Sektorübergreifender Abbau von Wettbewerbsdefiziten im Kommen
Wien (bmlfuw/aiz) - In der ländlichen Entwicklungspolitik der Industriestaaten findet weltweit
ein Paradigmenwechsel statt. Das hat der OECD-Raumentwicklungsexperte Mario Pezzini auf der 6. OECD-Konferenz
für ländliche Entwicklungspolitik in Köln festgestellt. Der ländliche Raum sei nicht länger
ein Randthema, betonte Pezzini am 03.04. zum Auftakt der zweitägigen Veranstaltung. In vielen Industriestaaten
wandle sich die ländliche Entwicklungspolitik von einer bloßen Umverteilungsmaßnahme hin zu einer
ressort- und sektorübergreifenden Politik zum gezielten Abbau von Wettbewerbsdefiziten. Dies sei ein internationaler
Trend, konstatierte Pezzini. Die OECD wolle Best-Practice-Beispiele sammeln und daraus Leitlinien für alle
formulieren.
Entscheidungs- und Finanzautonomie gewährleisten
Aus Sicht von Gert Lindemann, Staatssekretär im deutschen Bundeslandwirtschaftsministerium, muss die Maxime
der ländlichen Entwicklung lauten: Gleichwertigkeit von Stadt und Land, mehr Subsidiarität und dezentrale,
passgenaue Lösungen für jede Region. Dazu gehöre, den Regionen größere Entscheidungs-
und Finanzautonomie zu gewähren, sagte Lindemann. Er unterstrich, die Zukunft ländlicher Räume könne
nur auf zwei Beinen sicher stehen, und zwar auf einer soliden und kontinuierlichen wirtschaftlichen und technologischen
Entwicklung sowie einem starken regionalen und sozialen Zusammenhalt.
US-Staatssekretär sieht rosige Zukunft
Thomas Dorr, Staatssekretär im US-Landwirtschaftsministerium, warnte davor, durch Fördermittel Abhängigkeiten
zu schaffen. Seine Regierung habe gute Erfahrungen damit gemacht, Darlehen statt Zuschüssen zu gewähren,
berichtete Dorr und sagte: "Wir lehren die ländliche Bevölkerung zu fischen, statt ihr Fisch zu
schenken." Die Raumentwicklung müsse auf Wachstum und wirtschaftlichen Chancen aufgebaut sein und nicht
auf staatlichen Zuschüssen. Dorr sieht aufgrund der technologischen Möglichkeiten wie Breitband und Mobilfunk,
aber auch Biotreibstoffen und der Agrarbiotechnologie bessere Zukunftsaussichten für den ländlichen Raum
denn je. Wenn beispielsweise über die Produktion von Biokraftstoffen nur ein Bruchteil des Geldes für
den Rohölimport in den ländlichen US-Bundesstaaten verbleibe, sei dies ein riesiges Konjunkturprogramm,
das die finanziellen Möglichkeiten der öffentlichen Hand bei Weitem übertreffe, so der Staatssekretär.
Schon heute seien einige der am schnellsten wachsenden Gemeinden in den USA ländliche Gemeinden.
Erfolge in Schottland
Richard Wakeford, Vorsitzender der OECD-Arbeitsgruppe für ländliche Entwicklungspolitik, berichtete von
Erfolgen in Schottland. Dort wird im ländlichen Raum der höchste Bildungsstand aller OECD-Regionen gemessen.
Die ländlichen Gemeinden verzeichnen keinen Bevölkerungsschwund, sondern einen aktiven Zuzug. Das Erfolgsgeheimnis
liegt laut Wakeford unter anderem darin, dass die schottische Regierung den ländlichen Regionen lediglich
Entwicklungsziele vorgibt, aber nicht den Weg dorthin vorschreibt. Die Entscheidungen fielen in den Regionen, nicht
in einer Zentralregierung. Mark Drabenstott, ebenfalls OECD, vertrat die Auffassung, die öffentliche Hand
sollte im ländlichen Raum nur essenzielle Infrastrukturmaßnahmen wie Schulen, Gesundheitsvorsorge oder
Energie und Wasser unterstützen. Maßnahmen, die spezifisch regionale Entwicklungshemmnisse abbauten,
sollten dagegen aus öffentlichen und privaten Mitteln finanziert werden.
Gute Nahversorgung sicherstellen
Der Landwirtschaftsminister des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Eckhard Uhlenberg, betonte in einer Grußansprache,
der ländliche und der städtische Raum hätten den gleichen Stellenwert. Darum müsse auch für
gleichwertige Lebensverhältnisse Sorge getragen werden. Um die Abwanderung gut ausgebildeter Menschen aus
dem ländlichen Raum zu stoppen, müssten eine gute Nahversorgung und ausreichende soziale Dienstleistungen
sichergestellt werden. |