Jena (idw) - Ein ungelöstes Problem bei der Behandlung von Krebserkrankungen
im fortgeschrittenen Stadium ist das Auftreten von Behandlungsresistenz. Denn in den meisten Fällen, in denen
einmal Resistenz gegen die verwendeten Zytostatika auftritt, sprechen die Krebszellen auch nicht mehr auf andere
Zytostatikaklassen an. In diesen Fällen kann das weitere Ausbreiten des Krebses, das schließlich zum
Tod des Patienten führt, nicht mehr verhindert werden. Ein Forschungsteam um den Jenaer Mediziner James Beck
untersucht eine neue Klasse von Krebsmedikamenten, mit denen die Behandlungsresistenz möglicherweise überwunden
werden kann.
Lokal begrenzte Tumoren können sehr häufig mit Operation oder Bestrahlung wirksam behandelt werden. Wenn
der Tumor sich jedoch über ein einzelnes Gewebe hinaus als Metastasen ausgebreitet hat, führen solche
lokalen Behandlungen nicht mehr zur Heilung. Es muss dann eine Chemotherapie erfolgen, mit der Krebszellen im ganzen
Organismus erreicht und zum Absterben gebracht werden können. Allerdings gelingt es mit den heutigen Chemotherapeutika
meist nur für eine begrenzte Zeit, die Krebserkrankung unter Kontrolle zu halten. In vielen Fällen wird
stattdessen nach zunächst erfolgreicher Behandlung ein Wiederaufleben des Krebswachstums beobachtet, da die
eingesetzten Medikamente im Verlaufe der Chemotherapie ihre Wirksamkeit verlieren. Der Grund ist, dass die Krebszellen
gegen die verwendeten und gleich auch gegen andere Chemotherapeutika resistent werden. Für eine Verbesserung
der Behandlung von Krebs im fortgeschrittenen Stadium ist es daher von entscheidender Bedeutung, Behandlungskonzepte
zur Überwindung dieser Resistenzen zu entwickeln.
Ein viel versprechender Ansatz ist dabei, diejenigen Moleküle zu identifizieren, die einem Krebs seine Behandlungsresistenz
verleihen. "Diese Moleküle würden aussichtsreiche Ansatzpunkte für die Entwicklung von Medikamenten
darstellen, mit denen die Behandlungsresistenz letztendlich überwunden werden kann", erklärt Prof.
Beck. Bei der Identifizierung dieser Moleküle setzen der Onkologe und seine Arbeitsgruppe auf eine neue Klasse
von Krebsmedikamenten, die Histondeacetylase-Inhibitoren (HDACi). HDACi zeichnen sich dadurch aus, dass sie in
Krebszellen den programmierten Zelltod - die Apoptose - herbeiführen, indem sie Apoptose-relevante Gene regulieren.
"Diese Wirkung unterscheidet sie von klassischen Chemotherapeutika, welche die Apoptose durch Zellschädigung
auslösen", so Beck. Eine charakteristische Eigenschaft von Krebszellen ist, dass sie reich an genetischen
Mutationen sind. Normale Zellen mit solchen Mutationen würden entsprechend reagieren und Apoptose auslösen.
Zu den Eigenschaften von Krebszellen gehören allerdings auch solche molekularen Veränderungen, die sie
in den Stand setzen, die Apoptose zu vermeiden. Die Ausschaltung solcher Apoptose-relevanter Moleküle erlaubt
es den Krebszellen in vielen Fällen zudem, sich auch der Chemotherapie zu entziehen. "Die Kenntnis dieser
Moleküle, welche von den Krebszellen unterdrückt werden, könnte den Grundstein für erfolgreiche
Krebstherapien legen", so der Mediziner weiter.
In Versuchen mit HDACi konnten die Mitglieder der Arbeitsgruppe an Krebszellkulturen zeigen, dass sie die Wirksamkeit
von herkömmlichen Chemotherapeutika deutlich verstärken und Resistenzen überwinden (siehe Abbildung).
Weitere Untersuchungen zeigen zudem, dass mit dieser Wirkungsverstärkung ein von HDACi spezifisch verändertes
Molekülmuster in den Krebszellen einhergeht. Unter den von HDACi regulierten Molekülen befinden sich
wie vermutet bestimmte Formen, denen wichtige Funktionen bei der Apoptose zukommen, wie auch eine Reihe weiterer,
die an der Resistenzentwicklung beteiligt sind. "Die vergleichende Analyse von HDACi-behandelten und unbehandelten
Krebszellen kann also wichtige Aufschlüsse über Resistenzfaktoren geben", so Beck. Diese Moleküle
werden derzeit von der Arbeitsgruppe am Jenaer Universitätsklinikum mit zell- und molekularbiologischen Methoden
eingehend untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen könnten die Basis für innovative Krebstherapien
bilden. |