Ein Projekt am Institut für Iranistik der ÖAW untersucht das
Grabtuch des Habsburgers Herzog Rudolf IV. Projektstart ist Ende März 2008.
Wien (öaw) - Das "Turiner Grabtuch" ist weltberühmt. Das "Wiener Grabtuch"
- so könnte man den kostbaren Stoff des Dom- und Diözesanmuseums bezeichnen, in dem der Habsburger Herzog
Rudolf IV. "Der Stifter" 1365 begraben wurde - liefert eine andere, ebenso spannende, aber historisch
besser verankerte Geschichte, die kaum bekannt ist. Der aufwändig mit Goldfäden gewebte Seidenstoff zeigt
große arabische Inschriften auf einem dicht gemusterten Hintergrund und reicht in den historischen und kunsthistorischen
Bezügen in den Vorderen Orient, nach Iran und China.
Das Ende März 2008 am Institut für Iranistik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
startende Projekt "Goldstoffe aus Iran in Wiener Museen: Das Grabtuch Herzog Rudolfs IV. und verwandte Stoffe
islamischer Kunst der Mongolenzeit (13./14. Jhdt.)" sucht in Zusammenarbeit mit dem Institut für Konservierung
und Restaurierung der Universität für Angewandte Kunst Wien neue Antworten auf Fragen zu diesem Stoff.
Leiter des Projekts ist der Islamkunsthistoriker Markus Ritter vom ÖAW-Institut für Iranistik. Die textiltechnischen
Analysen führt Regina Knaller an der Universität für Angewandte Kunst Wien durch. Das Projekt wird
durch die Kulturabteilung der Stadt Wien gefördert.
"Ziel des Projekts ist es, die kunsthistorische Einordnung des Stoffes durch neue Motivvergleiche und textiltechnische
Analysen zu erweitern", sagt Markus Ritter. Dazu gehören die Untersuchung des Mustertyps und der Inschriftenform.
Rekonstruktionen der stark verblichenen Farben und des Schnittes sollen eine neue Vorstellung vom Stoff vermitteln.
Das Weben von Seide mit Goldfäden gilt als eine frühe Erfindung Chinas. Derartige Goldstoffe waren im
13. und 14. Jahrhundert in ganz Asien ein hochgeschätztes Luxusprodukt und fanden als herrscherliche Ehrengewänder
Verwendung. Stücke, die nach Europa gelangten, beeinflussten die Entwicklung der Produktion von Goldstoffen
in Italien. Ritter: "Der Venezianer Marco Polo berichtet, am mongolischen Hof in China seien jährlich
15.000 Goldstoffe an hohe Staatsbedienstete und Offiziere vergeben worden."
Weltweit sind aus dieser Zeit nur wenige Dutzend erhaltene, meist fragmentarische Stücke bekannt. Der Wiener
Stoff ist durch die historischen Inschriften einzigartig. "Sie lassen sich auf den muslimischen Mongolenherrscher
Abu Said (regierte 1316-35) mit Sitz in der Stadt Täbris (Tabriz) in Iran beziehen, wo der Stoff hergestellt
worden sein kann", so Ritter. Iran war zu dieser Zeit ein Teil des Mongolenreiches, das von China bis nach
Osteuropa reichte. Eine technische Besonderheit des Wiener Stoffes ist die Art der Goldfäden, die vergoldete
Silberstreifen verwenden statt mit Blattgold belegter Streifen aus Tierhaut oder Papier, wie sie in Zentralasien
und China üblich waren.
Rudolf IV. (1339-65) war einer der herausragenden Herrscher Österreichs im Spätmittelalter. Um die Bedeutung
Wiens zu heben, ließ er auch zahlreiche Reliquien sammeln. Wie genau der Stoff in den Besitz seines Hofes
gelangte, ist ungeklärt. Die mongolischen Herrscher in Iran unterhielten Beziehungen und Handelskontakte mit
den Städten Italiens, wo Rudolf starb. Ritter: "Der Stoff mag wegen der arabischen Schrift als Reliquie
aus dem Heiligen Land gegolten haben, möglicherweise wusste man aber auch um die ursprüngliche herrscherliche
Bedeutung." |