Weiters Mehrheiten für Schweinefleischerstattungen und gegen Chlorbad
von Geflügelfleisch
Luxemburg,Wien (aiz/bmlfuw) - Die Ratstagung der EU-Agrarminister gestern in Luxemburg stand vor
allem im Zeichen von Fischereifragen. Bei den agrarischen Themen standen ein Meinungsaustausch der Minister zum
Update durch die Kommission über den aktuellen Stand der Doha-Entwicklungsrunde in der Welthandelsorganisation
WTO und der nach wie vor angespannte Schweinefleischmarkt in der EU im Zentrum des Interesses.
Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel warb bei den Ministern für die kürzlich bekannt gewordene Kompromisslinie
für sensible Produkte in der WTO. Die Kommission sieht diesen Kompromiss, der praktisch eine weitere Aufweichung
des Außenschutzes bei Zucker und Reis als Preis dafür enthält, Milchprodukte und den Rindfleischmarkt
weiterhin besser schützen zu können, als "akzeptierbar". Eine breite Reihe von Mitgliedstaaten
wie Österreich, Deutschland, Frankreich, Polen, Belgien und Litauen warfen aber der Kommission vor, mit diesem
in Genf ausgehandelten Kompromiss neuerlich Zugeständnisse bei der Landwirtschaft anzubieten, ohne dabei Entgegenkommen
für die Forderungen der EU bei Dienstleistungen und Industrieprodukten gefunden zu haben.
Diese Länder warnten davor, dass der Einfuhrpreis von Zucker durch Zugeständnisse der Kommission nach
einem WTO-Abschluss nicht ins Bodenlose sinken dürfe. Österreich steht dabei auf dem Standpunkt, die
EU habe durch ihre Zuckermarktreform auf diesem Markt schon sehr weitgehende Zugeständnisse gemacht. Einseitige
Zugeständnisse seien abzulehnen, so lange es vor allem im Bereich der nichtagrarischen Produkte (NAMA) kein
sichtbares Entgegenkommen gibt. In den nächsten Tagen wird zu den nichtagrarischen Produkten (NAMA) ein Papier
erwartet, heißt es aus dem Agrarressort. Weiters wird der Vorsitzende des WTO-Agrarausschusses Crawford Falconer
Ende April auch erst ein neues Gesamtpapier zum Stand des Agrarkapitels in der Doha-Runde vorlegen. Erst dann könne
man sich ein Urteil bilden, ob das Gesamtpaket in der WTO ausgewogen sei. Dennoch schloss die Kommission gegenüber
den Ministern nicht aus, dass möglicherweise ab 19.05. eine Ministerkonferenz der WTO in Genf zusammenkommen
und einen Anlauf wagen könnte, in der bisher stockenden Welthandelsrunde doch noch einen Durchbruch zu schaffen.
Rat will Nahrungsversorgung vertieft diskutieren - FAO-Konferenz in Innsbruck
Frankreich thematisierte am Rat die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln insbesondere in ärmeren Ländern.
Minister Michel Barnier stellte einen Zusammenhang mit einem "schlechten Ergebnis in der Doha-Runde"
her. Fehlender Außenschutz in Entwicklungs- und Industrieländern schwächte die Versorgung mit Nahrungsmitteln
und sei mit ein Grund für Hungerrevolten, so Barnier. Die Minister kamen überein, das Thema "Nahrungsversorgung"
aufgrund seiner Wichtigkeit auf einer der nächsten Ratstagungen, wahrscheinlich im Mai, vertiefen zu wollen.
Österreich machte den Rat auf die 26. Regionalkonferenz der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation
der Vereinten Nationen (FAO) von 26. bis 27.06. in Innsbruck aufmerksam. Dabei werden der Klimawandel und seine
Folgen insbesondere für Regionen behandelt sowie als Rezept für eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen
Räume die Förderung traditioneller, regionaltypischer Produkte in den Mittelpunkt gerückt. Die Herausforderungen
Welternährungssicherheit, Klimawandel und Bioenergie stehen weiters auch im Mittelpunkt einer weiteren FAO-Konferenz
von 03. bis 05.06. in Rom.
Schweinefleisch: Mehrheit der Mitgliedstaaten fordert Beibehaltung der Exporterstattungen
Weiters forderte eine Mehrheit der Mitgliedstaaten, darunter ebenfalls Österreich, auf Initiative Frankreichs
am Rat von der Kommission, die Exporterstattungen für Schweinefleisch dürften auf keinen Fall gesenkt
werden. Frankreich und Ungarn verlangten sogar eine Erhöhung, da die Schweinefleischpreise jüngst wieder
nachgegeben hätten. Zuletzt waren Vermutungen laut geworden, die Kommission wolle die Erstattungen am kommenden
Donnerstag im Verwaltungsausschuss senken. Fischer Boel wies dies letztlich zurück und unterstrich, die Kommission
habe nichts dergleichen vor.
Chemische Behandlung von Geflügelfleisch: Minister lehnen Chlorbad ab
In der EU sollen Salmonellen weiterhin durch Hygiene in Stall verhindert werden. Eine Behandlung von Geflügelfleisch
im Chlorbad lehnen die meisten EU-Agrarminister, so auch das österreichische Agrarressort, ab. Frankreich
brachte diesen Punkt am Rat zur Sprache, nachdem die Kommission offensichtlich überlegt, internationalem Druck
auf die Zulassung dieser chemischen Behandlung von Geflügelfleisch nachzugeben. Im Rat sprachen sich am Montag
in Luxemburg die Vertreter von 17 Mitgliedstaaten gegen Abweichungen vom bisherigen europäischen Weg in der
Salmonellenbekämpfung aus. "Wir lehnen im Interesse der Konsumenten und der Lebensmittelqualität
solche Zugeständnisse ab", heißt es dazu aus dem Wiener Landwirtschaftsministerium. Der Druck kommt
aus den USA. Die Amerikaner möchten, dass die EU den Import von mit Chlor behandeltem Geflügelfleisch,
so wie es in den USA gang und gäbe ist, wieder zulässt. EU-Industriekommissar Günther Verheugen
startete jüngst eine Initiative zur Schlichtung im transatlantischen Streit um das Chlorbad.
Die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) erklärte einige Desinfektionsmittel für Geflügel
kürzlich für unbedenklich. Frankreich und etliche andere Mitgliedstaaten sehen bei der Chlorbad-Behandlung
entgegen der EFSA jedoch die Gefahr, es könnten Bakterienresistenzen entstehen. Weiters sehen weitere Expertengremien
der EU damit erhebliche Umweltrisiken verbunden.
Formalpunkte: Einbeziehung jüngster Reformen in einheitliche Marktordnung - Feinstaub
In der Reihe der sogenannten A-Punkte (Abstimmung über Dossiers mit Einvernehmen im Vorfeld ohne weitere Debatte)
verabschiedeten die Minister unter anderem die rein formale Einbeziehung der jüngsten Reformen der Marktordnungen
für Zucker, Saatgut, Milch und Milchprodukte, Rind- und Kalbfleisch sowie Obst und Gemüse in das neue
einheitliche Marktordnungsschema der EU.
Als A-Punkt ging auch eine Neufassung der EU-Feinstaubrichtlinie durch diesen Rat. Diese räumt zahlreichen
Großstädten eine Frist bis 2011 ein, die eigentlich schon seit 2005 geltenden Feinstaub-Grenzwerte einzuhalten.
Allerdings wird zusätzlich ein neuer Grenzwert für Kleinstpartikel eingeführt. Auf diesen Kompromiss
hatten sich Europaparlament und EU-Regierungen im Dezember verständigt.
Fischerei: Kürzung der Dorschquoten Polens nach Überfischung
Bei den diesmal den Rat dominierenden Fischerei-Tagesordnungspunkten billigten die Minister eine Vereinbarung,
nach der Polen wegen Überfischung in den kommenden Jahren den Dorschfang in der Ostsee reduzieren muss. Darüber
haben sich zuvor die EU-Kommission und die polnische Regierung verständigt. Polen hatte die von der EU zugeteilte
Fangquote zuletzt um rund 8.000 t überschritten. Um diese Menge muss der Anteil nun in den kommenden Jahren
reduziert werden.
Ferner stand die illegale und unregulierte Fischerei als eine der größten Bedrohungen für die Fischbestände
und die gesamte Artenvielfalt der Meere im Mittelpunkt. Die bestehenden Gegenmaßnahmen sollen unter Erfassung
der gesamten Lieferkette verbessert werden. Weitere Fischereithemen waren die Bestanderholungspläne für
Kabeljau und Roten Thun, der Umsetzungsstand des Aktionsplans 2006 bis 2008 zur Vereinfachung und Verbesserung
der Gemeinsamen Fischereipolitik sowie das partnerschaftliche Fischereiabkommen zwischen der EU und Mauretanien. |