte sich bei der detaillierten Präzisierung der österreichischen Prioritäten auf die Forderung nach weiterhin bis 2013 aufrechter Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten beim Betriebsprämienmodell, die Absicherung der Milchproduktion auch in Ungunstlagen für den Fall des Auslaufens der Quoten nach 2014/15 mit flankierenden Maßnahmen und bis dahin eine Vorbereitung etwa durch EU-weite Saldierung von Über- und Unterlieferungen sowie Reduktion der Zusatzabgabe, die Ablehnung zusätzlicher Auflagen für die sogenannte Cross Compliance (Bindung von Direktzahlungen an die Einhaltung von Umwelt- und Tierschutzauflagen) sowie die Ablehnung, die Modulation (Umschichtung von Geld für Direktzahlungen in die Ländliche Entwicklung) von derzeit verpflichtend 5% auf 13% zu erhöhen.

WTO: Massive Kritik der Minister an neuen Modalitätenpapieren

Massive Kritik von den Ministern aus 20 EU-Mitgliedstaaten setzte es am Rat an den neuen Modalitätenpapieren für die laufende Doha-Entwicklungsrunde in der Welthandelsorganisation WTO. Angeführt von Frankreich und Österreich verständigten sich die Minister dieser Staaten schon vorab am Rande des Rates auf ihre gemeinsame Ablehnungsfront. "Wir sind an einem Punkt angelangt, wo es in der WTO so nicht weitergehen kann", stellte Pröll klar. "Die klare Ablehnung des Modalitätenpapiers durch die Landwirtschaftsminister so vieler Mitgliedstaaten ist eine eindeutige Unterstützung für Agrarkommissarin Fischer Boel, die Linie bei der Landwirtschaft zu halten."

Konkret kritisierte Pröll am landwirtschaftlichen Modalitätenpapier des Vorsitzenden des WTO-Agrarausschusses Crawford Falconer, es fordere "besorgniserregende Zugeständnisse der EU im Bereich des Marktzutritts", während etwa Verpflichtungen für die USA beim Exportwettbewerb und bei internen Stützungen bestenfalls moderat ausfielen. Das Papier sei daher "unausgewogen".

Die von der EU verlangten Zollsenkungen von mindestens 54% gehen über den von der Kommission als maximalen Spielraum bezeichneten Satz von 51,6% hinaus und "überschreiten die rote Linie". Außerdem werde das Sicherheitsnetz für sensible Produkte angegriffen und damit "das System der EU untergraben". Die Kommission, so Pröll, habe als Folge dieses Szenarios die Annahme erstellt, dass damit die Fleischproduktion in der EU mit einem Minus beim Markterlös für Rindfleisch um 58% und bei Geflügel um 43% praktisch zusammenbreche. Dies habe dramatische Nebeneffekte auf den Getreidemarkt, wo sinkender Futterverbrauch für einen Verfall der Markterlöse um 25% sorgen werde. Insgesamt drohe damit ein Rückgang der agrarischen Markterlöse in der EU um EUR 37 Mrd. und ein Verfall der landwirtschaftlichen Einkommen um bis zu 25%.

Schließlich, so Pröll, seien die Modalitätenpapiere insgesamt unausgewogen, weil die besorgniserregenden Zugeständnisse der EU bei der Landwirtschaft ohne Gegenleistungen für die EU beim Marktzugang für ihre Industriegüter in anderen Regionen bliebe, bei Dienstleistungen überhaupt nichts vorgesehen sei und andere EU-Forderungen wie geografische Herkunftsbezeichnungen und weitere non-trade-concerns unberücksichtigt blieben.

Auch EU-Außenminister unzufrieden mit WTO-Modalitätenpapieren

Einig in ihrer Unzufriedenheit waren sich am Montag in Brüssel auch die Außenminister fast aller EU-Mitgliedstaaten auf dem Rat für Allgemeine Angelegenheiten. Die Angebote der EU im Agrarsektor hätten in der Doha-Runde der WTO bisher keinen Ertrag gebracht. EU-Handelskommissar Peter Mandelson kritisierte dort die jüngsten Vorlagen aus Genf ebenfalls als unausgewogen. Den Schwellen- und Entwicklungsländern werde beim Marktzugang für Industrieerzeugnisse zu wenig abverlangt, bemängelte Mandelson. Die Außenminister teilten seine Einschätzung. Die EU dürfe deshalb keinesfalls im Agrarsektor weitergehen, lautete die Schlussfolgerung der Minister.
 
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