Hohe Inflation ist das bestimmende Thema in CEE. Fundamentaldaten bleiben weiterhin solide. ATX
bleibt vom Trend der globalen Märkte nicht unberührt. Defensive Branchenausrichtung im zweiten Quartal.
Wien (rzb) - Die direkten Auswirkungen der Finanzmarktturbulenzen auf die Volkswirtschaften Zentral-
und Osteuropas (CEE) sind nach wie vor gering. Lediglich die Aktienmärkte konnten sich nicht vom globalen
Markttrend entkoppeln. "Die vom US-Immobilientief ausgelöste Sturmwelle hat auf den Aktienmärkten
Österreichs sowie Zentral- und Osteuropas tiefere Spuren hinterlassen, als dies durch den moderaten Einfluss
auf die Wirtschaft und damit auf das mittelfristige Gewinnwachstum gerechtfertigt scheint", meinte Peter Brezinschek,
Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank (RZB).
Dafür gibt es nach seiner Ansicht vor allem zwei Gründe: Die derzeit generell auf den Märkten vorherrschende
Risikoaversion und die nach wie vor vorherrschende Investorensicht auf die CEE-Märkte als Emerging Markets.
"Sofern der Risikoappetit über die Sommermonate wieder zunimmt, werden die soliden Fundamentaldaten sowie
die attraktiven Bewertungsniveaus für eine erfreuliche zweite Jahreshälfte sorgen."
Inflation erreicht Höhepunkt
Das bestimmende Thema in CEE ist die Entwicklung der Inflation. Dabei ist die Preisentwicklung allerdings nicht
ausschließlich auf externe Einflussfaktoren wie steigende Rohstoff- und Lebensmittelpreise zurückzuführen.
Zum Teil ist sie über Steueranhebungen hausgemacht. Das gilt aber auch für preistreibende Faktoren wie
Engpässe auf dem Arbeitsmarkt und eine Beschleunigung der Inflation im Dienstleistungssektor. Gleichzeitig
deuten diese auf eine Überhitzung hin, die sich in Rekordwachstum des vergangenen Jahres spiegelt: 2007 steht
für die Region CEE im Durchschnitt ein reales BIP-Wachstum von 7,1 Prozent zu Buche.
"Es spricht allerdings einiges dafür, dass im zweiten Quartal der Inflationshöhepunkt erreicht wird",
unterstrich Brezinschek. "So haben nicht nur die Notenbanken in CEE entgegen dem globalen Trend in den
vergangenen Monaten ihre Leitzinsen angehoben. Auch die Abkühlung der Weltwirtschaft sollte zumindest vorübergehend
gemäßigte Ölpreise ermöglichen." Zusätzliche Entlastung sollte der erwartete Rückgang
des realen BIP-Wachstums auf durchschnittlich 5,4 Prozent bringen.
Ölpreis von 110 US-Dollar fundamental nicht erklärbar
Neben Agrarrohstoffen zeichnet insbesondere der Ölpreis für weltweit höhere Inflationsraten verantwortlich.
"Im ersten Quartal war zwischenzeitlich ein Preisniveau von 110 US-Dollar pro Fass zu sehen. Fundamental lässt
sich das jedoch nicht mehr erklären", betonte Brezinschek. Selbst vor dem Hintergrund einer robusten
Nachfrage aus Asien und dem Nahen Osten spiegelt der Ölpreis weder die tatsächliche, globale Nachfrageentwicklung
nach Ölprodukten noch die Rekord-Lagerbestände des weltweit größten Ölverbrauchers USA
wider.
"Rohstoffe erfreuen sich bei Investoren einer noch nie da gewesenen Beliebtheit. Alleine seit Jahresbeginn
sind geschätzte 40 Milliarden US-Dollar in Rohstoffinvestments geflossen. Das entspricht rund dem Fünffachen
des in diesem Zeitraum üblichen Investitionsvolumens", erklärte der RZB-Chefanalyst. "Die Fakten
interessieren derzeit scheinbar kaum jemanden."
Dennoch lässt sich das Ende der Ölpreis-Rallye nicht verlässlich bestimmen eine mittelfristige
Korrektur ist jedoch wahrscheinlich. "Vor allem für 2009 erwarten wir aufgrund zusätzlicher Förderkapazitäten
von OPEC- wie auch Nicht-OPEC-Staaten ein niedrigeres Preisniveau." Von langer Dauer wird diese Korrektur
allerdings nicht sein. "Aus heutiger Sicht wird 2010 das letzte Jahr mit einem deutlichen Produktionswachstum
sein", meinte Brezinschek. Danach sollte die globale Nachfrage rund ein Prozent schneller wachsen als das
Angebot.
Österreich: Hochkonjunktur neigt sich dem Ende zu
Nach beachtlichen 3,4 Prozent Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr ist heuer von einer gemächlicheren
Gangart auszugehen. Auf Jahressicht rechnet Brezinschek mit einem realen BIP-Wachstum von 2,25 Prozent, wobei die
heimische Konjunktur insbesondere im zweiten Halbjahr aufgrund des erwarteten Rückgangs der Gewinn- und Exportwachstumsraten
an Dynamik einbüßen sollte. Damit liegt das Wachstum in Österreich allerdings nach wie vor sowohl
klar über dem Durchschnitt der Eurozone (1,6 Prozent) als auch der EU-27 (1,9 Prozent).
Wenig Unterstützung für die österreichische Konjunktur ist vom privaten Konsum zu erwarten. Konsum
hemmend wirkt vor allem die schwache Entwicklung der Realeinkommen. Auf Jahressicht prognostiziert Brezinschek
eine durchschnittliche Preissteigerungsrate von 2,8 Prozent.
Erfreulicher sehen hingegen die Prognosen für den Arbeitsmarkt aus. Derzeit ist Österreich mit einer
Arbeitslosenquote von 4,2 Prozent nahe an der Vollbeschäftigung. "Trotz schwächerer Konjunkturaussichten
gehen wir von einer anhaltend guten Situation auf dem Arbeitsmarkt aus", sagte Brezinschek. Ein weiterer Rückgang
der Arbeitslosigkeit sei jedoch unwahrscheinlich.
ATX kann sich dem weltweiten Negativtrend nicht entziehen
Die internationale Kreditkrise, sowie die Konjunkturschwäche in den USA halten die internationalen Finanzmärkte
in Atem. Dem kann sich auch der ATX nicht entziehen selbst wenn derzeit noch kein Abflauen der positiven Unternehmensentwicklungen
spürbar ist und die ATX-Unternehmen für das vierte Quartal 2007, bis auf wenige Ausnahmen, durchaus gute
Ergebnisse präsentieren konnten deponierte Birgit Kuras, Chefanalystin der Raiffeisen Centrobank AG. Der
ATX schloss im ersten Quartal 2008 um 20 Prozent unter dem Wert zum Jahresende 2007.
Ausläufer des Sturmtiefs an den Finanzmärkten werden sich in den nächsten Monaten auch in der Realwirtschaft
bemerkbar machen. "Inwieweit sich diese Entwicklung auf die noch immer guten Unternehmensprognosen auswirken
wird, muss man in den kommenden Wochen genau beobachten", so Kuras. Die abflauende Konjunktur wird ihren Niederschlag
in der Gewinnsituation der Unternehmen finden. Die daraus resultierende geringere Investitionslust sollte vor allem
die Entwicklung der Ausrüstungsindustrie beeinträchtigen. Allerdings haben Unternehmen wie Palfinger,
Andritz, RHI oder voestalpine ihren positiven Ausblick auf das zweite Quartal derzeit nicht abgeändert.
Im Vergleich zu anderen europäischen Indizes liegt der ATX mit einem geschätzten Gewinnwachstum von 11,2
Prozent deutlich vor DJ Eurostoxx (6,9 Prozent) und dem DAX (2,6 Prozent).
Ausrichtung der österreichischen Wirtschaft auf CEE von Vorteil
Im Allgemeinen sind die Auswirkungen des starken Euro auf die Wirtschaft aufgrund der Ausrichtung der österreichischen
Industrie auf die Region CEE weniger dramatisch als etwa in Exportländern mit einem Übersee-dominierten
Außenhandel. Nichtsdestotrotz sind auch einzelne ATX-Unternehmen mit einem starken USA-Bezug betroffen. Dazu
zählen insbesondere KTM, Rosenbauer, Pankl und Wienerberger. "Darüber hinaus darf allerdings nicht
übersehen werden, dass der starke Euro, gerade in Zeiten hoher Preissteigerungen vor allem bei Rohmaterialien
durchaus auch positiv zu werten ist", meinte Kuras.
"Hohe Volatilität und Unsicherheit der Marktteilnehmer werden ein ständiger Begleiter der Wiener
Börse im zweiten Quartal sein", prognostiziert die Chefanalystin der Raiffeisen Centrobank. Anlegern
empfiehlt sie für die nächsten Monate daher, sich auf weitere größere Kursausschläge
einzustellen. Zur Jahreshälfte erwartet Kuras einen ATX-Stand von 3600 Punkten, bis Jahresende sollte der
Wiener Leitindex mit dem Abflauen der Ungewissheit bis auf 4200 Punkte (Bandbreite 3700 bis 4300) klettern.
Privatisierung und mögliche Steuereffekte als Motor des russischen Marktes
Mit der Wahl des neuen Präsidenten ist Unsicherheit aus dem Markt genommen. "Mit Dimitri Medwedew steht
ab Mai ein Mann an der Spitze, der vom bisherigen Wirtschaftskurs kaum abweichen wird", sagte Brezinschek.
Davon geht auch Standard & Poor's aus, das erst kürzlich den Ausblick für das Kreditrating Russlands
von stabil auf positiv geändert hat. Für 2008 erwartet der RZB-Chefanalyst ein reales Wirtschaftswachstum
von 5,5 Prozent.
Nach deutlichen Kursrückgängen in den vergangenen Monaten erhielt der russische Aktienmarkt im März
durch hohe Rohstoffpreise Unterstützung. Neue Impulse sollte die bevorstehende Strommarktreform bringen. Bis
Juli 2008 soll die in 20 Einzelgesellschaften aufgeteilte RAO Unified Energy Systems privatisiert werden. Darüber
hinaus sollten Energietitel von den geplanten Steuererleichterungen profitieren. Brezinschek: "Wir erwarten
daher, dass sich der russische Aktienmarkt in den kommenden Wochen stabiler behaupten wird können als seine
westlichen Pendants."
Die Zielwerte des RTS für Juni/September/Dezember 2008: 2050/2150/2250.
Schwacher Ausblick für Aktienmärkte in Ungarn und Rumänien
Zurückhaltung empfiehlt Brezinschek für die kommenden Monate insbesondere für Ungarn und Rumänien.
Die Sanierung des ungarischen Staatshaushaltes wurde primär über Steuererhöhungen in Angriff genommen
sowohl Wirtschafts- als auch Gewinnwachstum verschlechterten sich deutlich. Entsprechend negativ entwickelte
sich der Budapester Leitindex BUX. "Angesichts der allgemeinen Risikoaversion der Investoren gehen wir für
den ungarischen Aktienmarkt auch im zweiten Quartal von einem schwachen Kursverlauf aus." Die Zielwerte des
BUX: 20900/22500/24500.
Starke Kursrückgänge waren seit Jahresbeginn auch auf dem rumänischen Aktienmarkt zu verzeichnen.
Verstärkt wurde die Abwärtsbewegung des BET durch das sich eintrübende makroökonomische Umfeld
(Leistungsbilanzdefizit, Inflation) sowie die Schwäche der Lokalwährung. Brezinschek: "Auch wenn
ausreichend Unterstützungspotenzial etwa durch die Kapitalzuflüsse der Pensionsfonds für den
rumänischen Markt vorhanden ist, gehen wir in den nächsten Monaten von einem Anhalten der Turbulenzen
an den internationalen Finanzmärkten aus, welche auch an der Bukarester Börse nicht spurlos vorüberziehen
werden. Zusätzlich birgt die Konsensuserwartung von knapp 54 Prozent Gewinnwachstum noch genügend Gefahren
für Enttäuschungen."
Defensive Branchenausrichtung
Angesichts der zu erwartenden Rahmenbedingungen bevorzugt Stefan Maxian, Head of Company Research der Raiffeisen
Centrobank, defensive Sektoren.
Telekom
Dividendenstarke Telekomtitel stehen im Rampenlicht. "Die kroatische Hrvatske Telekom, die tschechische
Telefonica O2 und die ungarische Magyar Telekom weisen aktuell Dividendenrenditen jenseits der neun Prozent auf",
erklärte Maxian. "Der hohe Bestand an liquiden Mitteln, besonders bei Telefonica O2 und Hrvatske Telekom,
lassen die Unternehmen resistent gegenüber erhöhten Finanzierungskosten erscheinen und geben auch Spielraum
für eine mögliche Sonderdividende." Darüber hinaus gibt Maxian, für das nächste Quartal,
der polnischen TP SA aufgrund des angekündigten Aktienrückkaufprogramms und der relativ günstigen
Bewertung den Vorzug.
Versorger
Die Kursrückgänge der Versorger fielen durch die Fortsetzung der Ölpreis-Rallye weitgehend
moderat aus. Allerdings kann man auch im Versorgersektor ähnlich wie auf dem Gesamtmarkt höhere Risikoabschläge
beobachten, die sich auch in den Bewertungskennzahlen niederschlagen. Die zu erwartenden anhaltend hohen Energiepreise
kommen vor allem den Stromerzeugern CEZ und Verbund zugute. "Interessant ist darüber hinaus die EVN.
Ausschlaggebend dafür ist der hohe Wert der Beteiligung am Verbund, weshalb das Unternehmen operativ sehr
günstig bewertet ist", so Maxian.
Banken
Die noch nicht ausgestandenen Turbulenzen auf den Kredit- und Aktienmärkten werden die Ergebnisse
des ersten Quartals weiter belasten. Am stärksten betroffen dürften dabei Banken mit einem hohen Investmentbanking-Anteil
am Gesamtgeschäft sein. Die Ergebnisse der CEE-Banken sind im Allgemeinen lediglich von einem niedrigen Abschreibungsbedarf
geprägt, die Refinanzierungskosten sind jedoch gestiegen.
Beeinflusst wird die Marktstimmung insbesondere von der Berichtssaison, die sich vor allem für internationale
Banken als schwierig erweist. Vor diesem Hintergrund bevorzugt Maxian Banken mit hohen Einlagen, wie etwa die tschechische
Komercni Banka.
Ölsektor
"Die für Juli erwartete Entscheidung der EU-Kommission bezüglich der wettbewerbsrechtlichen
Bedingungen der Übernahme der MOL durch die OMV könnte für den Ölsektor zu einer Art Präzedenzfall
werden", zeigte sich Maxian überzeugt. Der Abbau staatlicher Schutzklauseln, wie sie bei vielen CEE-Ölfirmen
nach wie vor in Kraft sind, könnte zu einer weiteren Konsolidierungswelle in der Branche führen. Im derzeitigen
inflationären Umfeld haben Konzerne mit eigener Rohölförderung gegenüber reinen Raffinerie-Gruppen
einen Vorteil. Begünstigt durch die relativ hohen Ölvorkommen sind dabei OMV und Petrom.
Industriewerte
Als interessanter Titel erscheint Mayr-Melnhof im zweiten Quartal, da das Unternehmen durch einen hohen
Bestand an liquiden Mittel von gestiegenen Finanzierungskosten unberührt bleiben sollte. "Gleichzeitig
ist auf dem derzeitigen Bewertungsniveau ein starker Nachfragerückgang eingepreist, den wir allerdings nicht
erwarten", sagte Maxian.
Pharma
Unter den Pharmawerten bevorzugt Maxian die ungarische Gedeon Richter. Das Unternehmen sollte nach Übernahme
der polnischen Polpharma und der russischen OAO Akrihin zur Nummer eins in Mittel- und Osteuropa aufsteigen. Maxian:
"Diese Zusammenlegung führt zwar zu einer Verwässerung, aber auch zu einer Wertsteigerung, da ab
dem dritten Jahr jährliche Umsätze und Kostensynergien im Ausmaß von mindesten 35 Millionen US-Dollar
zu erwarten sind." |