Lausanne (idw) - Zur Verbesserung der Behandlung von Krebspatienten braucht
es verschiedene Ansätze. Einer davon ist die Immuntherapie. Immunzellen (sogenannte T-Zellen) können
einen wirksamen Schutz gegen Tumorzellen aufbauen. In Patienten mit fortschreitender bösartiger Erkrankung
ist dieser Schutzmechanismus jedoch ungenügend. Unsere Arbeitsgruppe am Ludwig Institute für Krebsforschung
und an der Universität Lausanne, Schweiz, untersucht jetzt die Gründe, warum menschliche Immunzellen
gegen Krebs weniger stark wirksam sind als gegen Viruskrankheiten, wo das Immunsystem effizient gegen Infektionskrankheiten
schützen kann.
Menschliche Tumorzellen tragen sogenannte Antigene. Es handelt sich um charakteristische Moleküle an der Oberfläche
von Tumorzellen, welche auf sehr spezifische Weise durch Immunzellen erkannt werden können. Diese Antigene
erlauben deshalb ein therapeutisches "Targeting", d.h. eine gezielte und damit schonende Therapie. Bereits
im spontanen Ablauf einer Krebserkrankung kann es vorkommen, dass bestimmte Immunzellen (die zytotoxischen T-Zellen)
erfolgreich sind im Abtöten von Tumorzellen. Abbildung 1 zeigt wie eine Krebszelle von einer Immunzelle angegriffen
und zerstört wird. Dank einem hochspezifischen Erkennungsmechanismus erkennt eine tumor-spezifische T-Zelle
(a) eine Tumorzelle (b), was zu einer intensiven Zell-Zell-Interaktion führt (rot umrandeter Bereich). Für
kurze Zeit sieht es so aus, wie wenn die zwei Zellen fusionieren würden. Der enge Kontakt hat jedoch einen
anderen Zweck. Er ermöglicht der T-Zelle, ihren zerstörerischen Angriff sehr gezielt durchzuführen,
womit das umliegend gesunde Gewebe (hier nicht sichtbar) verschont bleibt. Wenige Minuten später löst
sich die T-Zelle, und die beschädigte Zellwand der Tumorzelle (mit grossem Loch; c) wird erkennbar, was den
Tod der Tumorzelle zur Folge hat.
Mittels Immuntherapie ("Vaccinierung") kann die Aktivität der T-Zellen gesteigert werden. In etwa
5 bis 10% der behandelten Patienten mit bösartigem Melanom (schwarzer Hautkrebs) führt dies zu einer
klinischen Verbesserung. Zur Zeit gibt es zahlreiche Bestrebungen, die Erfolgsrate der Immuntherapie zu steigern.
Ziel unseres Projektes ist, die genauen molekularen Vorgänge zu identifizieren, welche für eine hohe
Effizienz der T-Zell-Aktivität entscheidend sind.
Viele Viruskrankheiten werden durch das Immunsystem gut in Schach gehalten. Die dafür zuständigen Immun-Zellen
und -Moleküle dienen uns als Referenz, denn wir wissen, dass sie an einem wirksamen immunologischen Schutz
beteiligt sind. Sowohl bei Virusinfektionen wie auch bei Tumorkrankheiten muss das Immunsystem kranke Körperzellen
zerstören, denn virus-infizierte Zellen sind ähnlich gefährlich wie die bösartigen Zellen des
Krebses. Bei beiden Krankheitstypen geschieht die Elimination von kranken Körperzellen im Prinzip auf gleiche
Art, nur ist dies bei einigen Viruskrankheiten viel effizienter als bei Krebserkrankungen, wo der Immunschutz häufig
unzureichend ist. Von den starken Immunreaktionen gegen Viren kann die Forschung also lernen, in dem sie die zuständigen
biologischen Weichenstellungen und Mechanismen identifiziert und sie dann in Form von (verbesserter) Immuntherapie
nachbildet, d.h. Medikamente und Impfungen entwickelt welche solch potente Immunreaktionen induzieren.
In den vergangenen 5 Jahren konnte unsere Arbeitsgruppe erstmals zeigen, dass die Immunreaktion gegen ein gegebenes
Tumor-Antigen dominiert wird durch eine nur kleine Anzahl von ~1-15 Vorläufern von T-Zellen (sogenannte Klonotypen).
Diese weisen eine gute Funktionalität und eine überraschende Langlebigkeit auf. Zwar war die Zellalterung
("Seneszenz") gut erkennbar, doch war sie so langsam, dass die T-Zellen viele Jahre überleben konnten.
Lange wurde befürchtet, dass Funktionen und Vitalität der T-Zellen bei Krebskranken fundamental beeinträchtigt
sind, womit die Immuntherapie grundsätzlich in Frage gestellt wurde. Diese Bedenken sind jetzt aber weitgehend
widerlegt; humane T-Zellen sind also genügend "fit" um einen wirksamen Schutz gegen Krebswachstum
aufbauen zu können.
Das jetzt angelaufene Projekt hat nun zum Ziel, die Moleküle genau zu charakterisieren, welche die Erkennung
von Tumor-Antigenen und damit das spezifische Abtöten von Krebszellen vermitteln. Es handelt sich um sogenannte
T-Zell-Rezeptoren, wovon es viele Millionen verschiedener Versionen gibt. Die enorme Vielfalt erschwert deren Charakterisierung.
Diese technischen Schwierigkeiten müssen Schritt für Schritt gelöst werden. Weltweit gibt es etwa
ein Dutzend Forschungsgruppen, welche sich ähnliche Ziele gesetzt haben. Davon werden unsere Arbeiten profitieren
können. Die zur Zeit vorhandenen Daten sagen aus, dass wahrscheinlich nur die besten T-Zell-Rezeptoren in
der Lage sind, einen wirksamen Immunschutz zu gewährleisten. Viele der in Entwicklung stehenden Impfungen
gegen Krebs müssen dahin verbessert werden, dass sie zu einer selektiven Aktivierung der besten T-Zellen führen.
An unserem Universitätsspital entwickeln wir neue Immuntherapien, welche bei Melanom-Patienten angewendet
werden. Die Analyse der daraus resultierenden T-Zellen und T-Zell-Rezeptoren wird gekoppelt mit einer steten Verbesserung
der Immuntherapie, so dass wir die Behandlung kontinuierlich optimieren können.
Bei der Anwendung neuer Tumor-Vaccinen muss also sorgfältig darauf geachtet werden, dass die erwünschten
Verbesserungen der Immunaktivitäten auch tatsächlich erreicht werden. Die Grundlagenforschung hat eine
große Auswahl von potentiell nützlichen neuen Vaccin-Komponenten identifizert. Welches sind die Besten?
Jede Vaccin-Komponente sollte in kleinen medizinischen Studien (mit je 5 bis 10 Patienten) darauf geprüft
werden, ob sie menschliche Immunreaktionen induzieren kann. Dafür braucht es die klinische Forschung und eine
präzise Labordiagnostik, die es erlaubt, zelluläre Immunreaktionen quantitativ und qualitativ zu charakterisieren.
Die so ausgewählten besten Vaccin-Komponenten können anschließend in großen medizinischen
Studien (mit jeweils 100 bis 1.000 Patienten) auf klinischen Nutzen geprüft werden. Diese Schritte entsprechen
den heute allgemein- gültigen Prinzipien für die Entwicklung neuer Arzneien. Die dafür notwendige
enge Zusammenarbeit von verschiedenen Spezialisten der klinischen und der medizinisch-biologischen Forschung hat
zum Ziel, die Therapie - Erfolgsraten weiter zu steigern, damit die anstehenden medizinischen Probleme besser bewältigt
werden können. |