Vier Anträge der Grünen, ein F-Antrag in Erster Lesung
Wien (pk) - Fünf Anträge – vier von der Fraktion der Grünen, einer von den Freiheitlichen
– wurden vom Nationalrat zum Schluss der Tagesordnung am 11.03. in Erster Lesung in Verhandlung genommen.
Grüne für Differenzierungen bei Kriegsteilnehmern
Abgeordneter ÖLLINGER (G) erinnerte daran, dass in der NS-Zeit auch zahlreiche ÖsterreicherInnen zu TäterInnen
geworden seien. Er wertete es als unverständlich, dass auch Zeiten in der SS, der Waffen-SS und in anderen
verbrecherischen Organisationen als Ersatzzeiten für die Pensionsversicherung angerechnet würden. Öllinger
sprach sich dafür aus, zwischen SS und Waffen-SS auf der einen und der deutschen Wehrmacht auf der anderen
Seite zu differenzieren, und verwies auf den vorliegenden Antrag der Grünen.
Abgeordneter MUCHITSCH (S) gab zu bedenken, dass der Antrag der Grünen nichts an der Pensionshöhe von
SS-Mitgliedern ändern würde. Einmal anerkannte Ersatzzeiten könnten rückwirkend nicht wieder
gestrichen werden, skizzierte er. Sozialpolitisch gebe es im Übrigen wesentlich wichtigere Probleme zu lösen,
sagte Muchitsch.
Abgeordneter WEINZINGER (F) blickte auf die Ereignisse der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück
und äußerte Verständnis dafür, dass Arbeiter ihre Hoffnung in den Nationalsozialismus setzten
und sich freiwillig zum Kampf meldeten. Er zeigte sich überzeugt, dass die meisten Betroffenen nach dem Krieg
geläutert nach Österreich zurückgekehrt sind. "Irgendwann muss Schluss sein", forderte
er in Richtung der Grünen, "lassen Sie die Toten ruhen, sie haben genug gesühnt".
Abgeordnete HAUBNER (B) erklärte, die Aufarbeitung des Nationalsozialismus sei eine wesentliche Aufgabe der
Republik, und die Republik habe in den letzten Jahren vieles getan. Skeptisch äußerte sich Haubner allerdings
zum Antrag der Grünen. Dieser würde de facto niemanden betreffen, argumentierte sie und stellte die Sinnhaftigkeit
einer symbolischen Gesetzesänderung in Frage.
Abgeordneter Dr. KURZMANN (F) unterstrich, die FPÖ lehne jede Kollektivschuldthese ab und wende sich in diesem
Sinn auch gegen den Antrag der Grünen. Er gab zu bedenken, dass viele Mitglieder der Waffen-SS unfreiwillig
zu dieser Einheit eingezogen worden seien. Angehörige der Waffen-SS seien nach 1945 auch nicht registrierungspflichtig
gewesen, unterstrich er.
Der den Vorsitz führende Präsident Dr. SPINDELEGGER wies den Antrag 555/A dem Ausschuss für Arbeit
und Soziales zu.
Grüne fordern Änderung des Opferfürsorgegesetzes
Abgeordneter ÖLLINGER (G) forderte die Verdoppelung des Steuerfreibetrages für jene Personen, die nach
dem Opferfürsorgegesetz als NS-Opfer anerkannt werden, und erinnerte daran, dass dieser Betrag seit 43 Jahren
nicht erhöht wurde.
Abgeordnete KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) erkannte in dem Antrag einige Ungereimtheiten und sprach sich für
eine ausführliche Diskussion im Ausschuss aus.
Abgeordnete STEIBL (V) betonte, sämtliche Opferfürsorgeleistungen würden laufend angepasst, und
meinte überdies, besser als der Antrag der Grünen sei die von der Regierung geplante einmalige Zuwendung
für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung und deren Hinterbliebene.
Abgeordnete HAUBNER (B) erinnerte ebenfalls an die laufenden Valorisierungen der Opferleistungen und gab zu bedenken,
im Antrag würden Einmalzahlungen und laufende Zahlungen vermischt.
Der Antrag wurde dem Sozialausschuss zugewiesen.
Grüne für TV-Übertragung von Sitzungen des Nationalrats
Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) plädierte für eine Liberalisierung der Übertragung der öffentlichen
Sitzungen des Nationalrates in Rundfunk und Fernsehen und präzisierte, es sollte möglich sein, Sitzungen
jederzeit zu übertragen, ohne dass dazu eine Genehmigung durch die Präsidentin eingeholt werden muss.
Abgeordneter Dr. CAP (S) schloss sich dem Ansinnen der Grünen an und trat für die Schaffung eines eigenen
Kanals für Parlamentsübertragungen ein. Er regte zudem auch Übertragungen von Untersuchungsausschusssitzungen
an, um der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, sich ein Bild vom Ablauf zu machen.
Abgeordnete Dr. KARL (V) erinnerte, die ÖVP habe im Geschäftsordnungskomitee 15 Vorschläge präsentiert,
um das Verfahren bei Untersuchungsausschüssen zu verbessern, insbesondere transparenter und sachlicher zu
gestalten. Heute falle SPÖ und Grünen zu diesem Thema bloß die Fernsehübertragung ein, den
beiden Parteien gehe es offenbar nur um die mediale Bühne, nicht aber um echte Verfahrensverbesserungen, zeigte
sie sich irritiert.
Abgeordneter SCHEIBNER (B) hielt den Antrag grundsätzlich für positiv, gab aber zu bedenken, es könne
nicht im Ermessen des ORF liegen, welcher Teil nun übertragen werde und welcher nicht. Einzig gangbare Lösung
war für den Redner die Übertragung der Sitzungen zur Gänze. Zur Vorsicht mahnte Scheibner hingegen
bei Untersuchungsausschüssen. Hier gelte es vor allem auch, die Rechte der Zeugen zu schützen, mahnte
er.
In einer zweiten Wortmeldung stellte Abgeordnete Dr. KARL (V) klar, ÖVP und BZÖ hätten im Geschäftsordnungskomitee
erfolglos versucht, eine Diskussion über die Vorschläge zur Verfahrensverbesserung bei Untersuchungsausschüssen
in Gang zu bringen.
Der Antrag wurde dem Geschäftsordnungsausschuss zugewiesen.
FPÖ für Veränderung des Versammlungsgesetzes
Abgeordneter STRACHE (F) sprach sich vehement für ein Vermummungsverbot bei Demonstrationen aus und erinnerte,
es habe in letzter Zeit gewalttätige Demonstrationen "aus dem linken Eck" gegeben, bei denen vermummte
Randalierer durch Wien zogen. Für Strache stand fest, dass das Demonstrationsrecht nicht für Gewaltexzesse
missbraucht werden dürfe. Eine weitere Forderung des F-Klubobmanns war die verpflichtende Verwendung der deutschen
Sprache bei Demonstrationen.
Abgeordneter Elmar Mayer (S) äußerte grundsätzlich Verständnis für den Antrag der Freiheitlichen,
"wenn er ehrlich gemeint ist", und kündigte an, die SPÖ werde im Ausschuss entscheiden, ob
sie der Initiative beitreten kann.
Abgeordnete FRANZ (V) bekannte sich zum Demonstrationsrecht und trat für Spielregeln ein, um Gewalttätigkeiten
zu verhindern. Vermummung habe gewalttätige Motive im Hintergrund, war für die Rednerin klar. Als in
der Praxis problematisch bezeichnete Franz aber die Forderungen der FPÖ betreffend den Gebrauch der deutschen
Sprache bei Demonstrationen.
Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G) betonte, Vermummung sei nicht die Vorstufe der Eskalation, vielmehr habe die
Praxis in Deutschland gezeigt, dass erst die Durchsetzung des Vermummungsverbots zur Eskalation führe. Vermummung
diene oft zum Schutz linker Demonstranten vor Ausforschung und Gewalttätigkeiten durch Rechtsradikale, erklärte
er.
Abgeordneter Mag. HAUSER (F) erinnerte an eine Demonstration vom 1. Mai, bei der Sympathisanten von SPÖ und
Grünen durch Innsbruck zogen und "Tod und Hass der FPÖ" skandierten. Empört zeigte sich
Hauser, dass eine Anzeige der FPÖ gegen die Organisatoren von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt wurde
und Justizministerin in einer Anfragebeantwortung von einer politischen Veranstaltung mit politischen Äußerungen
sprach.
Abgeordneter SCHEIBNER (B) signalisierte Gesprächsbereitschaft und hielt die Intentionen des Antrags grundsätzlich
für positiv, wobei er betonte, das Versammlungsrecht dürfe nicht durch Gewalttätige missbraucht
werden.
Abgeordneter NEUBAUER (F) warf den Grünen vor, sich als Anwälte der Anarcho-Szene aufzuspielen.
Der Antrag wurde dem Innenausschuss zugewiesen.
Grüne: Druck auf Abtreibungswillige unter Strafe stellen
Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) forderte Maßnahmen gegen radikale Abtreibungsgegner vor Abtreibungskliniken.
Ihren Intentionen nach sollte die Ausübung eines unangemessenen Drucks auf Frauen, die in der gesetzlichen
Frist abtreiben wollen, unter Strafe gestellt werden.
Abgeordnete Mag. STADLBAUER (S) äußerte große Sympathie für den Antrag, meinte aber, eine
Verankerung im Sicherheitspolizeigesetz wäre der praktikablere Weg.
Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) wandte sich gegen die Überschreitung der Meinungsfreiheit und des Demonstrationsrechts
in diesem sensiblen Bereich, hielt es aber für "vollkommen überzogen", hier mit der Keule des
Strafrechts vorzugehen. Kein Verständnis hatte er für das Verhalten der Grünen. Vermummung bei Demonstrationen
oder die Blockade von Bauarbeiten durch Demonstranten sei für die Grünen Ausdruck der Meinungsfreiheit.
Wenn Menschen aber zum Schutz des ungeborenen Lebens aktiv werden und ihre Meinung aussprechen, dann sollen sie
nach dem Willen der Grünen sechs Monate eingesperrt werden. Diese Einstellung sei inakzeptabel, meinte er.
DI KLEMENT (F) sah den entscheidenden Punkt in der Behauptung, es werde unangemessener moralischer Druck auf Frauen
ausgeübt. Tatsächlich verlangten die Grünen eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, dem könnten
die Freiheitlichen nicht zustimmen. Denn es sei keineswegs falsch, auf die Probleme der Abtreibung hinzuweisen,
sagte Klement und hielt dem von den Grünen geforderten Grundrecht auf Abtreibung das Recht auf Leben entgegen,
das für ihn früher beginne als drei oder vier Monate nach der Zeugung. "Machen wir uns Gedanken
darüber, wie man Leben erhält und rettet, nicht darüber, wie man es zerstören kann", schloss
Klement.
Mag. DARMANN (B) schloss sich der Einschätzung des Abgeordneten Donnerbauer an und wandte sich gegen den Vorschlag,
Menschen mit einer bis zu 6-monatigen Strafe zu bedrohen, wenn sie auf Menschen "beharrlich moralischen und
psychischen Druck ausüben". Eines solchen zusätzlichen Paragraphen im Strafgesetzbuch bedürfe
es nicht, weil das Delikt der Nötigung bereits strafrechtlich verfolgt werde.
Präsidentin Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK wies den Antrag dem Justizausschuss zu. |