EU-Agrarminister: Mehrheit kritisiert WTO-Entgegenkommen der Kommission   

erstellt am
16. 04. 08

Weiters Mehrheiten für Schweinefleischerstattungen und gegen Chlorbad von Geflügelfleisch
Luxemburg,Wien (aiz/bmlfuw) - Die Ratstagung der EU-Agrarminister gestern in Luxemburg stand vor allem im Zeichen von Fischereifragen. Bei den agrarischen Themen standen ein Meinungsaustausch der Minister zum Update durch die Kommission über den aktuellen Stand der Doha-Entwicklungsrunde in der Welthandelsorganisation WTO und der nach wie vor angespannte Schweinefleischmarkt in der EU im Zentrum des Interesses.

Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel warb bei den Ministern für die kürzlich bekannt gewordene Kompromisslinie für sensible Produkte in der WTO. Die Kommission sieht diesen Kompromiss, der praktisch eine weitere Aufweichung des Außenschutzes bei Zucker und Reis als Preis dafür enthält, Milchprodukte und den Rindfleischmarkt weiterhin besser schützen zu können, als "akzeptierbar". Eine breite Reihe von Mitgliedstaaten wie Österreich, Deutschland, Frankreich, Polen, Belgien und Litauen warfen aber der Kommission vor, mit diesem in Genf ausgehandelten Kompromiss neuerlich Zugeständnisse bei der Landwirtschaft anzubieten, ohne dabei Entgegenkommen für die Forderungen der EU bei Dienstleistungen und Industrieprodukten gefunden zu haben.

Diese Länder warnten davor, dass der Einfuhrpreis von Zucker durch Zugeständnisse der Kommission nach einem WTO-Abschluss nicht ins Bodenlose sinken dürfe. Österreich steht dabei auf dem Standpunkt, die EU habe durch ihre Zuckermarktreform auf diesem Markt schon sehr weitgehende Zugeständnisse gemacht. Einseitige Zugeständnisse seien abzulehnen, so lange es vor allem im Bereich der nichtagrarischen Produkte (NAMA) kein sichtbares Entgegenkommen gibt. In den nächsten Tagen wird zu den nichtagrarischen Produkten (NAMA) ein Papier erwartet, heißt es aus dem Agrarressort. Weiters wird der Vorsitzende des WTO-Agrarausschusses Crawford Falconer Ende April auch erst ein neues Gesamtpapier zum Stand des Agrarkapitels in der Doha-Runde vorlegen. Erst dann könne man sich ein Urteil bilden, ob das Gesamtpaket in der WTO ausgewogen sei. Dennoch schloss die Kommission gegenüber den Ministern nicht aus, dass möglicherweise ab 19.05. eine Ministerkonferenz der WTO in Genf zusammenkommen und einen Anlauf wagen könnte, in der bisher stockenden Welthandelsrunde doch noch einen Durchbruch zu schaffen.

Rat will Nahrungsversorgung vertieft diskutieren - FAO-Konferenz in Innsbruck
Frankreich thematisierte am Rat die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln insbesondere in ärmeren Ländern. Minister Michel Barnier stellte einen Zusammenhang mit einem "schlechten Ergebnis in der Doha-Runde" her. Fehlender Außenschutz in Entwicklungs- und Industrieländern schwächte die Versorgung mit Nahrungsmitteln und sei mit ein Grund für Hungerrevolten, so Barnier. Die Minister kamen überein, das Thema "Nahrungsversorgung" aufgrund seiner Wichtigkeit auf einer der nächsten Ratstagungen, wahrscheinlich im Mai, vertiefen zu wollen.

Österreich machte den Rat auf die 26. Regionalkonferenz der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) von 26. bis 27.06. in Innsbruck aufmerksam. Dabei werden der Klimawandel und seine Folgen insbesondere für Regionen behandelt sowie als Rezept für eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume die Förderung traditioneller, regionaltypischer Produkte in den Mittelpunkt gerückt. Die Herausforderungen Welternährungssicherheit, Klimawandel und Bioenergie stehen weiters auch im Mittelpunkt einer weiteren FAO-Konferenz von 03. bis 05.06. in Rom.

Schweinefleisch: Mehrheit der Mitgliedstaaten fordert Beibehaltung der Exporterstattungen

Weiters forderte eine Mehrheit der Mitgliedstaaten, darunter ebenfalls Österreich, auf Initiative Frankreichs am Rat von der Kommission, die Exporterstattungen für Schweinefleisch dürften auf keinen Fall gesenkt werden. Frankreich und Ungarn verlangten sogar eine Erhöhung, da die Schweinefleischpreise jüngst wieder nachgegeben hätten. Zuletzt waren Vermutungen laut geworden, die Kommission wolle die Erstattungen am kommenden Donnerstag im Verwaltungsausschuss senken. Fischer Boel wies dies letztlich zurück und unterstrich, die Kommission habe nichts dergleichen vor.

Chemische Behandlung von Geflügelfleisch: Minister lehnen Chlorbad ab
In der EU sollen Salmonellen weiterhin durch Hygiene in Stall verhindert werden. Eine Behandlung von Geflügelfleisch im Chlorbad lehnen die meisten EU-Agrarminister, so auch das österreichische Agrarressort, ab. Frankreich brachte diesen Punkt am Rat zur Sprache, nachdem die Kommission offensichtlich überlegt, internationalem Druck auf die Zulassung dieser chemischen Behandlung von Geflügelfleisch nachzugeben. Im Rat sprachen sich am Montag in Luxemburg die Vertreter von 17 Mitgliedstaaten gegen Abweichungen vom bisherigen europäischen Weg in der Salmonellenbekämpfung aus. "Wir lehnen im Interesse der Konsumenten und der Lebensmittelqualität solche Zugeständnisse ab", heißt es dazu aus dem Wiener Landwirtschaftsministerium. Der Druck kommt aus den USA. Die Amerikaner möchten, dass die EU den Import von mit Chlor behandeltem Geflügelfleisch, so wie es in den USA gang und gäbe ist, wieder zulässt. EU-Industriekommissar Günther Verheugen startete jüngst eine Initiative zur Schlichtung im transatlantischen Streit um das Chlorbad.

Die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) erklärte einige Desinfektionsmittel für Geflügel kürzlich für unbedenklich. Frankreich und etliche andere Mitgliedstaaten sehen bei der Chlorbad-Behandlung entgegen der EFSA jedoch die Gefahr, es könnten Bakterienresistenzen entstehen. Weiters sehen weitere Expertengremien der EU damit erhebliche Umweltrisiken verbunden.

Formalpunkte: Einbeziehung jüngster Reformen in einheitliche Marktordnung - Feinstaub

In der Reihe der sogenannten A-Punkte (Abstimmung über Dossiers mit Einvernehmen im Vorfeld ohne weitere Debatte) verabschiedeten die Minister unter anderem die rein formale Einbeziehung der jüngsten Reformen der Marktordnungen für Zucker, Saatgut, Milch und Milchprodukte, Rind- und Kalbfleisch sowie Obst und Gemüse in das neue einheitliche Marktordnungsschema der EU.

Als A-Punkt ging auch eine Neufassung der EU-Feinstaubrichtlinie durch diesen Rat. Diese räumt zahlreichen Großstädten eine Frist bis 2011 ein, die eigentlich schon seit 2005 geltenden Feinstaub-Grenzwerte einzuhalten. Allerdings wird zusätzlich ein neuer Grenzwert für Kleinstpartikel eingeführt. Auf diesen Kompromiss hatten sich Europaparlament und EU-Regierungen im Dezember verständigt.

Fischerei: Kürzung der Dorschquoten Polens nach Überfischung
Bei den diesmal den Rat dominierenden Fischerei-Tagesordnungspunkten billigten die Minister eine Vereinbarung, nach der Polen wegen Überfischung in den kommenden Jahren den Dorschfang in der Ostsee reduzieren muss. Darüber haben sich zuvor die EU-Kommission und die polnische Regierung verständigt. Polen hatte die von der EU zugeteilte Fangquote zuletzt um rund 8.000 t überschritten. Um diese Menge muss der Anteil nun in den kommenden Jahren reduziert werden.

Ferner stand die illegale und unregulierte Fischerei als eine der größten Bedrohungen für die Fischbestände und die gesamte Artenvielfalt der Meere im Mittelpunkt. Die bestehenden Gegenmaßnahmen sollen unter Erfassung der gesamten Lieferkette verbessert werden. Weitere Fischereithemen waren die Bestanderholungspläne für Kabeljau und Roten Thun, der Umsetzungsstand des Aktionsplans 2006 bis 2008 zur Vereinfachung und Verbesserung der Gemeinsamen Fischereipolitik sowie das partnerschaftliche Fischereiabkommen zwischen der EU und Mauretanien.
 
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