Agrarische Treibstoffe  

erstellt am
03. 04. 08

 Bayr begrüßt Umdenkprozess
Bayr fordert Moratorium für das Zehn-Prozent-Ziel der EU bei Agrotreibstoffen
Wien (sk) - Positiv bewertet SPÖ-Umweltsprecherin Petra Bayr den nun auch in Deutschland stattfindenden Umdenkprozess in Sachen "Biosprit". "Es ist längst überfällig, dass eine grundsätzliche Diskussion über die Auswirkungen von agrarischen Treibstoffen geführt wird", so Bayr am 03.04. gegenüber dem SPÖ-Pressedienst. Nach der anfänglichen Euphorie über diese Agrotreibstoffe gelangen nun immer mehr Staaten zur Einsicht, dass diese keineswegs das angebliche Allheilmittel im Kampf gegen den Klimawandel sind. Bayr forderte daher erneut eine Nachdenkpause und ein Moratorium für das Zehn-Prozent-Ziel der EU bei Agrotreibstoffen.

Immer mehr Studien zeigen, dass die theoretische CO2-Neutralität von Agrosprit in der Praxis zunichte gemacht wird, weil etwa Brandrodungen zur Gewinnung von Anbauflächen ungleich mehr Treibhausgase verursachen, als mit dem daraus gewonnenen Agrosprit eingespart werden kann. Die Agrosprit-Produktion hat aber auch gravierende sozial- und menschenrechtliche Konsequenzen. Denn diese führt zur Absiedlung kleiner Bauern in den Entwicklungsländern, die damit ihre Lebensgrundlagen verlieren, und zu einem Anstieg der Nahrungsmittelpreise in diesen Gebieten.

Wesentlichstes Anliegen sei jedenfalls, im Bereich agrarischer Treibstoffe für Nachhaltigkeit zu sorgen. Bayr bekräftigte in dem Zusammenhang die Forderung, ein Zertifikatesystem ohne ökologische, soziale und menschenrechtliche Schlupflöcher zu schaffen. Im ersten Schritt soll dieses System auf europäischer Ebene, in einem zweiten Schritt weltweit eingeführt werden.

 

 Pirklhuber: Regierung muss Beimisch-Ziele revidieren!
Auch Österreich wird überzogenes Ziel für Agro-Treibstoffe ändern müssen
Wien (grüne) - "Statt auf industrielle Agrotreibstoffe zu setzen wäre es ein Gebot der Stunde Energie-Effizienz, Solartechnologie und ökologischen Landbau zu forcieren", erklärt Wolfgang Pirklhuber, Sprecher für Landwirtschaft und Lebensmittelsicherheit der Grünen zur aktuellen Treibstoff-Politik der EU und Österreichs. Das Ziel der EU einer Beimischung von 10% Bio-Sprit zum Treibstoff bis 2020 ist überzogen, weil die landwirtschaftlichen Flächen in der EU nicht zur Verfügung stehen, ist Pirklhuber überzeugt. Die EU benötigt für ihr Ziel 18 Mio. ha Ackerland, es stehen aber nur 7 Mio. ha an Stilllegungsflächen zur Verfügung. Der Rest müsste der Getreideproduktion für Lebens- und Futtermittel entzogen oder durch Importe gedeckt werden. "Dies ist völlig unrealistisch, da schon jetzt Engpässe am Futtermittelsektor bestehen, obwohl die EU ohnehin mehr als 40 Mio Tonnen Futtermittel aus Drittstaaten einführt. Mit der gewählten Strategie exportiert die EU daher Klimaprobleme und Hunger in die armen Länder dieser Welt", so Pirklhuber.

"Auch Österreich wird sein überzogenes Ziel für Agro-Treibstoffe revidieren müssen", so Pirklhuber. Für die im Biomasseaktionsplan geplante 20%ige Beimischung wären etwa 800.000 ha Fläche notwendig, das ist ein Drittel des Ackerlandes. Es stehen aber nur etwa 100.000 ha an Stilllegungsflächen zur Verfügung, die für die Strom- und Wärmeproduktion aus Biomasse viel effizienter verwendet werden könnten. Dass sich die Biospritproduktion auch ökonomisch nicht rechnet, zeigt die neue Bioethanolanlage in Pischelsdorf, die seit ihrer Fertigstellung im Herbst stillsteht, weil der Getreidepreis zu stark gestiegen ist.

"Die Grünen werden daher in einer parlamentarischen Enquete "Bio"-Treibstoffe: Bedrohung oder Segen? am 18. April die Problematik mit ExpertInnnen aus den verschiedensten Fachbereichen diskutieren", so Pirklhuber. Pflanzliche Treibstoffe sollten vor allem auf heimischen Rohstoffen beruhen und vorrangig innerhalb der Landwirtschaft eingesetzt werden. Damit kann die Auslandsabhängigkeit bei Energie in diesem Sektor verringert, lange Transportwege vermieden und die Lebensmittelerzeugung langfristig krisensicher gemacht werden. Negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, den Wasserhaushalt und die Bodenfruchtbarkeit müssen ausgeschlossen werden.

 

 Kubitschek: Auch Österreich muss weitere Biosprit-Beimischung stoppen
Aus für Agro-Treibstoffe in Deutschland: Biosprit-Front bröckelt
Wien (ak) - Eine sofortige Kehrtwende in der österreichischen Agrotreibstoff-Politik fordert die AK. Deutschland will auf die geplante Beimischung von zehn Prozent Bioethanol verzichten, weil vor allem ältere Autos den hohen Anteil im Sprit nicht vertragen. Damit hat die falsche Biosprit-Politik einen wichtigen Fürsprecher verloren. "Jetzt wäre eine gute Gelegenheit für Österreich, ebenfalls den Weg der Vernunft einzuschlagen und in Sachen Agrotreibstoff radikal umzusteuern", sagt Maria Kubitschek, Leiterin des Wirtschaftsbereiches in der AK Wien.

Bisher plant die österreichische Bundesregierung, den Anteil von Biosprit am Benzin im Oktober von derzeit 4,3 Prozent auf 5,75 Prozent und im Jahr 2010 auf zehn Prozent anzuheben. "Das ist ein Irrweg, den wir so schnell wie möglich verlassen müssen", warnt Kubitschek.

"Große Länder wie Deutschland planen sich vom Biosprit abzuwenden, andere Länder zögern aus gutem Grund mit ihrer Einführung. Das sollte uns zum Nachdenken anregen. Wenn Österreich weiter an seiner Biosprit-Politik festhält, riskieren wir bald als unbelehrbare Musterschüler alleine ein falsches Ziel zu verfolgen", so Kubitschek. Sie fordert ein grundsätzliches Umdenken in der Klimapolitik: Weg vom Biosprit, der die Lebensmittelpreise hochtreibt, fürs Klima nichts bringt und viel zu teuer ist.

Weil weltweit immer mehr landwirtschaftliche Flächen für die Erzeugung von Treibstoffen genutzt werden, schnalzen weltweit die Getreide und Futtermittelpreise in die Höhe. "Gerade in Zeiten rasant steigender Lebenshaltungskosten muss der Preistreiber Biosprit weg", so Kubitschek.

Auch in punkto Klimaschutz bringen Agrotreibstoffe wenig: Der Anbau der Pflanzen erfordert selbst viel Energie, und die notwendige Düngung setzt selbst klimaschädliche Gase frei. Wenn zum Anbau der Pflanzen auch noch Wald gerodet wird, schaden Agrotreibstoffe unterm Strich dem Klima weit mehr, als sie nutzen.

Hinzu kommt, dass die Biosprit-Beimischung eine extrem teure Klimaschutzmaßnahme ist: Die Einsparung von einer Tonne des klimaschädlichen Kohlendioxids mit Agro-Diesel kostet in Österreich 210 Euro, mit Ethanol sogar 860 Euro, wenn es in Österreich hergestellt wird. Zum Vergleich: Der Durchschnittswert sonstiger Klimaschutzmaßnahmen in Österreich, wie Kraft-Wärme-Kopplungen oder Wärmedämmung an Wohnhäusern kostet dagegen nur 5 Euro pro eingesparter Tonne Kohlendioxids.

Die AK fordert deshalb:

  • Die Österreichische Bundesregierung muss ihre Klimapolitik neu überdenken.
  • Weg mit dem Preistreiber Biosprit: Er verteuert Lebensmittel und bringt nichts fürs Klima.
  • Auf EU-Ebene sollte eine Evaluierung des wirklichen Nutzens von Biosprit vorgelegt werden, statt immer höhere Prozentsätze für Agrotreibstoff-Anteile festzulegen.
  • Senkung des Spritverbrauchs von Autos in Österreich und auf EU Ebene durch ordnungspolitische und steuerliche Maßnahmen.
  • Umsetzung der Klimaziele durch volkswirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen wie vor allem Förderung und Ausbau des öffentlichen Verkehrs, Forcierung der Fernwärme aus Abwärme und massive Steigerung der Wärmedämmung von Gebäuden.

 

ÖAMTC: Erhöhung des Biosprit-Anteiles nur unter bestimmten Voraussetzungen
Solange es keine Alternativen gibt, plädiert Club für Beibehaltung des EU-Planes, erst ab 2020 zu erhöhen
Wien (öamtc) - "Das Beimischen von Biokomponenten in Benzin ist prinzipiell sinnvoll", sagt der Chef der ÖAMTC-Interessenvertretung, Mario Rohracher, zur derzeitigen Diskussion um Biokraftstoff, die unter anderem in Deutschland wieder sehr heftig geführt wird. Einer Erhöhung des beigemischten Anteils von Biosprit in fossilen Kraftstoffen stimmt der ÖAMTC allerdings nur zu, wenn Automobil- und Mineralölindustrie sicherstellen, dass es keine negativen Auswirkungen technischer oder finanzieller Art für die überwiegende Anzahl der österreichischen Autofahrer gibt.

"Solange der Fahrzeugbestand seitens der Automobilindustrie nicht für E10 freigegeben ist, muss die Verfügbarkeit von Normal- und Superbenzin mit einem Ethanolanteil von maximal fünf Prozent (E5) sichergestellt sein", bekräftigt der Chef der ÖAMTC-Interessenvertretungr. "Außerdem besteht kein Grund zur Eile, weil die EU die Umsetzung der Richtlinie ohnehin erst bis 2020 vorsieht. Dieser Zeitplan erscheint sinnvoll, solange es keine brauchbaren Alternativen gibt."

Der Club lehnt ab, dass zukünftig alle Bestandsfahrzeuge, die von den Fahrzeugherstellern für E10 nicht freigegeben sind, zwangsweise - wie von der Mineralöl- und Automobilindustrie geplant - mit der "Bestandsschutzsorte" Super Plus (E5) betankt werden müssen. Und das, obwohl sie eigentlich nur Normal- oder Superbenzin brauchen würden. "Das hätte wieder einen inakzeptablen Kostensprung für die österreichischen Autofahrer zur Folge", sagt der Chef der ÖAMTC-Interessenvertretung. "Eine vorgezogene Einführung würde außerdem all jene treffen, die sich nicht regelmäßig ein neues Fahrzeug leisten können. Abgesehen davon sind auch Umrüstungen des Fahrzeugbestandes für die Verwendung von E10 auf Grund der erheblichen Kosten keine Alternative."

Außerdem fordert der Club für die Erzeugung von Biosprit ein Nachhaltigkeitsprinzip. "Eine Art Umweltzertifikat ist unerlässlich. Nur so ist gesichert, dass die Umweltbilanz des Kraftstoffes wirklich positiv ist", bekräftigt Rohracher abschließend.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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