Wien (universität) - ArchäologInnen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität
Wien entdeckten im Gräberfeld in Halbturn in einem römischen Kindergrab aus dem 3. Jahrhundert n.
Chr. ein Amulett, das mit einer jüdischen Gebetsformel beschriftet ist. Es handelt sich dabei nach bisherigen
Erkenntnissen um das älteste eindeutige Zeugnis jüdischen Lebens auf heute österreichischem Boden.
Die Bestattung des Kindes war in einem von ca. 300 Gräbern eines römischen Friedhofs, der 1986 entdeckt
wurde und dann im Rahmen eines längeren Forschungsprojekts von 1988 bis 2002 vollständig ausgegraben
werden konnte. Die Projektleitung hatte Univ.-Doz. Dr. Falko Daim inne, der bis 2003 Professor für Archäologie
an der Universität Wien war (derzeit Generaldirektor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums - Forschungsinstitut
für Vor- und Frühgeschichte in Mainz). Die Arbeiten wurden in Kooperation mit dem Burgenländischen
Landesmuseum durchgeführt und hauptsächlich vom Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung
in Österreich (FWF) finanziert. Dr. Nives Doneus vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität
Wien hat mehr als 10.000 Einzelfundstücke, vor allem Glasstücke, Keramikscherben und Metallfunde, im
Laufe der letzten Jahre ausgewertet. Die Ergebnisse geben neue Einblicke in das Leben am Rande des Römischen
Reiches. Das Goldblech mit einer zunächst unverständlichen Inschrift hat Nives Doneus erst im Jahre 2006
entdeckt.
Gräberfeld von Halbturn
Das Gräberfeld in Halbturn befand sich westlich eines römischen Gutshofes ("villa rustica")
und umfasst ca. 300 Brand- und Körperbestattungen, die zwischen der Mitte des 2. und der Mitte des 5. Jahrhunderts
angelegt worden waren. Der Gutshof war ein autarker landwirtschaftlicher Betrieb, der römischen Städte
der Umgebung (Carnuntum, Arrabona/Györ, Sopianae/Sopron) mit Nahrungsmitteln belieferte. Mit Hilfe modernster
Prospektionsmethoden konnten die ArchäologInnen genaue Pläne der Gebäude zeichnen und auch das römische
Flursystem rekonstruieren.
Die Grabstätten selbst enthielten zahlreiche materielle Zeugnisse in Form von Keramik- und Glasgeschirr, Schmuck
und Trachtelementen, wie z.B. Fibeln und Gürtelschnallen. Die Gräber und ihre Ausstattungen zeigen ein
durchdachtes System, in dem jeder Mensch entsprechend seiner gesellschaftlichen Stellung einen festen Platz hatte
- ob es sich dabei um die jüngsten, ältesten oder um körperlich beeinträchtigte Mitglieder
der Gemeinschaft handelte.
Schutzamulett als Grabbeigabe
Wie das Kindergrab 147 eindrucksvoll beweist, war vor allem der Umgang mit verstorbenen Kindern sehr respekt-
und liebevoll. Das kleine, etwa ein- bis zweijährige Kind wurde mit einem silbernen Schmuckstück bestattet,
welches sich bei näherer Untersuchung als Amulettkapsel herausstellte. Im Inneren der Kapsel fand sich ein
auf Griechisch beschriftetes Goldblechstück, welches einmal gefaltet und dann eingerollt war. Es diente als
Schutzamulett (Phylakterion) und sollte den Träger vor Unheil bewahren.
Nachweis jüdischen Glaubens
Das Besondere am Halbturner Goldamulett liegt in der Tatsache, dass die Inschrift laut Univ.-Prof. Dr.
Hans Taeuber, Vorstand des Instituts für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik der
Universität Wien, die griechische Transliteration einer jüdischen Gebetsformel darstellt: "Höre,
Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einer". Somit handelt es sich um den ältesten, auf österreichischem
Boden gefundenen Nachweis jüdischen Glaubens.
Das Amulett wird im Rahmen der Ausstellung "Bernsteinstraße" im Burgenländischen Landesmuseum
in Eisenstadt voraussichtlich ab April 2008 zu sehen sein.
Literatur
H. Taeuber, Das Goldblech in Grab 147: Ein jüdisches Amulett. In: N. Doneus (Hrsg.), Halbturn I. Das
kaiserzeitliche Gräberfeld von Halbturn, Burgenland. Monographien zur Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie
2008 (in Vorbereitung). |