Bonn (idw) - Panische Angst lähmt nicht nur den Körper, sie kann auch das Blut zum Stocken bringen:
Menschen mit einer ausgeprägten Angststörung neigen eher zu einer erhöhten Blutgerinnung als psychisch
Gesunde, zeigt eine Untersuchung von Medizinern der Universität Bonn. Dies könnte erklären, warum
Angstpatienten ein bis zu viermal so großes Risiko haben, an einer Herzerkrankung zu sterben. Für ihre
Arbeit hat Studienleiterin Dr. Franziska Geiser jetzt in Freiburg den Hans- Roemer-Preis erhalten.
"Mir gefriert das Blut in den Adern" - diese häufig gebrauchte Redewendung ist nach neuesten Untersuchungen
wörtlicher zu nehmen, als so manchem lieb sein wird. Denn starke Angst und Panikgefühle können tatsächlich
unser Blut zum Gerinnen bringen und damit das Risiko einer Thrombose oder eines Herzinfarktes erhöhen.
Frühere Studien hatten schon gezeigt, dass Stress und auch Angst die Gerinnung beeinflussen können. Diese
Studien stützen sich allerdings fast nur auf Fragebögen bei gesunden Menschen. Dagegen untersuchte das
Bonner Forscherteam um Franziska Geiser von der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
und Ursula Harbrecht vom Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin nun erstmals
sehr differenziert die Gerinnung bei Angstpatienten.
Jeder Mensch hat dann und wann mal Angst - bei der Mathearbeit zu versagen, in den dunklen Keller zu gehen oder
ganz allgemein vor der Zukunft. Bei manchen Menschen lösen aber ganz normale Alltagssituationen große
Ängste aus. Zum Beispiel bekommen Menschen mit Agoraphobie in dichten Menschenmengen häufig regelrechte
Panikattacken. Die Symptome können dramatisch sein: Herzrasen, Schweißausbrüche, Zittern, Angst,
ohnmächtig zu werden oder gar zu sterben. Eine weitere häufige Angststörung stellt die soziale Phobie
dar. Dabei fürchten sich die Betroffenen vor allem davor, in Gruppen im Mittelpunkt zu stehen, zu stottern
oder zu erröten. Und weil sie sich nicht blamieren wollen, ziehen sich Menschen mit sozialer Phobie oft ins
eigene Haus zurück.
Die Mediziner verglichen solche Patienten, die unter einer ausgeprägten Form einer Panikstörung oder
einer sozialen Phobie leiden, mit einer gesunden Kontrollgruppe. Um den Einfluss von Faktoren wie Alter und Geschlecht
möglichst gering zu halten, wurde für jeden der 31 Angstpatienten eine entsprechend gesunde Person gleichen
Alters und gleichen Geschlechts ausgewählt. Zunächst wurde den Probanden Blut abgenommen, bevor sie einige
Testaufgaben am Computer bewältigen mussten. Danach erfolgte eine zweite Blutentnahme. Die Auswertung des
Blutes auf verschiedene Gerinnungsfaktoren hin ergab: Bei den Angstpatienten war das Gerinnungssystem deutlich
stärker aktiviert als das der gesunden Kontrollgruppe.
Normalerweise halten sich im Gerinnungssystem zwei gegenläufige, lebensnotwendige Mechanismen in etwa die
Waage: Bei der Koagulation verdickt das Blut, ein Blutpfropf entsteht, und der dichtet etwaige Verletzungen ab.
Die so genannte Fibrinolyse dagegen macht das Blut flüssig und löst den Blutpfropf wieder auf. Bei den
Angstpatienten beobachteten die Forscher bei genauerer Analyse aber eine Aktivierung der Koagulation bei gleichzeitiger
Hemmung der Fibrinolyse. Dabei war bis auf den Piks bei der Blutabnahme ja gar keine "echte" Verletzung
vorhanden. So gerät das Gerinnungssystem in eine Schieflage, und die Gerinnungsneigung erhöht sich -
möglicherweise mit gefährlichen Folgen, die im Extremfall bis zur Verstopfung einer Herzkranzarterie
reichen können.
Die verstärkte Gerinnungsneigung könne der "missing link" sein, warum Angstpatienten statistisch
gesehen ein um den Faktor 3-4 erhöhtes Risiko haben, an einer Herzerkrankung zu sterben. "Das heißt
natürlich nicht, dass alle Patienten mit einer ausgeprägten Angststörung nun Angst haben müssen,
einen Herzinfarkt zu erleiden. Die ermittelten Gerinnungs-Werte waren stets im physiologischen Bereich, also ohne
akute Gefahr", erläutert Studienleiterin Franziska Geiser. Eine tatsächliche Gefährdung ergebe
sich erst, wenn andere Risikofaktoren dazu kämen, wie z.B. Rauchen und Übergewicht.
Die Privatdozentin hat für Angstpatienten aber auch eine ermutigende Botschaft. Denn eine Folgestudie liefert
erste Hinweise darauf, dass die Gerinnungsaktivierung bei den Patienten nach einer erfolgreich verlaufenden Therapie
rückläufig ist. In diesem Zusammenhang mahnt Dr. Geiser an, dass Angststörungen insgesamt immer
noch zu spät diagnostiziert würden. Eine wirksame Psychotherapie erfolge oft erst zu spät. "Es
gibt ja auch Programme für die Bevölkerung, um mit dem Rauchen aufzuhören oder Sport zu treiben.
Wenn man insgesamt die Zahl der Herzstörungen vermindern will, macht es dann auch Sinn, Angststörungen
besser zu diagnostizieren und zu behandeln".
Für ihre Studie hat Franziska Geiser jetzt den Hans-Roemer-Preis erhalten. Der Preis gilt als eine der wichtigsten
Auszeichnungen im Bereich der klinischen Psychosomatik. |