Das wirtschaftspolitische Arbeitsprogramm der EU 2008   

erstellt am
07. 03. 08

Bericht des Wirtschaftsministeriums liegt vor
Wien (pk) - Im Zentrum der EU-Wirtschaftspolitik 2008 steht die Umsetzung und Weiterentwicklung der 2005 neu ausgerichteten Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung. Die Kommission arbeitet an einem ökonomischen Schlüsselthemen-Papier für den Europäischen Rat am 13./14. März 2008. Es geht um mehr Investitionen in Wissen und Innovation, die Vollendung des Binnenmarktes, ökologische Nachhaltigkeit, bessere Rechtssetzung und um die Förderung der KMU. Konkret wird der Europäische Rat Vorschläge der Kommission für den letzten Zyklus der Lissabon-Strategie von 2008 bis 2010, zur Revision der Integrierten Leitlinien sowie für ein Lissabon-Gemeinschaftsprogramm behandeln. Bei der Koordination des nationalen Lissabon-Umsetzungsprogramms, das Österreich im Herbst 2008 vorlegen muss, konzentriert sich Wirtschaftsminister Bartenstein auf die Förderung von Wachstum- und Beschäftigung, ist dem "EU-Arbeitsprogramm 2008" entnehmen, das dem Parlament seit kurzem vorliegt.

EU-Außenhandelsthemen 2008

Die multilaterale Handelspolitik der EU steht im Zeichen der Agrarhandelsprobleme bei der aktuellen WTO-Verhandlungsrunde. Beim Abbau der Agrarzölle ist die EU, bei der Reduktion handelsverzerrender Stützungen sind die USA gefordert. Der Abbau von Industriezöllen bereitet reicheren Entwicklungsländern Schwierigkeiten. Ein Abschluss der Doha-Runde setzt überdies Vereinbarungen über Dienstleistungen, Handelserleichterungen, Handelsregeln und Entwicklungsfragen voraus. Österreich will durch Handelsliberalisierung die Entwicklungsländer in den Welthandel integrieren und misst der "Aid for Trade"-Initiative für nachhaltige Entwicklung in den ärmsten Ländern große Bedeutung bei.

Bilaterale Handelspolitik
Bei der Stärkung der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen mit den USA und Kanada will Österreich einerseits EU-Interessen bei den Themen regulatorische Zusammenarbeit, Innovation und Technologie, Handel und Sicherheit, Energie, Kapitalmärkte, Geistiges Eigentum und Investitionen forcieren, andererseits die Möglichkeit eines Abkommens zur regulatorischen Zusammenarbeit mit Kanada abklären.

Den Verhandlungen mit Zentralamerika und mit der Andengemeinschaft steht Österreich ebenso positiv gegenüber wie der Wiederaufnahme der 2004 ins Stocken geratenen Verhandlungen mit dem Mercosur.

Die Bemühungen der Kommission um einen besseren Ausgleich in den Wirtschaftsbeziehungen mit China und die Verhandlungen um umfassende Freihandelsabkommen mit Indien, Korea und den ASEAN-Staaten zur Ergänzung der multilateralen WTO-Verhandlungen begrüßt Österreich.

Die slowenische Präsidentschaft strebt mit österreichischer Unterstützung den Abschluss eines Abkommens mit dem Golfkooperationsrat beim Ministertreffen im Mai 2008 an.

Der "Barcelonaprozess" mit südlichen Mittelmeerländern gilt das Ziel einer Euromed-Freihandelszone bis 2010. Verhandelt wird 2008 über Dienstleistungs- und Niederlassungsabkommen sowie über eine Liberalisierung von Agrar- und Fischereiprodukten sowie über einen Streitbeilegungsmechanismus.

Die Verhandlungen der EU über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen(WPA) mit afrikanischen Regionalzusammenschlüssen und dem Pazifik (AKP) werden mit dem Ziel umfassender Regionalabkommen fortgesetzt. Für Österreich stehen Armutsbekämpfung und Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft im Vordergrund.

Österreich ist mit Südosteuropa wirtschaftlich enger verflochten als alle anderen EU-Länder und befürwortet daher die EU-Integration der Balkanländer. Auch der Weiterentwicklung der Beziehungen mit der Ukraine misst Österreich große Bedeutung bei und unterstützt den bevorstehenden WTO-Beitritt der Ukraine. Eine rasche Fortführung der 2007 aufgenommenen Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen zum Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der Ukraine zählt zu den Prioritäten der slowenischen Ratspräsidentschaft.

Im Verhältnis zu Russland tritt Österreich für rasche Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen für das 2008 auslaufende Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) ein. Die slowenische Präsidentschaft will die polnische Verhandlungsblockade wegen russischer Importverbote für tierische Produkte aus Polen überwinden.

Am System handelspolitischer Schutzinstrumente will Österreich auch in einer sich wandelnden globalen Wirtschaft festhalten, solange kein weltweites Wettbewerbsrecht bestehe. Die Position von KMU in der Industrie sollte gestärkt werden, heißt es im Bericht.

China, Kasachstan, Vietnam, die Mongolei und Armenien sollen vollen Marktwirtschaftsstatus in Antidumpingverfahren erhalten, sobald sie die dafür relevanten Kriterien erfüllen. Ein Kommissionsbericht über Armenien wird für das erste Halbjahr 2008 erwartet.

In den Verhandlungen für ein neues Kakaoübereinkommen, das dem geltenden im Oktober 2008 nachfolgen soll, verlangt Österreich eine ausgewogene Stimmrechtsverteilung ohne budgetäre Mehrkosten.

Binnenmarkt und Wettbewerb
Österreich unterstützt die Kommission bei der Überarbeitung und Aktualisierung der Binnenmarktpolitik. Die Kommissionsdokumente für eine künftige Binnenmarktpolitik im Europa des 21. Jahrhunderts (Single Market Review), die dem EU-Gipfel im März 2008 vorliegen, zeigen die Erfolge des Binnenmarktes seit 1993 auf: BIP-Steigerung von 877 Mrd. € oder 5.700 € pro Haushalt und 2,5 Mill. zusätzliche Arbeitsplätze. Als aktuelle Themen sieht die Kommission Dienstleistungen, Soziales, private Finanzdienste, die externe Dimension des Binnenmarkts, neue Methoden der Marktbeobachtung, staatliche Unterstützungen und Beschaffungsvorschriften. In der neuen Lissabon-Strategie will die Kommission dem Binnenmarkt einen höheren Stellenwert einräumen. Die slowenische Präsidentschaft konzentriert sich auf die Überarbeitung des Rechtsrahmens für Telekommunikation, den Aktionsplan für Finanz-Dienstleistungen und auf die Verbesserung des Europäischen Patentsystems.

Bessere Rechtssetzung
Bei der Verbesserung des ordnungspolitischen Umfelds in Europa hat Österreich die nationalen Verwaltungslasten analysiert und ein 25-prozentiges Reduktions-Ziel für alle Ressorts beschlossen. An Maßnahmenplänen wird gearbeitet. Österreich unterstützt auch die Arbeiten an anderen Säulen der "Better Regulation"-Agenda und konzentriert sich auf die Entlastung von KMU. Zudem unterstützt Österreich Bemühungen zur Verbesserung des Binnenmarktes durch einen gemeinsamen Rechtsrahmen bei der Vermarktung von Produkten.

Zu der bis Ende 2009 vorgeschriebenen Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie arbeitet Österreich einen Gesetzesentwurf aus und prüft derzeit das Bundes- und Landesrecht.

Die von der Kommission vorgeschlagene Vereinfachung von Schadenersatzklagen bei Wettbewerbsverstößen lehnt Österreich ab, weil es tiefe Eingriffe in österreichisches Recht befürchtet.

Innovation und Forschung
Unter österreichischer Präsidentschaft wurde ein Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation beschlossen. Es dient der Finanzierung von Innovationen auf Gemeinschaftsebene und soll künftig besser koordiniert werden.

Gemeinsame Technologieinitiativen
Die Initiative "EUROSTARS" soll im ersten Halbjahr 2008 zu einem Programmbeschluss zur Förderung der Kooperation forschungsintensiver KMU führen. Österreich unterstützt auch die Initiative "Brennstoffzellen und Wasserstoff" und konzentriert sich dabei auf die Herstellung von Wasserstoff mit Hilfe erneuerbarer Energien sowie auf eine verbesserte Mitsprache der Mitgliedstaaten.

Industrie und Unternehmen
Zur Erschließung des Wachstums- und Beschäftigungspotenzials der europäischen KMU plant die Kommission die Vorlage eines "Small Business Act" bis Juni 2008. Um den Binnenmarkt besser nutzen zu können, soll der Zugang von KMU zu EU-Programmen, öffentlichen Vergaben und zur Normung erleichtert werden. Österreich unterstützt das Vorhaben und drängt konkret auf einen Dialog zwischen Banken und KMU-Verbänden, verlangt KMU-Förderungen auf internationalen Märkten, die Einrichtung eines KMU-Unterstützungsbüros in Brüssel, die Senkung der Verwaltungskosten um 25 %, die Vereinfachung der staatlichen Förderungen, Garantie-Instrumente, einen fixen KMU-Anteil an staatlichen Beihilfen sowie einen größeren KMU-Anteil an der öffentlichen Beschaffung. Österreich will keinen legislativen Akt, sondern KMU-fördernde Prinzipien umfassend zusammenführen.

Auf Basis der Halbzeitbewertung der Industriepolitik 2007 wird die Kommission im Frühjahr 2008 einen Aktionsplan zur nachhaltigen Industriepolitik vorlegen. Österreich plädiert für die Unterstützung der europäischen Industrie bei der Bewältigung der Herausforderungen, die sich aus Globalisierung, technologischem Fortschritt und Klimawandel ergeben.

Sektor Automobilindustrie
Der Legislativvorschlag der Kommission vom Dezember 2007 zur Reduktion der CO2-Emissionen neuer Autos auf 130 g/km 2012 stellt eine technische Herausforderung für die Hersteller schwerer Autos dar. Bei einem durchschnittlichen Gewicht von 1,4 t liegt das Ziel bei 130 g/km, bei 700 kg bei 100 g/km und bei 3 t Gewicht bei 200 g/km. Für jedes Gramm CO2, das der Hersteller im Schnitt über seinem Flottenlimit liegt, soll er ab 2012 20 € und ab 2015 95 € Strafe zahlen - jeweils multipliziert mit der Zahl der verkauften Autos. Die Hersteller sollen aber kooperieren dürfen, um die Ziele gemeinsam zu erreichen. Nach Berechnung der Kommission wird der durchschnittliche Preis für ein Auto zwar um 1.300 € steigen, der Spritverbrauch über den Lebenszyklus aber um 2.700 € billiger werden. Weitere 10 g/km sollen durch komplementäre Maßnahmen bei Reifen, Klimaanlagen und durch den Einsatz von Biokraftstoffen eingespart werden. In den Verhandlungen will Österreich seine Interessen als Zulieferer der deutschen Fahrzeugindustrie zur Geltung bringen.

Der Energiebinnenmarkt
Auf den Strom- und Gasmärkten drängt die Kommission auf die wirksamere Trennung der Energieerzeugung vom Netzbetrieb, auf weitere Harmonisierung der Befugnisse nationaler Regulierungsbehörden sowie auf deren Unabhängigkeit. Das im September 2007 vorgelegte Dritte Liberalisierungspaket für den Energiebinnenmarkt sieht eine Entflechtung der Übertragungs- und Fernleitungsnetzeigentümer (eigentumsrechtliches Unbundling), die Schaffung eines Independent System Operator, ein Verbot der Kontrolle von Fernleitungs- und Übertragungsnetzen durch Personen aus Drittstaaten, sofern kein Abkommen mit der EU besteht, eine unmittelbare Abänderungsbefugnis der Kommission von Rechtsakten innerstaatlicher Organe sowie die Benennung und Zertifizierung der Übertragungsnetz- und Fernleitungsnetzbetreiber vor. - Österreich hat sich gegen das eigentumsrechtliche Unbundling ausgesprochen und lehnt auch den Independent System Operator sowie eine Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulatoren ab. Bedenken meldet Österreich auch gegen das Zertifizierungsverfahren der Übertragungsnetz- bzw. der Fernleitungsnetzbetreiber und gegen ein Recht der Kommission an, innerstaatliche Entscheidungen zu überprüfen.

Das "Energie- und Klimapaket" wird beim Energie- und beim Umweltministerrat und auf dem Frühjahrsgipfel im März 2008 behandelt werden. Der Beschluss ist für Frühjahr 2009 geplant. Für die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen sollen nationale Ziele fixiert werden, die bis 2020 zu einem 20-%-Anteil erneuerbarer Energiequellen am Energieverbrauch und zu einem erneuerbaren Kraftstoffanteil von 10 % führen. Österreich übertrifft das angepeilte EU-Ziel mit einem Anteil von 23 % bereits jetzt und soll mit einem Erneuerbaren-Anteil von 34 % bis 2020 ein sehr ambitioniertes Ziel anstreben. Österreich macht darauf aufmerksam, dass eine zusätzliche Steigerung von einem bereits hohen Niveau schwieriger zu erzielen sei als von niedrigem Niveau und will seine Vorleistungen besser berücksichtigt sehen.

Die Rolle der Kernenergie führt zu Meinungsverschiedenheit mit anderen Mitgliedsstaaten beim "Europäischen Strategieplan für Energietechnologien (SET-PLAN)", den Österreich ansonsten positiv sieht.

Tourismus
Österreich begrüßt die Bemühungen von Kommission und Rat um den nachhaltigen Ausbau des Tourismus in Europa durch die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Tourismusindustrie und durch die Schaffung besserer Arbeitsplätze im Tourismus. Österreich wird auch 2008 wieder am "European Destinations of Excellence"-Award zum Thema "Tourismus und immaterielles Kulturerbe" teilnehmen.

Beschäftigung
In der Diskussion über einen "Strategischen Plan zur legalen Zuwanderung" unterstützt Österreich die Arbeit an Grundlagen für eine abgestimmte Migrationspolitik, will angesichts der Heterogenität der Arbeitsmärkte aber nationale Kompetenzen bei der Festlegung wahren, welche und wie viele Drittstaatsangehörige zum Arbeitsmarkt zugelassen werden. Das EU-Arbeitskräftepotential sollte vor der Öffnung für Drittstaaten ausgeschöpft werden. In den EU-Erweiterungsverhandlungen mit Kroatien und der Türkei wird Österreich lange Übergangsfristen für die Freizügigkeit verlangen.

Arbeitsrecht
Zu Bemühungen um eine Richtlinie über Mindestvorschriften zur Erhöhung der Mobilität von Arbeitnehmern durch Verbesserung der Begründung und Wahrung von Zusatzrentenansprüchen stellt Österreich fest, dass schon derzeit unverfallbare Anwartschaften bei Arbeitsplatzwechsel im In- oder Ausland gesichert bleiben. Österreich plädiert für eine längere Unverfallbarkeitsfrist und für längere Umsetzungsfristen.

Bei einer Änderung der Arbeitszeitrichtlinie will Österreich die geltenden Regelungen des Bereitschaftsdienstes im Arbeitszeitrecht im Wesentlichen beibehalten können.

Einen Richtlinienvorschlag zur Gleichbehandlung von LeiharbeitnehmerInnenn gegenüber angestellten Arbeitnehmern befürwortet Österreich vom ersten Tag der Überlassung an, würde aber auch Ausnahmen bis zu 6 Wochen akzeptieren, schreibt der Arbeitsminister.

Sicherheit am Arbeitsplatz
Für 2008 wird ein Richtlinienentwurf zum Schutz am Arbeitsplatz gegen arbeitsbedingte Erkrankungen des Bewegungsapparates erwartet, der bestehende Bestimmungen in einen einzigen Rechtsakt zusammenfasst. Österreich erhebt dagegen keinen Einwand und befürwortet auch die Kodifikation der Arbeitsmittel-Richtlinie und der Asbestrichtlinie im Sinne der Vereinfachung und besseren Handhabbarkeit des Gemeinschaftsrechts.
 
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