Nur moderate Konjunkturabschwächung für Österreichs Wirtschaft
im ersten Halbjahr 2008
Wien (oenb) - Trotz der internationalen Finanzmarktkrise und ihrer weltweit dämpfenden Effekte
stellen sich die Aussichten für die österreichische Wirtschaft im ersten Halbjahr 2008 als erstaunlich
günstig dar. Wie schon bisher erwartet, wird das reale BIP-Wachstum im Gesamtjahr 2008 merklich schwächer
ausfallen als in den beiden Jahren zuvor, ein dramatischer Einbruch der Konjunktur zeichnet sich für Österreich
derzeit jedoch nicht ab. Auf Basis der verfügbaren Daten – die jedoch nur die bis zu Beginn dieses Jahres
eingetretenen Entwicklungen abbilden – lässt der Konjunkturindikator der OeNB ein Wachstum des realen BIP
von 0,6% im ersten und von 0,5% im zweiten Quartal 2008 (saison- und arbeitstägig bereinigt, im Vergleich
zum Vorquartal) erwarten.
"Konjunkturprognosen gestalten sich im derzeitigen Spannungsfeld zwischen ausgeprägten Finanzmarktturbulenzen
und einer nach wie vor guten Verfassung der Realwirtschaft in Österreich als außerordentlich schwierig.
Während die außenwirtschaftlichen Unsicherheiten stark gestiegen sind, zeigen die verfügbaren Daten
in weiten Bereichen ein robustes Bild der österreichischen Wirtschaft. Wir gehen daher davon aus, dass es
im ersten Halbjahr 2008 zu keinem markanten Einbruch der Konjunktur kommen wird", so OeNB-Direktor Josef Christl.
Die Dynamik der österreichischen Exporte nahm im Verlauf des Jahres 2007 aufgrund des stetig zunehmenden Außenwerts
des Euro und der sich abschwächenden globalen Konjunktur zwar ab, die Ausfuhren entwickelten sich aber auch
im vierten Quartal noch relativ gut. Infolge des starken Wertverlusts des US-Dollar gegenüber dem Euro ist
aber von einer weiteren Abschwächung der Exportdynamik im ersten Halbjahr 2008 auszugehen. Dies wird auch
durch die rückläufige Dynamik der Exportaufträge signalisiert. Die Binnenkonjunktur entwickelt sich
sowohl nach Branchen als auch nach Nachfragekomponenten sehr unterschiedlich. Die Dynamik der Sachgütererzeugung
hat zwar nachgelassen, die Branche verfügt aber noch über überdurchschnittliche Auftragsbestände.
Die Bauwirtschaft und die Tourismusbranche entwickeln sich derzeit sehr gut. Im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen
zeigt sich hingegen eine deutliche Wachstumsverlangsamung. Auch gehen die Unternehmen laut der EU-Konjunkturumfrage
von einer ungünstigen weiteren Entwicklung der Geschäftslage aus.
Die Investitionstätigkeit ist im Gesamtjahr 2007 sogar stärker als im Jahr zuvor gewachsen. Jedoch zeigte
sich bereits im Verlauf des Jahres 2007 eine deutliche Wachstumsverlangsamung, die sich im laufenden Jahr fortsetzen
dürfte. Der private Konsum war trotz starkem Beschäftigungswachstums auch während der Hochkonjunkturphase
der letzten beiden Jahre nicht in Schwung gekommen. Die – vor allem aufgrund der starken Erhöhungen der Energie-
und Nahrungsmittelpreise – gestiegene Inflation dämpft zusätzlich die Realeinkommen der Haushalte.
Daher ist auch für die nächsten Monate keine dynamischere Konsumnachfrage zu erwarten.
Der österreichische Arbeitsmarkt präsentiert sich aufgrund der Hochkonjunktur der letzten Quartale in
einer immer noch ausgezeichneten Verfassung. Zudem verstärken temporäre Faktoren – wie die gute Tourismussaison
und die Bauwirtschaft – die Nachfrage nach Arbeitskräften. Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen hat seit
Jahresbeginn sogar deutlich zugenommen. Der Ausblick für den Arbeitsmarkt bleibt daher für die nächsten
Monate – trotz sich abschwächender Konjunktur – positiv.
Die schon bei der letzten Veröffentlichung des OeNB-Konjunkturindikators im Jänner betonten Risiken für
die österreichische Konjunktur haben sich durch die Entwicklungen der letzten Wochen weiter erhöht. Die
durch die US-Immobilienkrise ausgelösten massiven Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten
ziehen immer weitere Kreise, internationale Organisationen revidieren deshalb ihre Prognosen kontinuierlich nach
unten. Entscheidend für eine Begrenzung des Effekts der Finanzmarktkrise auf die konjunkturelle Entwicklung
– speziell in den USA – wird sein, das Vertrauen der Finanzmarktakteure rasch wiederherzustellen. Angesichts der
gegebenen Unsicherheiten dürfte das freilich noch eine erhebliche Zeit in Anspruch nehmen.
Das Ausmaß der Transmission der Krise auf Europa hängt auch davon ab, ob und in welchem Ausmaß
die Finanzkrise hier zu Investitions- und Konsumzurückhaltung führt. Dabei könnte es ein Vorteil
für Österreich sein, dass das heimische Bankensystem durch die US-Immobilienkrise kaum direkt betroffen
ist. Durch seine starke Außenhandelsverflechtung kann sich Österreich den weltweit schwächeren
Wachstumserwartungen jedoch nicht entziehen. Erhöht werden die Risiken noch durch den Ölpreis, der die
100-Dollar-Marke schon klar hinter sich gelassen hat. Gleichzeitig stützt der starke Wertverlust des US-Dollar
zwar die US-Konjunktur, stellt für den Euroraum jedoch eine zusätzliche Belastung dar.
Unter den derzeit gegebenen Rahmenbedingungen ist besonders hervorzuheben, dass in die zur Berechnung des OeNB-Konjunkturindikators
verwendeten Daten lediglich die bis Anfang des Jahres 2008 stattgefundenen Entwicklungen Eingang finden konnten.
Die Entwicklungen der letzten Wochen schlagen sich in diesen Daten daher noch nicht nieder. Während die Entwicklung
im ersten Quartal davon kaum mehr berührt sein sollte, ist die prognostizierte Wachstumsrate für das
zweite Quartal 2008 eher als Obergrenze für den Fall einer Beruhigung der Finanzmarktkrise zu interpretieren.
Die nächste Veröffentlichung des OeNB-Konjunkturindikators ist für Juli 2008 vorgesehen. |