Grazer ForscherInnen identifizieren "Schrift-DNA"
Graz (universität) - Eine Brücke zwischen mittelalterlichen Handschriften und moderner
Kriminologie schlagen WissenschafterInnen der Uni Graz und Joanneum Research. In einem Gemeinschaftsprojekt wird
daran gearbeitet, in mittelalterlichen Handschriften verschiedene „Schreiberhände“ zu bestimmen – so werden
Grundlagen für Schriftanalysen geschaffen, die auch für moderne Schriftstücke zur Anwendung kommen
können: Mit computergestützten Bildverarbeitungs-Methoden wird ein „handschriftlicher Fingerabdruck“
erkannt, und zwar viel genauer als von allen bisherigen Verfahren.
Der Fingerabdruck und die Handschrift sind Identifikationsmerkmale des Menschen, die kaum zu fälschen sind
– sie sind Teil unserer Individualität. Eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart stellen
Grazer WissenschafterInnen mit dem Projekt „DAmalS“ (Datenbank zur Authentifizierung mittelalterlicher Schreiberhände)
her: In dem vom Land Steiermark gestützten Forschungsvorhaben arbeiten seitens der Uni Graz ExpertInnen der
Germanistik und der Geisteswissenschaftlichen Informationsverarbeitung sowie IT-Fachleute von Joanneum Research
daran, „mittelalterliche Schreiberhände“ zu unterscheiden. „An der Herstellung der alten Manuskripte waren
meist mehrere SchreiberInnen beteiligt, die nur sehr schwer voneinander zu trennen sind“, sagt der Germanist und
Projektleiter Univ.-Prof. Dr. Wernfried Hofmeister, der mit seiner Frau, Dr. Andrea Hofmeister, das Projektkonzept
erstellt hat.
Jetzt hat man eine Möglichkeit gefunden, die eine exakte Schreibertrennung besser gewährleistet als alle
bisherigen Methoden: „Bis dato hat man in diffizilen Fällen eine subjektive Entscheidung treffen müssen
– jetzt wird das menschliche Auge von neuester Hochtechnologie unterstützt.“ Die Schriftstücke werden
digitalisiert und in eine Datenbank eingespeist, die die Schreiberhände genau vermisst – charakteristische
Elemente einer Schrift werden erfasst, wiedererkannt und können zugeordnet werden. Das allein klingt noch
nicht bahnbrechend, würde man meinen – doch das genaue Gegenteil ist der Fall: „Die Innovation liegt im Detail:
Bislang wurden nur einzelne Buchstaben analysiert – wir hingegen erfassen sogar Buchstabenteile wie z.B. die Position
von i-Punkten, aber auch ganze Wörter und deren musterartige Besonderheiten. Dies macht die Zuordnung noch
viel exakter und lässt auf die Individualität der Schreiberhand schließen“, sagen die beiden GermanistInnen.
Nur ein perfektes Zusammenspiel von menschlichen und technischen Leistungen macht dies möglich. Die graphischen
Merkmale werden von den WissenschafterInnen vorselektiert, die Texte nach in Graz entwickelten Richtlinien minuziös
transliteriert – erst dann startet das High-Tech-Programm. „Es ist eine Mischung aus bewährten und neuen Methoden,
die in ungelösten Fällen Erfolg verspricht.“
Analysiert wird im Rahmen des mit 45.000 Euro dotierten Pilotprojekts, das noch bis Herbst 2008 läuft und
an dem rund 10 ForscherInnen arbeiten, derzeit der Heidelberger Codex Hugos von Montfort aus dem Jahr 1415 – daran
sollen zwei bis vier SchreiberInnen beteiligt gewesen sein. Doch nicht nur dort, sondern auch bei anderen Manuskripten
kann die Erkennung der „Schrift-DNA“ zur Anwendung kommen: „Unsere Vision wäre es, eine Art ‚Fahndungskartei’
anzulegen, die auf die verschiedensten Dokumente anwendbar wäre.“ Vorgespräche für eine Erstellung
laufen bereits, Kontakte nach Deutschland und in die Schweiz bestehen. Doch auch in anderen Bereichen soll das
System zur Anwendung kommen: „Sogar die Kriminologie könnte von unseren Methoden profitieren – wie erste fachübergreifende
Gespräche bewiesen haben.“ |