Wien (neustart) - Laut einer vor einigen Jahren erschienenen WHO-Vergleichsstudie
liegt Österreich beim so genannten "Bullying", also dem Ausüben physischer oder psychischer
Gewalt, sowohl bei Tätern als auch Opfern im Spitzenfeld. So sind etwa 14 Prozent der elfjährigen Mädchen
und 20 Prozent der elfjährigen Burschen zwei- bis drei Mal im Monat Opfer von "Bullying", bei den
13-Jährigen sind es 17 (Mädchen) bzw. 23 Prozent (Burschen) und bei den 15-Jährigen zehn (Mädchen)
bzw. 15 Prozent. Somit liegen die österreichischen Bullys, also Schüler, die andere traktieren, im internationalen
Vergleich hinter Litauen und Deutschland an dritter Stelle.
Gründe für Jugendgewalt
Perspektivlosigkeit, hohe Jugendarbeitslosigkeit, viele armutsgefährdete Jugendliche, gepaart mit dem Konsumzwang
und den typischen entwicklungsbedingten Grenzüberschreitungen junger Menschen sind Gründe für die
hohen Zahlen. Gerade in den letzten Jahren häufen sich aber auch die Fälle, die eindeutig der Diagnose
Wohlstandsverwahrlosung zuzuordnen sind: Jugendliche, die zwar nicht aus einem sozial prekären Milieu kommen,
die aber Eltern haben, die vielleicht (zu) hohe Anforderungen an den Nachwuchs stellen, unglücklich gekoppelt
mit Zeitmangel und emotionaler Kälte. Stark betroffen sind auch Migrantenfamilien sowie Jugendliche der zweiten
und dritten Zuwanderergeneration.
NEUSTART arbeitet an neuer Dienstleistung "Gewaltprävention bei Jugendlichen"
NEUSTART, seit 50 Jahren erfahren im professionellen Umgang mit Tätern und Opfern, arbeitet seit Monaten an
der Entwicklung einer bedarfsgerechten Dienstleistung zur Gewalt- und Kriminalprävention bei Jugendlichen
und hat aus diesem Grund eine umfassende Marktanalyse durchgeführt. Im Zuge der Analyse wurde klar, dass die
Jugendlichen am besten über die Institution Schule erreicht werden können.
ONLINE-UMFRAGE
NEUSTART hat die Kommunikationsagentur CONSULTAS communications mit einer Online-Umfrage beauftragt, um umfassende
Meinungsbilder der betroffenen Gruppen zu erhalten - d.h. die Erhebung des IST- und des SOLL-Zustands betreffend
die Jugendgewalt an Österreichs Schulen.
Im Februar 2008 (4.-11.2.2008) wurden daher Eltern, Lehrer und Schülervertreter zum Thema "Gewalt
in Schulen" befragt. Für jede angesprochene Gruppe wurde jeweils eigens ein Fragebogen konzipiert. Die
Kontaktaufnahme erfolgte per E-Mail, über einen mitgeschickten Link gelangten die Befragten zum Fragebogen.
Die Lehrer wurden über die Schulen erreicht, Eltern über vorhandenes Datenmaterial und über Kontakt
mit den Elternvereinen, die Schülervertreter über deren Organisationen. Bundesweit haben 5.454 Lehrer,
4.509 Eltern und 864 Schülervertreter den Fragebogen vollständig ausgefüllt.
Teilnehmer bundesweit nach Schultyp (vollständig ausgefüllte Fragebögen):
Schultyp Lehrer Eltern Schülervertr.
AHS 623 715 422
BHS 1.696 1.582 369
Berufsschule 151 78 73
Polytechnikum 393 286 0
Hauptschule 2.219 1.752 0
Sonderschule 372 97 0
Alle 5.454 4.509 864
Die Fragen zielten darauf ab, 4 große Fragenkategorien zu klären:
- Erhebung des allgemeinen Meinungsbildes zum Thema bei den hauptbetroffenen Gruppen (Eltern, Lehrer, Schülervertreter):
Ist Problembewusstsein vorhanden?
- Bedarfserhebung: Gibt es ausreichend Angebote und welche werden genutzt?
- Produktdesign: Wie sollten angebotene Präventionsprodukte konzipiert sein und welche Themenschwerpunkte
sind am häufigsten nachgefragt?
- Finanzierung: Gibt es Bewusstsein, dass Präventionsarbeit Geld kostet, wie werden Angebote derzeit finanziert?
A. IST-ZUSTAND: Aktuelle Situation
Jugendgewalt: ein sehr großes Problem
Laut den Ergebnissen der Online-Umfrage stufen 80 Prozent (!!) der Lehrer, 75 Prozent der Eltern und 78
Prozent der Schülervertreter das Problem Jugendgewalt als großes oder sehr großes Problem ein.
32 Prozent der Lehrer und 27 Prozent der Schülervertreter geben an, in ihrem Alltag täglich oder wöchentlich
mit dem Problem Gewalt konfrontiert zu sein, nur 10 Prozent der Lehrer und 15 Prozent der Schülervertreter
sagen, dass sie im Alltag keine Probleme mit Gewalt haben. Im Umgang mit dem Problem Gewalt fühlen sich 71
Prozent der Lehrer, 50 Prozent der Eltern und 64 Prozent der Schülervertreter nicht ausreichend unterstützt.
Vorbeugen statt strafen
Jeweils 84 Prozent der Lehrer und Eltern sind für vorbeugende Maßnahmen wie Gewalt- und Kriminalprävention,
jeweils 16 Prozent sind für härtere Strafen anstelle von mehr Prävention. Auffallend ist, dass männliche
Lehrpersonen eher zu härteren Strafen tendieren als Frauen (Lehrer 22%, Lehrerinnen 12 %). Ebenso fällt
auf, dass mit steigendem Alter die Bevorzugung von Präventionsmaßnahmen gegenüber härteren
Strafen zunimmt.
Wenig Unterschiede zwischen Schultypen
Jugendgewalt wird bundesweit im Durchschnitt von 80% der Lehrer als großes oder sehr großes Problem
beurteilt. Mit Ausnahme der Berufschulen (52%, vermutlich wegen der hohen Fluktuation) und BHS (69%) sehen mindestens
Dreiviertel der Pädagogen Jugendgewalt als großes oder sehr großes Problem. Erstaunlich ist vor
allem der geringe Unterschied zwischen AHS (75%) und Hauptschulen (87%). Am stärksten tritt das Problem Jugendgewalt
nach Angaben der befragten Lehrer in Sonderschulen (91%) und Polytechnischen Schulen (93%) auf.
Lehrer Problemen alleine ausgesetzt
Wenn Gewaltprobleme im Schulalltag auftreten, versuchen 90 Prozent der Lehrer, das Problem allein (64%) oder zumindest
im schulischen Rahmen (mit Hilfe von externen Beratungslehrern oder Schulpsychologen) zu lösen. Nur 5 Prozent
der Lehrer wenden sich an externe Organisationen. Dagegen steht, dass nur 32 Prozent der Eltern befürworten,
dass das Problem ausschließlich innerschulisch gelöst wird. 56 Prozent würden sich an externe Organisationen
wenden. An die Polizei wenden sich derzeit nur 2 Prozent der Lehrer bzw. sind 10 Prozent der Eltern der Meinung,
dass die Lehrer das tun sollten.
Nicht genügend Angebote
65 Prozent der Eltern und 78 Prozent der Schülervertreter geben an, dass sie das Gefühl haben, dass seitens
der Lehrer bzw. der Schule nicht ausreichend präventive Maßnahmen gesetzt werden, um das Problem in
den Griff zu bekommen. Ebenso beurteilt die große Mehrheit aller drei befragten Gruppen die bestehenden Angebote
auf dem Gebiet der Gewalt- und Kriminalprävention als nicht ausreichend (Lehrer 81%, Eltern 91%, Schülervertreter
88%) und ist der Meinung, dass es mehr Angebote geben sollte (Lehrer 79%, Eltern, 77%., Schülervertreter 78%).
Finanzierung unklar
Jeweils die Hälfte der befragten Lehrer und Eltern weiß nicht, wie bereits in Anspruch genommene Präventionsmaßnahmen
finanziert werden und vermutet eine Mischfinanzierung von Schule, Bund und Land. Die Finanzierung von Präventionsmaßnahmen
durch Gemeinden oder Sponsoren scheint zurzeit kaum eine Rolle zu spielen.
B. SOLL-ZUSTAND: Wünsche und Bedarf der Anspruchsgruppen
Überraschend eindeutige Ergebnisse
Obwohl bekannt war, dass das Problem existiert, überrascht die Eindeutigkeit der Ergebnisse der NEUSTART Online-Umfrage.
Ebenfalls überraschend war, dass jeweils über 80 Prozent der Lehrer, Eltern und Schülervertreter
vorbeugende Maßnahmen wie Kriminalitäts- und Gewaltprävention härteren Strafen den Vorzug
geben (Lehrer 84%, Eltern 84%, Schülervertreter 81%).
Wer soll geschult werden?
Auf die Frage, wer sinnvollerweise geschult werden soll, um die gewünschten Ergebnisse zu erreichen,
geben alle drei Gruppen an, dass sie Angebote für Schüler als am sinnvollsten erachten (Eltern: 57%,
Lehrer: 53%, Schüler: 72%). 25% der Eltern finden, dass Lehrerschulungen am sinnvollsten sind, im Gegenzug
befürworten 32% der Lehrer Schulungen für Eltern.
Externe Unterstützung ist gefragt
Es besteht eine exorbitante Nachfrage nach externer Unterstützung: grundsätzlich sind 91 Prozent
der Lehrer, 83 Prozent der Eltern und 72 Prozent der Schülervertreter der Meinung, dass für Leistungen
rund um das Thema Kriminal- und Gewaltprävention externe Unterstützung hinzugezogen werden sollte. Nur
9 Prozent der Lehrer, 17 Prozent der Eltern und 28 Prozent der Schülervertreter sehen Präventions-maßnahmen
als ausschließliche Aufgabe des Lehrkörpers an.
Den Umfrageergebnissen ist explizit zu entnehmen, dass diese Unterstützung von einem Dienstleister gewünscht
wird, der Erfahrung in der Arbeit mit Tätern und Opfern vorweisen kann (alle drei Gruppen über 94% Zustimmung).
Dabei wird die fundierte Ausbildung des eingesetzten Personals als besonders wichtig erachtet (alle drei Gruppen
über 95% Zustimmung).
Kontinuierliche Präventionsmaßnahmen bevorzugt
Als geeignete Form der Prävention erachten 70% der Eltern, 67% der Lehrer und 59% der Schüler eine kontinuierliche
Maßnahme über das gesamte Schuljahr. Projekttage oder -wochen, einzelne Schulstunden oder Intervention
erst bei bereits bestehenden Krisen werden weniger gewünscht. Die kontinuierliche Anwesenheit eines Sozialarbeiters
an der Schule befürworten dabei 50 Prozent der Lehrer, 49 Prozent der Eltern und 47 Prozent der Schülervertreter.
Informationen zum Thema (Fehlverhalten, strafrechtliche Relevanz, mögliche Lösungen, etc.) wünschen
sich 70 Prozent der Lehrer, 74 Prozent der Eltern und 70 Prozent der Schüler. Die Zustimmung zu Beratungen
für Lehrer und Eltern im Bedarfsfall liegt bei allen drei Gruppen jeweils um die 70 Prozent.
Großen Bedarf gibt es auch bei Konfliktregelung für Schüler: 81 Prozent der Lehrer, 87 Prozent
der Eltern und 83 Prozent der Schülervertreter wünschen sich ein solches Angebot. Gewaltprävention
(Gruppenarbeit zum Thema Gewalt außerhalb der Schule) halten 40 Prozent der Lehrer, 54 Prozent der Eltern
und 64 Prozent der Schülervertreter für sinnvoll.
Den Antworten auf die Frage nach sinnvollen Themenschwerpunkten ist ganz klar zu entnehmen, dass unmittelbare und
praktische Themenschwerpunkte im Vordergrund stehen.
Finanzierung von der öffentlichen Hand erwartet
Jeweils über die Hälfte der Lehrer und Eltern ist der Meinung, dass Präventionsmaßnahmen von
Bund und jeweiligem Land finanziert werden sollen. Eine Finanzierung durch die Gemeinden wünschen sich 18
Prozent der Lehrer und 23 Prozent der Eltern. 12 Prozent der Lehrer und 15 Prozent der Eltern geben an, dass für
sie auch Sponsoren aus der Wirtschaft als Financiers in Frage kämen. Aus der Befragung ist abzulesen, dass
hier für Unternehmen großes Potential im Bereich Corporate Social Responsibility vorhanden ist.
Bedarf Präventionsarbeit
Auf Basis der Ergebnisse der NEUSTART Online-Umfrage wird der Bedarf wie folgt definiert:
Präventionsarbeit in kontinuierlicher Form (gesamtes Schuljahr, od. Projekttage/-wochen), von einer externen
Organisation flächendeckend angeboten, geleistet von Personen die über eine fundierte Ausbildung verfügen
und Berufserfahrung in der Arbeit mit Gewaltopfern und Gewalttätern haben.
Informationen: http://www.neustart.at
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