Charité-Forscher entschlüsseln Nervenzellenproduktion
Berlin (dw) - Forscher der Charité haben jetzt entdeckt, warum sich im Gehirn nach Schädigungen,
wie sie durch Schlaganfall, Multiple Sklerose und andere neurodegenerative Erkrankungen entstehen, keine neuen
Nervenzellen bilden. Darüber berichten sie gemeinsam mit Kollegen vom Institut für Zell- und Neurobiologie
der Charité und dem Institut für Rekonstruktive Neurobiologie in Bonn in der aktuellen Ausgabe von
Nature Cell Biology.*
"In einem gesunden Gehirn werden bei einem Erwachsenen permanent neue Nervenzellen aus Stammzellen gebildet",
erklären Prof. Frauke Zipp und Privatdozent Dr. Orhan Aktas, Wissenschaftliche Direktorin und Oberarzt der
Cecilie-Vogt-Klinik für Neurologie im HKBB, Charité - Universitätsmedizin Berlin. "Nach einer
Schädigung des Hirns jedoch produzieren die Stammzellen kaum mehr Nervenzellen, sondern stattdessen vermehrt
so genannte Gliazellen."
Der Unterschied ist entscheidend: Neue Nervenzellen können den durch die Erkrankung entstandenen Hirnschaden
reparieren. Gliazellen - auch Stützzellen genannt - die als Gerüst für Nervenzellen dienen, können
das nicht. Anders als die Nervenzellen sind sie nicht in der Lage, Informationen zu verarbeiten. Die Folge: Es
kommt zu Dauerschäden im Gehirn.
Bei vielen krankheitsbedingten Schädigungen des Hirns kommt es zu oxidativem Stress. Das heißt, es entstehen
freie Radikale, die schädlich sind. Die Forscher haben diese Bedingungen künstlich hergestellt und beobachtet,
dass dann die Aktivität eines Enzyms namens SIRT1 steigt. "Dieses Enzym kann man sich als eine Art Wegweiser
vorstellen, der den Zellen vorgibt, in welche Richtung sie sich entwickeln sollen", sagt Dr. Aktas. Bei Schädigungsprozessen,
die zu oxidativem Stress führen können, zeigt der Wegweiser in eine andere Richtung, und statt der hilfreichen
Nervenzellen werden Gliazellen produziert.
In künftigen Projekten soll nun herausgefunden werden, wie sich die Zellproduktion steuern und die Erkenntnisse
therapeutisch nutzen lassen. "Wir haben die Hoffnung, Menschen, die an Schädigungen im Gehirn leiden,
wie sie bei Multipler Sklerose, Schlaganfall oder auch anderen traumatischen Hirnschädigungen auftauchen,
irgendwann einmal besser helfen zu können", sagt Dr. Aktas. Bis dato sind die Möglichkeiten der
Nervenzellenregeneration noch begrenzt. Die Entdeckung der Charité-Forscher könnte die vorhandenen
Ansätze nun jedoch ein entscheidendes Stück weiterbringen. |