RUB-Biologen entdecken doppelt effizientes Protein in Viren Current Biology: Pigmentsynthese in
marinen Cyanobakterien
Bochum (universität) - Cyanobakterien der Gattung Prochlorococcus fangen Licht mittels Chlorophyll.
Den roten Farbstoff Phycoerythrobilin, den andere Gattungen dazu brauchen, haben sie nicht nötig, dennoch
können sie ihn herstellen. Seine Bedeutung ist der Forschung bislang ein Rätsel. Ein Virus, der das Cyanobakterium
befällt, brachte Biologen um Prof. Dr. Nicole Frankenberg-Dinkel (RUB-Fakultät für Biologie und
Biotechnologie) und Penny Chisholm (Massachusetts Institute of Technology in Boston) auf eine heiße Spur.
Das Virus besitzt ein Enzym, das den Farbstoff sogar doppelt so effizient herstellen kann wie das Cyanobakterium.
"Da Viren ihre Wirte möglichst lange am Leben halten wollen, um ihr Erbgut effizient vermehren zu lassen,
muss der Farbstoff für das Bakterium von essentieller Bedeutung sein", schließt Prof. Frankenberg-Dinkel.
Die Forscher berichten in der aktuellen Ausgabe von "Current Biology".
Überbleibsel im Bakterium
Cyanobakterien sind kleinste Lebewesen, die in großen Mengen in Gewässern und Meeren vorkommen.
Durch ihre Fähigkeit zur Photosynthese tragen sie als Primärproduzenten wesentlich zum Kohlenstoffkreislauf
der Erde bei. Die Lichtenergie für die Photosynthese gewinnen sie durch komplexe Lichtsammelstrukturen, die
so genannten Phycobilisomen. An diesen befinden sich rote und blaue Pigmente. Eine Ausnahme unter den Cyanobakterien
ist die Gattung Prochlorococcus. Diese winzigen, in den Ozeanen sehr zahlreichen Cyanobakterien besitzen zur Lichtsammlung
keine Phycobilisomen, sondern sammeln das Licht, ähnlich wie höhere Pflanzen, mit einem Chlorophyll-Komplex.
Trotzdem besitzen sie Überbleibsel der Phycobilisomen in Form einzelner Phycobilisom-Einheiten, den Phycobiliproteinen.
Zusätzlich findet man eine komplette Maschinerie, um die roten und blauen Pigmente herzustellen.
Virengene arbeiten effizienter
"Über die Funktion dieser Überbleibsel kann man derzeit nur spekulieren", so Prof.
Frankenberg-Dinkel. Nutzlos können sie aber nicht sein. Zum einen ist das Genom der Bakterien so klein, dass
vermutlich kein Ballast mitgeschleppt wird. Zum anderen entdeckten die Forscher ein neues Gen, das die Baupläne
zur Herstellung des roten Farbstoffes enthält, in einem marinen Virus, das Prochlorococcen infiziert. Der
so genannte Cyanophage trägt ein Gen für die Biosynthese des roten Pigmentes Phycoerythrobilin. Genauere
Untersuchungen des von diesem Gen kodierten Proteins ergaben, dass es mehrere Schritte der Pigmentbiosynthese katalysiert,
für die in Wirtszellen zwei verschiedene Enzyme benötigt werden. "Das bedeutet, dass der Phage mit
der Hälfte des genetischen Materials auskommt", verdeutlicht Prof. Frankenberg-Dinkel. Genauere Auswertungen
von DNA-Sequenzen aus Umweltproben zeigten, dass das neu entdeckte Gen verbreitet in wilden Phagenpopulationen
zu finden ist, nicht jedoch in Wirts-Cyanobakterien. Da Phagen nach der Infektion ihren Wirt möglichst lange
am Leben halten müssen, um ihr Erbgut von ihm vervielfältigen zu lassen, nehmen die Forscher an, dass
das Enzym für die Wirte von entscheidender Bedeutung sein muss. "Es scheint sich um eine genetische Information
zu handeln, die dem Phagen während der Infektion durch effiziente Pigmentbiosynthese einen Vorteil vermittelt",
so Frankenberg-Dinkel. "Das wird auch an Expressionsstudien deutlich, die ganz klar zeigen, dass das Gen des
Phagen während der Infektion transkribiert, also abgelesen wird."
Der Evolution auf die Spur kommen
Künftig untersuchen die Bochumer Forscher das Enzym näher, um seiner evolutionären Entstehung
auf den Grund zu gehen und zu klären, wie es funktionieren kann, dass ein Enzym die Funktionen von zweien
übernehmen kann. |