OECD sieht Paradigmenwechsel in ländlicher Entwicklungspolitik   

erstellt am
04. 04. 08

Sektorübergreifender Abbau von Wettbewerbsdefiziten im Kommen
Wien (bmlfuw/aiz) - In der ländlichen Entwicklungspolitik der Industriestaaten findet weltweit ein Paradigmenwechsel statt. Das hat der OECD-Raumentwicklungsexperte Mario Pezzini auf der 6. OECD-Konferenz für ländliche Entwicklungspolitik in Köln festgestellt. Der ländliche Raum sei nicht länger ein Randthema, betonte Pezzini am 03.04. zum Auftakt der zweitägigen Veranstaltung. In vielen Industriestaaten wandle sich die ländliche Entwicklungspolitik von einer bloßen Umverteilungsmaßnahme hin zu einer ressort- und sektorübergreifenden Politik zum gezielten Abbau von Wettbewerbsdefiziten. Dies sei ein internationaler Trend, konstatierte Pezzini. Die OECD wolle Best-Practice-Beispiele sammeln und daraus Leitlinien für alle formulieren.

Entscheidungs- und Finanzautonomie gewährleisten
Aus Sicht von Gert Lindemann, Staatssekretär im deutschen Bundeslandwirtschaftsministerium, muss die Maxime der ländlichen Entwicklung lauten: Gleichwertigkeit von Stadt und Land, mehr Subsidiarität und dezentrale, passgenaue Lösungen für jede Region. Dazu gehöre, den Regionen größere Entscheidungs- und Finanzautonomie zu gewähren, sagte Lindemann. Er unterstrich, die Zukunft ländlicher Räume könne nur auf zwei Beinen sicher stehen, und zwar auf einer soliden und kontinuierlichen wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung sowie einem starken regionalen und sozialen Zusammenhalt.

US-Staatssekretär sieht rosige Zukunft

Thomas Dorr, Staatssekretär im US-Landwirtschaftsministerium, warnte davor, durch Fördermittel Abhängigkeiten zu schaffen. Seine Regierung habe gute Erfahrungen damit gemacht, Darlehen statt Zuschüssen zu gewähren, berichtete Dorr und sagte: "Wir lehren die ländliche Bevölkerung zu fischen, statt ihr Fisch zu schenken." Die Raumentwicklung müsse auf Wachstum und wirtschaftlichen Chancen aufgebaut sein und nicht auf staatlichen Zuschüssen. Dorr sieht aufgrund der technologischen Möglichkeiten wie Breitband und Mobilfunk, aber auch Biotreibstoffen und der Agrarbiotechnologie bessere Zukunftsaussichten für den ländlichen Raum denn je. Wenn beispielsweise über die Produktion von Biokraftstoffen nur ein Bruchteil des Geldes für den Rohölimport in den ländlichen US-Bundesstaaten verbleibe, sei dies ein riesiges Konjunkturprogramm, das die finanziellen Möglichkeiten der öffentlichen Hand bei Weitem übertreffe, so der Staatssekretär. Schon heute seien einige der am schnellsten wachsenden Gemeinden in den USA ländliche Gemeinden.

Erfolge in Schottland

Richard Wakeford, Vorsitzender der OECD-Arbeitsgruppe für ländliche Entwicklungspolitik, berichtete von Erfolgen in Schottland. Dort wird im ländlichen Raum der höchste Bildungsstand aller OECD-Regionen gemessen. Die ländlichen Gemeinden verzeichnen keinen Bevölkerungsschwund, sondern einen aktiven Zuzug. Das Erfolgsgeheimnis liegt laut Wakeford unter anderem darin, dass die schottische Regierung den ländlichen Regionen lediglich Entwicklungsziele vorgibt, aber nicht den Weg dorthin vorschreibt. Die Entscheidungen fielen in den Regionen, nicht in einer Zentralregierung. Mark Drabenstott, ebenfalls OECD, vertrat die Auffassung, die öffentliche Hand sollte im ländlichen Raum nur essenzielle Infrastrukturmaßnahmen wie Schulen, Gesundheitsvorsorge oder Energie und Wasser unterstützen. Maßnahmen, die spezifisch regionale Entwicklungshemmnisse abbauten, sollten dagegen aus öffentlichen und privaten Mitteln finanziert werden.

Gute Nahversorgung sicherstellen

Der Landwirtschaftsminister des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Eckhard Uhlenberg, betonte in einer Grußansprache, der ländliche und der städtische Raum hätten den gleichen Stellenwert. Darum müsse auch für gleichwertige Lebensverhältnisse Sorge getragen werden. Um die Abwanderung gut ausgebildeter Menschen aus dem ländlichen Raum zu stoppen, müssten eine gute Nahversorgung und ausreichende soziale Dienstleistungen sichergestellt werden.
 
zurück