Straßburg (eu-int) - Mit einer offiziellen Feier hat das Europäische Parlament am 13.03. seinen
50. Jahrestag begangen. Am 19. März 1958 versammelten sich die europäischen Abgeordneten zum ersten Mal
in Straßburg. In den vergangenen 50 Jahren hat sich das EP von der "Europäischen Parlamentarischen
Versammlung" mit 142 nominierten Abgeordneten und nur vier offiziellen Sprachen, hin zu einem direkt gewählten
Parlament mit 785 Abgeordneten und 23 verschiedenen Amtssprachen entwickelt.
Zahlreiche hochrangige Gäste kamen anlässlich des "Geburtstages" des EP nach Straßburg,
darunter zahlreiche ehemalige PräsidentInnen des EP, Vertreter der nationalen Parlamente, der anderen EU-Institutionen
sowie der Staat Straßburg und des Elsass. Anlässlich der Feier gab das Europäische Jugendorchester
ein Konzert im Plenarsaal, das mit der EU-Hymne Ode "An die Freude" von Ludwig van Beethoven endete.
Rede von EP-Präsident Hans-Gert Pöttering
In seiner Rede anlässlich des 50. Jahrestages des Europäischen Parlaments führte dessen Präsident
Hans-Gert PÖTTERING aus, dass sich "das Europäische Parlament Zug um Zug immer mehr Rechte erstritt,
sich seiner Verantwortung und seiner Möglichkeiten immer mehr bewusst wurde und so heute seinem Namen alle
Ehre macht."
"Vereint im Ringen um die besten Überzeugungen"
"Heute sind wir 785 Abgeordnete aus 27 europäischen Nationen. Wir vertreten über 150 nationale politische
Parteien, von denen die meisten in sieben Fraktionen zusammengeschlossen sind. Wir sind gemeinsames Legislativ-
und Haushaltsorgan, gleichberechtigt mit dem Ministerrat. Wir kontrollieren die Europäische Kommission, wählen
ihren Präsidenten, und die Kommission bedarf, um ins Amt zu kommen, unseres Vertrauens. Wir sind Anwalt für
den Vorrang des Gemeinschaftsrechts. Wir spiegeln alle in der Europäischen Union verbreiteten politischen
Strömungen wider. Wir sind das frei gewählte Parlament der Europäischen Union, vereint im Ringen
um die besten Überzeugungen. Wir sind selbstbewusst und ein Machtfaktor in der europäischen Politik geworden.
Wir haben Anlass, uns darüber von Herzen zu freuen. Wir sind die Bürgerkammer der Europäischen Union
mit beinahe 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern", sagte er.
Lissabonner Vertrag wird die Rechte des EP weiter stärken
Mit Blick auf den Reformvertrag sagte er: "Der Lissabonner Reformvertrag wird unsere Rechte weiter stärken.
Wichtige Fragen, die heute die Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union beschäftigen,
werden künftig nur noch dann entschieden werden können, wenn die Mehrheit des Europäischen Parlaments
zustimmt. Der Vertrag von Lissabon und die Charta der Grundrechte werden Demokratie und Parlamentarismus faktisch
zum Regelfall der europäischen Gesetzgebung in der Europäischen Union auf allen Ebenen erheben. Darauf
können wir stolz sein."
Er erinnerte auch an die Rolle der Nationalen Parlamente: "Die Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen
Parlament und den Nationalen Parlamenten ist uns ein besonderes Anliegen. Wir sind bestrebt, diese Zusammenarbeit
in der Zukunft fortzusetzen.
Reden des Kommissions- und des Ratspräsidenten
An der Plenarsitzung zur Feier des 50. Jahrestages sprachen darüber hinaus der amtierende Ratspräsident,
der slowenische Ministerpräsident Janez Janša, sowie der Präsident der Kommission José Manuel
Barroso.
Jose Manuel BARROSO betonte in seiner Rede, dass Europa seinen Erfolg den stabilen und ausgeglichenen Institutionen
zu verdanken hat. Europa benötige auch nach 50 Jahren stabile Institutionen, um gegen die Herausforderung
unserer Zeit zu bestehen: die Globalisierung. Die Erfahrungen der offenen Märkte gekoppelt mit Werten wie
Freiheit und Solidarität und einer nachhaltigen Entwicklung zeigten, dass Europa allein die Institutionen
besäße, die Globalisierung zu bewältigen.
Der slowenische Premierminister Janez JANSA begann seine Rede mit einem Satz, der an den ersten Präsidenten
Robert Schuman erinnerte: “Nicht ohne Emotion ergreife ich das Wort". Die aufblühende Demokratie in Europa
in den letzten fünfzig Jahren mache ihn stolz. Doch gleichzeitig hätten alle die Verantwortung, einen
Beitrag zu leisten, um die Europäische Geschichte des Friedens, der Kooperation und des Wohlstandes fortzuführen.
In den nächsten 50 Jahren würde "eine globale Agenda auf dem Plan stehen". Diese werde vor
allem die Globalisierung, die Finanzmärkte und den interkulturellen Dialog betreffen. Jansa betonte zudem,
dass nur ein vereintes Europa erfolgreich sein könne.
Hintergrund
In den vergangenen 50 Jahren hat sich das EP von der "Europäischen Parlamentarischen Versammlung"
mit 142 nominierten Abgeordneten und nur vier offiziellen Sprachen, hin zu einem direkt gewählten Parlament
mit 23 verschiedenen Amtssprachen entwickelt.
Das Europäische Parlament des Jahres 2008 besitzt weit reichende Bestimmungsrechte in Bezug auf die Gesetzgebung,
den Haushalt und die Kontrolle der Europäischen Kommission. Damit ist das Europäische Parlament weltweit
einzigartig: Es gibt keine andere direkt gewählte, supranationale Volksvertretung mit solch weit reichenden
Mitbestimmungsrechten.
Wenn der Vertrag von Lisabon ratifiziert ist, wird das Europäische Parlament nach den Wahlen im Juni 2009
zusammen mit dem Präsidenten aus 751 Abgeordneten bestehen und seine Mitspracherechte werden ein weiteres
Mal ausgeweitet.
Die Anfänge
Mit Inkrafttreten der Römischen Verträge tritt die "parlamentarische Versammlung" am 19. März
1958 für seine konstituierende Sitzung zusammen, vorerst lediglich mit beratenden Funktionen. Die 142 Abgeordneten
haben ein Anhörungsrecht dem Ministerrat gegenüber und fungieren mit ihm zusammen als Haushaltsbehörde
der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
(EWG) und der Europäischen Atomunion. Außerdem haben sie das Recht, der Hohen Behörde der EGKS
das Misstrauen auszusprechen und zum Rücktritt zu zwingen. Die Mitglieder werden von den nationalen Parlamenten
aus ihren eigenen Reihen bestimmt. Am 30. März 1962 gibt sich die Versammlung den Namen "Europäisches
Parlament".
Ausweitung des Spielraums
Am 22. April 1970 werden durch den Vertrag von Luxemburg das erste Mal die Haushaltsbefugnisse des Parlaments erweitert.
In den folgenden Jahren wird die Direktwahl des Parlaments beschlossen, 1979 findet die erste direkte Wahl statt.
Durch das Inkrafttreten der "Einheitlichen Europäischen Akte" am 1. Juli 1987 wird der Begriff des
Europäischen Parlaments offiziell bestätigt, außerdem wird seine Rolle in legislativer und politischer
Hinsicht gestärkt.
Gleichberechtigter Akteur
Mit der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht am 7. Februar 1992 werden auch die Mitwirkungsrechte des Parlaments
entscheidend erweitert. Vor allem durch die Befugnis, die endgültige Zusammensetzung der Kommission zu billigen,
entwickelt sich das Parlament zu einer echten politischen Kontrollinstanz der europäischen Exekutive. Diese
Funktion wird durch den Vertrag von Amsterdam, der am 1. Mai 1999 in Kraft tritt, noch ausgeweitet: Auch die Ernennung
des Kommissionspräsidenten unterliegt nun der Zustimmung des Parlaments. Außerdem werden dabei die Mitbestimmungsrechte
des Parlaments auf die meisten legislativen Bereiche erweitert - das Parlament wird so endgültig zum Mitgesetzgeber.
Vertrag von Lissabon
Durch den Vertrag von Lissabon, der am 13. Dezember 2007 unterzeichnet wurde, werden die Rechte des Europäischen
Parlaments noch einmal gestärkt. Sein Mitbestimmungsrecht bei Gesetzgebungsverfahren wird weiter ausgeweitet,
so dass das Parlament bis auf wenige Ausnahmen gleichberechtigt mit dem Ministerrat EU-Rechtsvorschriften verabschiedet.
Außerdem wird der Präsident der EU-Kommission nun direkt vom Parlament gewählt. Bis Herbst 2009
soll der Vertrag von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. |