Weizen und Mais unter Einfluss ungarischer Konkurrenz   

erstellt am
10. 03. 08

EU-Markt wieder zweigeteilt - Kommissions-Plan zum Health Check vertieft Spaltung
Wien (bmlfuw/aiz) - Nach seiner Orientierungspause ist der österreichische Brotgetreidemarkt wieder zum Leben erwacht. Marktteilnehmer berichten von einer der Jahreszeit entsprechenden normalen Kontrahierungstätigkeit. Mit der Neubelebung des Geschäftes haben den internationalen Trends folgend auch die Preise angezogen. An der Wiener Produktenbörse notierten diesen Mittwoch Premium- und Qualitätsweizen um Euro 8,- pro t höher als zuletzt.
Allerdings weisen die aktuellen Weizennotierungen in Österreich von Euro 279,- beziehungsweise 274,- pro t im Mittel der Preisbänder entgegen dem sonst üblichen quasi Qualitätszuschlag gegenüber EU-Weizen französischer Qualität Basis Rouen nunmehr doch einen spürbaren negativen Abstand zu den aktuellen Notierungen der vordersten Weizentermine an der Pariser euronext.liffe (ehemalige MATIF) von zurzeit um Euro 290,- pro t auf.

Dem Vernehmen nach soll die aktuelle Weizenpreisbildung am österreichischen Kassamarkt unter dem Eindruck stehen, dass heimische Mühlen zurzeit auf alternative Liefermöglichkeiten aus Ungarn verweisen. Die derzeit akzeptierten Preise entsprächen demnach einem Equilibrium zum ungarischen Mitbewerb, das den Abfluss von inländischem Weizen dennoch in Gang halte und die österreichischen Lagerhalter nicht auf ihrer Ware sitzenbleiben lasse. Der heimische Kassamarkt habe sich daher nicht zuletzt auch deshalb von der internationalen Hausse etwas abkoppeln müssen, weil in der Region noch immer ausreichend Angebot vorhanden sei, heißt es. Insgesamt scheinen aber die europäischen Kassamärkte die hektischen Kursausschläge an den Terminbörsen nur mit einiger Verzögerung und in viel geringerem Ausmaß mitmachen zu wollen.

Diese Woche gab auch der heimische Maismarkt ein Lebenszeichen von sich. Am Markt bildete sich ein ebenfalls unter dem Eindruck von Importmöglichkeiten aus Ungarn geprägtes Preisniveau mit einer Industriemaisnotierung in Wien von Euro 211,50 pro t im Mittel. Diese Preise entsprächen etwa jenen knapp nach der Ernte, heißt es in Branchenkreisen, weshalb etliche Lagerhalter angesichts der zwischenzeitlich angefallenen Kosten für Finanzierung und Lagerung gehörig schwitzten. Auch hier zieht die Konkurrenz aus der unmittelbaren Nachbarschaft entgegen dem internationalen Aufwärtstrend der Preisfantasie heimischer Anbieter offensichtlich eine Decke ein.

EU: Kommission will im Health Check Weizenintervention zeitweise aussetzen

Die Weizenintervention soll zukünftig nicht mehr automatisch wie bisher vom 01.11. bis 31.05. für alle Interessierten offen stehen. Die EU-Kommission sieht in ihrem Entwurf zu den Gesetzesvorschlägen für den Health Check nämlich vor, die Intervention zwischenzeitlich aussetzen zu können. Wenn der Marktpreis für Weizen in Rouen über dem Interventionspreis liegt, könne die Intervention gestoppt werden, heißt es in dem Entwurf. Eine solche Entscheidung soll die Kommission ohne den Verwaltungsausschuss fällen dürfen. Die Interventionsmenge für Gerste soll - so wie auch bei Mais und Sorghum - nach den ersten Vorstellungen der Kommission auf null gesetzt werden. Am 20.05. will die Kommission ihren Vorschlag vorlegen.

Kommissions-Vorhaben bedeutet künftig Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Interventionspreis

Rouen gilt als preisbestimmender Weizenexporthafen der EU. Eine quasi Ableitung des Interventionspreises auf eine Parität Rouen - oder aber auch anderer Exporthäfen, wie dem für Österreich am nächsten gelegenen Koper in Slowenien - benachteiligt den zentraleuropäischen Raum in Binnenlage mit Ländern wie Österreich und den Überschussregionen Ungarn oder Slowakei. Dies würde, wie die aktuelle Preisdifferenzierung zwischen euronext.liffe und mitteleuropäischem Kassamarkt gerade beweist, zu einer Teilung des EU-Binnenmarktes und seiner Spielregeln für eine Mindestpreisgarantie in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft führen. Nämlich in jene Standorte mit Zugang zu Seehäfen, die vom Preis mit der Parität Rouen zu ihren Markterlösen nur geringe Abschläge für die Anlieferung in Kauf nehmen müssten, und in jene Standorte in Zentraleuropa, die hohe Transportkosten zur Ermittlung des möglichen Marktpreises von der Preisparität in Rouen - oder einem anderen Exporthafen der EU - als Abschlag akzeptieren müssten. Dies hätte praktisch unterschiedliche Interventionspreise in verschiedenen Regionen des Binnenmarktes zur Folge.

In Zentraleuropa droht Halbierung des Interventionspreises

Österreichischen Experten zufolge betrügen die Transportkosten für Getreide aus dem Raum Wien nach Rouen zurzeit zumindest Euro 60,- pro t, zum nächstgelegenen Exporthafen Koper etwa Euro 40,- pro t. Das bedeute im Extremfall praktisch, dass nach dem Health Check der von der EU garantierte Interventionspreis in Zentraleuropa auf bis zur Hälfte oder noch weniger des bisher einheitlich und künftig nur mehr in den Exporthäfen garantierten Mindestpreises (Euro 101,13 pro t plus monatliche Reports, das heißt Lagergeldzuschläge von Euro 0,46 pro t im Zeitraum November bis Mai) reduziert werden könnte.

EU-Weizennotierungen zurzeit vom Export getragen

Während sich in den USA die Rallye der Futureskurse für den hochwertigen, an der Minneapolis Grain Exchange (MGE) notierten Sommerweizen Hard Red Spring wieder abgekühlt hat, werden die Warenterminkurse für Weizen in der EU zurzeit von den Exporthoffnungen auf hohem Niveau gehalten. Dem tut momentan auch der gegenüber dem US-Dollar weiterhin extrem hohe Kurs des Euro (07.03.2008, 11:36 Uhr: Euro 1,- entspricht USD 1,539) keinen Abbruch, weil die Konkurrenz aus dem Dollar- und dem Schwarzmeer-Raum zurzeit mangels Lieferfähigkeit nur beschränkt am Markt präsent ist.

Die Exporte der EU haben zuletzt trotz offenkundiger Probleme mit der Qualität von französischem Weizen vor allem nach Nordafrika weiter Fahrt aufgenommen. Zum Teil soll deutscher Weizen stornierte Aufträge an französische Exporteure ersetzen oder es schrauben die Importeure - so wie jüngst Ägypten - ihre Qualitätsansprüche hinunter. So kaufte Ägypten vorige Woche erstmalig in dieser Saison französischen Weizen, die Rede ist dabei von 120.000 t. Allerdings soll das Exportfenster für die EU nur eine kurze Zeit offen stehen, bis die ersten Lieferungen von Weizen aus der eben auf der südlichen Hemisphäre abgeschlossenen Ernte 2007/08 zur Verfügung stehen.

Die Vergabe von Weizenexportlizenzen in der EU wuchs in der Woche bis 04.03. laut Kommission um 248.000 t an, wodurch die EU 2007/08 mit insgesamt 4,743 Mio. t Exportlizenzen wieder zum Nettoexporteur von Weizen (Importe: 4,049 Mio. t) wurde. Insgesamt bleibt die Getreidehandelsbilanz der EU 2007/08 aber mit Importen von 19,5 Mio. t bei Exporten von 11,9 Mio. t bis 04.03. im roten Bereich, sodass die EU im laufenden Wirtschaftsjahr ein Nettoimporteur von bisher 7,6 Mio. t Getreide bleibt. Dazu tragen vor allem die Einfuhr von bis dato 9,46 Mio. t Mais und 4,06 Mio. t Sorghum bei.

Brasilien dürfte als Lieferant von GVO-freiem Mais ausfallen

Mais importierte die EU bisher vor allem aus Brasilien, weil dieses Land bisher als einziges am Weltmarkt GVO-freien Mais anbieten konnte. Nunmehr sieht es aber danach aus, dass die Brasilianer nach der Zulassung des Anbaus zweier gentechnisch veränderter Maissorten künftig auch als Maislieferant für die EU ausfallen. Damit droht der ohnehin von hohen Futtermittelpreisen im Vergleich zur internationalen Konkurrenz schon schwer in Bedrängnis gebrachten und von Importen abhängigen tierischen Veredlung in der EU weiteres schweres Ungemach. "Was nutzt der EU dann noch ihr Gentechnik-Verbot, wenn ihre tierische Veredlung wegen Kostennachteilen und aus Mangel der Verfügbarkeit GVO-freier Futtermittel am Weltmarkt den Bach runtergeht und sie dann vom Import des Fleisches von Tieren abhängig wird, die erst recht mit GVO-Futtermitteln aufgewachsen sind?", fragen sich nun Beteiligte.

Neue Ernte notiert trotz hoher Ernteerwartungen weiterhin stark

Weizen der kommenden Ernte 2008 notiert an der EU-Leitbörse euronext.liffe nach wie vor stark, wenn auch mit einem gegenüber den Vorjahren doch doppelt so hohen negativen Abstand von mehr als Euro 50,- gegenüber der alten Ernte. Der gestrige (06.03.2008) Schlusskurs von Euro 234,- pro t für den November-Weizenfutures (Schlusskurs für den März-Futures: Euro 290,- pro t) an der euronext.liffe ergibt gemäß der Preisableitung der Lagerhäuser für ihr Preissicherungsmodell für Weizen der Ernte 2008 heute einen Tagespreis für Landwirte mit entsprechenden Kontrakten von Euro 219,- exkl. MwSt. pro t Qualitätsweizen und von netto Euro 209,- pro t für Mahlweizen.

Angesichts dessen, dass die globalen Aussichten für die Weizenernte 2008/09 bisher noch kaum von Meldungen über große Verluste getrübt worden sind und sich eine deutlich größere Ernte ankündigt, halten sich die Kurse für die kommende Ernte dennoch weiterhin bemerkenswert fest.
 
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