Forscher der Universität Innsbruck an Weltrekord-Experiment beteiligt
Innsbruck (universität) - Einen neuen Weltrekord bei der Präzisionsmessung von optischen
Frequenzen haben Wissenschaftler des National Institute of Standards and Technology (NIST) in Boulder, USA, aufgestellt.
Einen wesentlichen Beitrag dazu hat der Experimentalphysiker Dr. Piet O. Schmidt geleistet, der seit drei Jahren
an der Universität Innsbruck forscht. Die Forscher berichten über ihren bahnbrechenden Erfolg in der
Fachzeitschrift Science.
Der Lauf der Zeit kann schon heute extrem genau gemessen werden. Eine Reihe von Cäsium-Atomuhren auf der ganzen
Welt geben uns die Sekunde vor. Die modernsten dieser Uhren zeigen heute eine Abweichung von nur wenigen Sekunden
in 300 Millionen Jahren. Den Physikern ist das aber noch nicht genau genug. Sie forschen an optischen Atomuhren,
die mit Lichtfrequenzen arbeiten und noch einmal um den Faktor 1.000 genauer sein sollen. Wissenschaftlern am National
Institute of Standards and Technology (NIST) in Boulder, USA, ist nun ein großer Durchbruch gelungen. „Meine
Kollegen am NIST haben die Genauigkeit von zwei optischen Atomuhren um einen Faktor 10 gegenüber den besten
bisherigen Uhren verbessert. Um das zu beweisen, wurden die Frequenzen der beiden Uhren miteinander verglichen
und eine Abweichung von nur 5,2 x 10 hoch -17 festgestellt. Das ist, wie wenn man den Abstand der Erde zur Sonne
auf ein Zehntel des Durchmessers eines Haares bestimmen könnte, und damit ein Weltrekord“, freut sich Dr.
Piet Schmidt, der als Postdoc das Experiment in Boulder mit aufgebaut und erste Messungen daran durchgeführt
hat. Heute forscht der START-Preisträger am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck.
Eine quantenlogische Uhr
Die Wissenschaftler in den USA benutzten einzelne Quecksilber- und Aluminium-Ionen in ihren optischen Atomuhren.
„Das Aluminium-Ion hat einen sehr schmalen Uhrenübergang, der sich zudem als besonders resistent gegenüber
äußeren Einflüssen gezeigt hat. Das Ion kann aber nur sehr schwer kontrolliert werden“, sagt Piet
Schmidt. „Wir verwenden dafür Techniken, die auch für den Bau des Quantencomputers zum Einsatz kommen.“
Dabei wird dem Aluminium-Ion ein Beryllium-Ion zur Seite gestellt, das als eine Art Vermittler dient und sowohl
bei der Laserkühlung als auch bei der Messung hilft. Diese so genannte Quantenlogik-Spektroskopie wurde von
Piet Schmidt und seinen Kollegen am NIST vor drei Jahren zum ersten Mal realisiert. Das Quecksilber-Ion kann hingegen
direkt mit Lasern gekühlt und ausgelesen werden. Daher kommt hier die übliche Quantensprungspektroskopie
zum Einsatz. Da die Ionen nicht kontinuierlich Signale für die Messung liefern, werden sie mit hochstabilen
Lasern gekoppelt, die wie ein Schwungrad die Lichtfrequenz erhalten und durch regelmäßige Messungen
an den Ionen immer wieder geeicht werden. Die Wissenschaftler können dann die Frequenzen der beiden Atomuhren
mit Hilfe eines optischen Frequenzkamms vergleichen. Diese Messungen sind allerdings extrem sensibel. So müssen
zum Beispiel Effekte der Gravitation berücksichtigt werden. Der Abstand der beiden Atomuhren vom Erdmittelpunkt
darf um nicht mehr als 10 cm differieren. Dies eröffnet aber auch neue Perspektiven für die Forscher.
So könnten die Atomuhren in Zukunft auch zur Untersuchung des Gravitationsfelds der Erde verwendet werden.
Sind Naturkonstanten wirklich konstant?
„Besonders interessant sind aber Messungen über längere Zeiträume hinweg“, erklärt
Schmidt. „Damit können wir nämlich überprüfen, ob sich fundamentale Naturkonstanten langfristig
ändern. Und das wäre natürlich spektakulär, denn die gängige Theorie sieht so etwas nicht
vor.“ Die Forscher in Boulder konnten mit ihren Messungen aber beruhigen: Die Feinstrukturkonstante ? änderte
sich über die Laufzeit von einem Jahr nicht signifikant. Genau hier setzt Piet Schmidt auch mit seinen neuen
Experimenten in Innsbruck an. Er möchte die Änderung von Naturkonstanten weiter untersuchen und Messdaten
generieren, die Astrophysikern helfen sollen, ihre Datenauswertung zu verbessern. Denn es gibt astrophysikalische
Beobachtungen, die andeuten, dass sich die Feinstrukturkonstante ? bei der Entwicklung des Kosmos verändert
hat. „Wenn das neue Haus der Physik in Innsbruck gebaut wird, könnten wir dort dafür ähnliche Bedingungen
schaffen, wie es sie in Boulder gibt“, hofft Piet Schmidt auf Unterstützung für seine Pläne.
START-Preisträger
Piet Schmidt wurde 1970 in Schwäbisch Hall in Deutschland geboren. Er studierte an der Universität
Konstanz Physik und verbrachte ein Auslandsjahr an der Portland State University in den USA. Sein Doktoratsstudium
absolvierte er zunächst in Konstanz und dann an der Universität Stuttgart, wo er 2003 promovierte. Bis
2005 arbeitete er als Postdoc in der Arbeitsgruppe von David Wineland und Jim Bergquist am National Institute of
Standards and Technology (NIST) in Boulder, USA. Seither ist er Assistent in der Arbeitsgruppe von Univ.-Prof.
Dr. Rainer Blatt an der Universität Innsbruck. Im Juni 2006 wurde er mit dem höchsten Preis für
Nachwuchswissenschaftler in Österreich, dem START-Preis, ausgezeichnet. |