Kardinal Schönborn war Hauptzelebrant bei einer Messfeier der Bischöfe im Abendmahlssaal
in Jerusalem, der nur selten für katholische Messfeiern zur Verfügung gestellt wird
Jerusalem (pew) - Die Bedeutung der Familie für die neue Evangelisierung Europas hat Kardinal Christoph
Schönborn bei einer Messfeier mit mehr als 150 Bischöfen im Abendmahlssaal in Jerusalem unterstrichen.
Der Abendmahlssaal wird nur selten für katholische Messfeiern freigegeben. Kardinal Schönborn und die
anderen Bischöfe waren auf Einladung des "Neokatechumenalen Wegs" Teilnehmer eines mehrtägigen
Treffens über die neue Evangelisierung Europas in der "Domus Galilaeae" auf dem Berg der Seligpreisungen.
"Es geht um die Zukunft Europas", sagte Kardinal Schönborn im Heiligen Land im Gespräch mit
der italienischen Tageszeitung "Avvenire". In den letzten 40 Jahren habe Europa "drei Mal nein zu
seiner Zukunft" gesagt: 1968 mit dem "Nein" zur Enzyklika Pauls VI. "Humanae vitae", wenige
Jahre später mit der in den meisten europäischen Ländern eingeführten Fristenregelung und letztlich
mit der "Homo-Ehe". "In zwei Generationen wird die europäische Bevölkerung auf die Hälfte
zurückgehen: Das ist objektiv ein 'Nein zur Zukunft'", so der Wiener Erzbischof. De facto sei die katholische
Kirche die einzige Kraft in Europa, die heute für die Zukunft eintrete. Es gehe darum, junge Paare zu ermutigen,
die "großzügig 'Ja zum Leben' sagen - und damit zur Zukunft".
In ähnlicher Weise äußerte sich Kardinal Stanislaw Dziwisz, Erzbischof von Krakau und früherer
Sekretär von Johannes Paul II. Die Krise Europas sei eine "Krise der Familie", betonte Dziwisz.
Nur durch eine Renaissance der Familie könne Europa erneuert werden. Daher sei der Vorschlag des "Neokatechumenalen
Wegs" so wichtig, weil er von der Erneuerung der Familie ausgehe. Dziwisz erinnerte an Johannes Paul II.;
er hoffe, dass der verstorbene Papst bald selig gesprochen und zum "Patron der neuen Evangelisierung"
proklamiert werde.
An dem Treffen, zu dem die beiden Initiatoren des "Neokatechumenalen Wegs" - Kiko Arguello und Carmen
Hernandez - eingeladen hatten, nahmen u.a. auch der Primas von Gallien, Kardinal Philippe Barbarin, der Madrider
Erzbischof, Kardinal Antonio Rouco Varela, der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, der polnische
Primas, Kardinal Jozef Glemp, und der Erzbischof von Sarajevo, Kardinal Vinko Puljic, teil. Als Vertreter des Papstes
und der Kurie waren die Kardinäle Paul J. Cordes (Präsident des Päpstlichen Rates "Cor Unum")
und Stanislaw Rylko (Präsident des Päpstlichen Laien-Rates) anwesend.
Die neue Evangelisierung Europas ist ein besonderes Anliegen des "Neokatechumenalen Wegs". Im Jänner
2006 hatte Papst Benedikt XVI. sieben Priester, die aus dem "Neokatechumenat" hervorgegangen sind, gemeinsam
mit jeweils drei Familien in europäische Städte entsandt, die besonders stark säkularisiert sind.
Über die bisherigen Erfahrungen wurde bei dem Treffen in der "Domus Galilaeae" berichtet.
Dass die Bischöfe im Abendmahlssaal die Heilige Messe feiern konnten, war eine besondere Ausnahme. Der Abendmahlssaal
war nach der Anerkennung des Christentums im Römischen Reich ursprünglich in die große Basilika
"Sancta Maria in Monte Sion" integriert. 1219 wurde diese Basilika (die als "Mutter aller Kirchen"
galt und in der die bischöfliche Kathedra des Heiligen Jakobus, des ersten Bischofs von Jerusalem, verehrt
wurde) auf Befehl des damaligen ägyptischen Sultans abgerissen. Nur der Bereich des Abendmahlssaals wurde
verschont. 1333 erwarben der damalige König von Neapel, Robert von Anjou, und seine Frau Sancha von Mallorca,
das Gebäude und übergaben es den Franziskanern. 1551 wurden die Franziskaner auf Grund einer Intrige
örtlicher Muslime von den osmanischen Behörden vertrieben, weil sich im Untergeschoss des heiligen Gebäudes
auch das Grab von König David befindet. Aus dem Gebäude wurde damals eine Moschee.
1936 konnten die Franziskaner in unmittelbarer Nähe wieder ein Haus kaufen, in dem jetzt der "kleine
Abendmahlssaal" untergebracht ist ("Cenacolino"). 1948 - nach dem jüdisch-arabischen Teilungskrieg
- wurde der Abendmahlssaal wegen des David-Grabes in eine Synagoge umgewandelt. Seit dem Heiligen Jahr 2000 wird
das Gotteshaus immer wieder für katholische Messfeiern und ökumenische Begegnungen zur Verfügung
gestellt. Kardinal Schönborn war bereits zum zweiten Mal Hauptzelebrant im Abendmahlssaal.
Im Rahmen des Bischofstreffens in der "Domus Galilaeae" wurde auch die neue Eremitage mit der Anbetungskapelle
geweiht; Hauptzelebrant war dabei der scheidende lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah. Auch die neue
- ganz aus Kristallglas gestaltete - Kapelle wurde von Kiko Argüello entworfen. Blickfang des Neubaus ist
eine große Bronzegruppe auf dem Dach, die Jesus bei der Bergpredigt - umringt von den zwölf Aposteln
- darstellt. Argüello drückte in seiner Ansprache die Hoffnung aus, dass von "diesem Ort des Gebetes
ein Segen für die ganze Umgebung" ausgehen möge.
Die "Domus Galiaeae" wurde im Jahr 2000 als Studien- und Pilgerhaus von Johannes Paul II. eingeweiht.
Die österreichischen Bischöfe waren im Herbst des Vorjahrs im Rahmen ihrer Herbstvollversammlung in dem
Haus zu Gast.
Der neue Anbau ist nach Aussagen des Rektors der "Domus Galilaeae", P. Rino Rossi, durch die Spiritualität
des Mönchs Charles de Foucauld inspiriert, der 1916 in der damals französischen Sahara als Märtyrer
starb. Die Eremitage und die Kapelle sollen vor allem für die Seminaristen in der "Domus Galilaeae"
ein Zentrum sein. Derzeit studieren nach Angaben Rossis zehn Seminaristen unterschiedlicher Riten im Priesterseminar
auf dem Berg der Seligpreisungen.
Ähnliche Bischofstreffen wie jetzt das für Europa bestimmte hatten in der "Domus Galilaeae"
bereits für Amerika, Asien und Afrika stattgefunden. |