Mittelalterkunde trifft Kriminologie   

erstellt am
10. 03. 08

Grazer ForscherInnen identifizieren "Schrift-DNA"
Graz (universität) - Eine Brücke zwischen mittelalterlichen Handschriften und moderner Kriminologie schlagen WissenschafterInnen der Uni Graz und Joanneum Research. In einem Gemeinschaftsprojekt wird daran gearbeitet, in mittelalterlichen Handschriften verschiedene „Schreiberhände“ zu bestimmen – so werden Grundlagen für Schriftanalysen geschaffen, die auch für moderne Schriftstücke zur Anwendung kommen können: Mit computergestützten Bildverarbeitungs-Methoden wird ein „handschriftlicher Fingerabdruck“ erkannt, und zwar viel genauer als von allen bisherigen Verfahren.

Der Fingerabdruck und die Handschrift sind Identifikationsmerkmale des Menschen, die kaum zu fälschen sind – sie sind Teil unserer Individualität. Eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart stellen Grazer WissenschafterInnen mit dem Projekt „DAmalS“ (Datenbank zur Authentifizierung mittelalterlicher Schreiberhände) her: In dem vom Land Steiermark gestützten Forschungsvorhaben arbeiten seitens der Uni Graz ExpertInnen der Germanistik und der Geisteswissenschaftlichen Informationsverarbeitung sowie IT-Fachleute von Joanneum Research daran, „mittelalterliche Schreiberhände“ zu unterscheiden. „An der Herstellung der alten Manuskripte waren meist mehrere SchreiberInnen beteiligt, die nur sehr schwer voneinander zu trennen sind“, sagt der Germanist und Projektleiter Univ.-Prof. Dr. Wernfried Hofmeister, der mit seiner Frau, Dr. Andrea Hofmeister, das Projektkonzept erstellt hat.

Jetzt hat man eine Möglichkeit gefunden, die eine exakte Schreibertrennung besser gewährleistet als alle bisherigen Methoden: „Bis dato hat man in diffizilen Fällen eine subjektive Entscheidung treffen müssen – jetzt wird das menschliche Auge von neuester Hochtechnologie unterstützt.“ Die Schriftstücke werden digitalisiert und in eine Datenbank eingespeist, die die Schreiberhände genau vermisst – charakteristische Elemente einer Schrift werden erfasst, wiedererkannt und können zugeordnet werden. Das allein klingt noch nicht bahnbrechend, würde man meinen – doch das genaue Gegenteil ist der Fall: „Die Innovation liegt im Detail: Bislang wurden nur einzelne Buchstaben analysiert – wir hingegen erfassen sogar Buchstabenteile wie z.B. die Position von i-Punkten, aber auch ganze Wörter und deren musterartige Besonderheiten. Dies macht die Zuordnung noch viel exakter und lässt auf die Individualität der Schreiberhand schließen“, sagen die beiden GermanistInnen. Nur ein perfektes Zusammenspiel von menschlichen und technischen Leistungen macht dies möglich. Die graphischen Merkmale werden von den WissenschafterInnen vorselektiert, die Texte nach in Graz entwickelten Richtlinien minuziös transliteriert – erst dann startet das High-Tech-Programm. „Es ist eine Mischung aus bewährten und neuen Methoden, die in ungelösten Fällen Erfolg verspricht.“

Analysiert wird im Rahmen des mit 45.000 Euro dotierten Pilotprojekts, das noch bis Herbst 2008 läuft und an dem rund 10 ForscherInnen arbeiten, derzeit der Heidelberger Codex Hugos von Montfort aus dem Jahr 1415 – daran sollen zwei bis vier SchreiberInnen beteiligt gewesen sein. Doch nicht nur dort, sondern auch bei anderen Manuskripten kann die Erkennung der „Schrift-DNA“ zur Anwendung kommen: „Unsere Vision wäre es, eine Art ‚Fahndungskartei’ anzulegen, die auf die verschiedensten Dokumente anwendbar wäre.“ Vorgespräche für eine Erstellung laufen bereits, Kontakte nach Deutschland und in die Schweiz bestehen. Doch auch in anderen Bereichen soll das System zur Anwendung kommen: „Sogar die Kriminologie könnte von unseren Methoden profitieren – wie erste fachübergreifende Gespräche bewiesen haben.“
 
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