Bei der Evangelischen Woche sprach der frühere Ministerpräsident
von Sachsen-Anhalt
Wien (epd Ö) - Vor einem zunehmenden Auseinanderklaffen der Sprache der Kirche und der Sprache der
Welt warnte der frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, in seinem Eröffnungsvortrag
der diesjährigen Evangelischen Woche am Abend des 03.03. in Wien. Höppner, der bis zum Vorjahr auch Präsident
des Deutschen Evangelischen Kirchentages war, rief dazu auf, die Erfahrungen, die Menschen mit Gott machen, "so
weiterzugeben, dass sie in den Lebenszusammenhängen der Menschen von heute ankommen". Diese Übersetzungsaufgabe
müsse ständig geübt werden. Worte wie "Barmherzigkeit" oder "Gnade" würden
außerhalb des kirchlichen Raumes nicht mehr verstanden. Höppner: "Das Plakat 'Jesus liebt dich'
transportiert heute nichts mehr."
Konkretionen, die bei der Übersetzung des Evangeliums auf Widerstand stoßen, seien unvermeidbar. "Wir
haben oft Angst, das Evangelium so deutlich zu sagen, dass es in der politischen Welt ankommt", meinte der
frühere Präses der Synode Sachsen-Anhalt.
Gute Politik verzichtet auf Demütigungen
Eine im wahrsten Sinn des Wortes "in der Welt bekennende Kirche, die Gott auf den Spuren bleibt", sei
"unvermeidlich politisch", solange Politik nicht nur als das verstanden werde, "was die da oben
machen". Unter "Politik" versteht der frühere Ministerpräsident "all das, was das
Zusammenleben der Menschen im öffentlichen Raum betrifft", darum gehe es zentral in der Bibel. "Allein
die Tatsache, dass ich in der DDR Christ war, war hochpolitisch", erzählte Höppner aus seiner Biografie.
Die Kirchen stünden heute vor der Herausforderung, klar zu sagen, "warum man sich an diese Kirche hält".
Zudem komme ihnen im zusammenwachsenden Europa die Rolle des Brückenbauers zu. Eine "gute Politik gegen
den Terrorismus" verzichte auf Demütigungen, die unweigerlich zu Gewalt führten. Allein die Bilder
von Abu-Ghuraib - 2004 wurden dort Folterungen und Misshandlungen irakischer Gefangener durch das US-Militär
bekannt - führten zu Terrorismus und Gewalt.
Dialog mit anderen Religionen
Der Missionsbefehl bedeute heute nicht, sich im Besitz der Wahrheit zu wissen und diese anderen "überzustülpen",
vielmehr gehe es darum, sich gemeinsam auf den Weg zu machen und andere Menschen "in den Lernprozess hineinzunehmen,
in den Gott uns gestellt hat". In einer Welt, in der "jeder unser Nachbar ist", müsse der Dialog
mit anderen Religionen Dauerthema der Kirchen bleiben. Eine besondere Herausforderung sieht Höppner im evangelisch-katholischen
Gespräch, denn: "Die Botschaft des Evangeliums kommt nur glaubwürdig in der Welt an, wenn nicht
untereinander zerstrittene Christen sie rüberbringen."
Höppner plädierte für eine positiv verstandene Traditionspflege. Das Weitererzählen von Glaubenserfahrungen
gehöre zu den "unverzichtbaren Aufgaben" der Christinnen und Christen. "Wir leiden heute unter
radikalen Traditionsabbrüchen", befand der promovierte Mathematiker. Stattdessen gelte es, die christlichen
Traditionen zu bewahren, damit "Kinder und Enkelkinder wieder an der Wurzel anknüpfen können". |