Frühjahrsprognose 2008-2009   

erstellt am
28. 04. 08

Mäßigeres Wachstum und Sorge um Preisdruck – doch EU hält externem Gegenwind insgesamt gut stand
Brüssel (eu-int) - Nach der Frühjahrsprognose der Kommission wird sich das Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union von 2,8 % im Vorjahr auf 2 % 2008 und 1,8 % 2009 abschwächen (Euroraum: 2,6 % 2007, 1,7 % 2008 und 1,5 % 2009). Grund sind die anhaltenden Turbulenzen an den Finanzmärkten, die merkliche Konjunkturabschwächung in den Vereinigten Staaten und der sprunghafte Ansteig der Rohstoffpreise, die allesamt Spuren in der Weltkonjunktur hinterlassen. Dank gesunder Fundamentalfaktoren hält sich die EU-Wirtschaft jedoch relativ gut; im Zeitraum 2008-2009 dürften 3 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen, zusätzlich zu den 7 ½ Millionen, die schon 2006-2007 geschaffen wurden. Allerdings dürfte die Verbraucherpreisinflation in der EU aufgrund des steilen Preisanstiegs bei Energie und Lebensmitteln in diesem Jahr von 2,4 % 2007 zeitweise auf 3,6 % anziehen, bevor sie dann 2009 voraussichtlich wieder auf 2,4 % sinkt (die entsprechenden Werte für den Euroraum betragen 3,2 % bzw. 2,2 % gegenüber 2,1 % 2007).

„Das Wachstum in der EU und im Euroraum lässt nach, und der aktuelle importierte Inflationsdruck gibt Anlass zur Sorge. Auch wenn sich unsere Volkswirtschaften gegenüber externen Schocks bislang als widerstandsfähig erwiesen haben und wir damit rechnen, dass weiterhin - wenn auch weniger - Arbeitsplätze geschaffen werden, müssen wir doch an einer soliden makroökonomischen Politik festhalten und tunlichst vermeiden, dass eine Inflationsspirale in Gang kommt, die Familien mit niedrigem Einkommen besonders hart treffen würde“, so Wirtschafts- und Währungskommissar Joaquín Almunia.

In ihrer heute vorgestellten Wirtschaftsprognose rechnet die Kommission in der EU mit einem Wachstum von 2,0 % im Jahr 2008 und 1,8 % im Jahr 2009 (Euroraum: 1,7 % bzw. 1,5 %). Damit hat sie ihre Herbstprognose[1] um ½ Prozentpunkt gesenkt. Die tatsächlichen Wachstumsergebnisse 2007 betrugen für die EU 2,8 % und für den Euroraum 2,6 %.

Externe Schocks hinterlassen ihre Spuren ..

Die schwächeren Wirtschaftsaussichten sind die Folge der anhaltenden Finanzmarktkrise, einer merklichen Konjunkturverlangsamung in den USA – die nach Schätzungen der Kommission in diesem Jahr ein Wachstum von 0,9 % und 2009 von 0,7 % verzeichnen dürften, gegenüber 2,2 % 2007, sowie emporschnellender Rohstoffpreise und einer resultierenden Abkühlung des Weltwirtschaftswachstums.

In ihrem Basisszenario geht die Kommission davon aus, dass die Unsicherheit darüber, in welcher Größenordnung und wo noch Kreditausfälle auftreten werden, bis Ende dieses Jahres anhalten wird, bevor sie sich dann in der ersten Jahreshälfte 2009 allmählich legt. Dass bislang kaum Effekte sichtbar sind, könnte entweder bedeuten, dass die Wirkung mit größerer Verzögerung übertragen wird als erwartet, oder dass sich die Widerstandsfähigkeit der EU stärker verbessert hat als angenommen.

... und Inflationsdruck bereitet ganz ohne Zweifel Sorge
Die Inflation ist seit dem Herbst signifikant gestiegen und betrug im März in der EU auf Jahresbasis 3,8 % (Euroraum: 3,6 %). Dies spiegelt einen steilen Anstieg der weltweiten Energie- und Rohstoffpreise wider, der teilweise durch den stärkeren Euro aufgefangen wurde. Angesichts dessen rechnet die Kommission nun in diesem Jahr mit einer durchschnittlichen Inflation von 3,6 % in der EU und 3,2 % im Euroraum. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Inflation im zweiten Quartal 2008 ihren Höchststand erreichen und anschließend wieder auf niedrigere Werte von durchschnittlich 2,4 % im Jahr 2009 sinken wird (Euroraum: 2,2 %).

EU-Wirtschaft zeigt sich widerstandsfähig

Dank besserer Fundamentalfaktoren, die sich z.B. daran ablesen lassen, dass es keine makroökonomischen Ungleichgewicht gibt und die öffentlichen Finanzen in gesunder Verfassung sind, ist die EU-Wirtschaft immer noch relativ gut in der Lage, dem globalen Gegenwind zu trotzen. Sowohl das öffentliche Defizit als auch der Leistungsbilanzsaldo betrugen 2007 im EU-Durchschnitt weniger als 1 % des BIP, auch wenn die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten noch groß sind. Die Finanzlage der privaten Haushalte und Unternehmen hat sich in den letzten Jahren merklich verbessert, und die Arbeitslosenquote ist in der EU wie im Euroraum so niedrig wie seit über 15 Jahren nicht mehr.

Allerdings wird die EU-Wirtschaft nicht ungeschoren davonkommen. Die Abkühlung der überbewerteten Wohnungsmärkte und die konjunkturelle Abschwächung führen zu, dass die Investitionen langsamer wachsen. Auch das Wachstum des privaten Verbrauchs dürfte nachlassen, da sowohl die Beschäftigung als auch die Reallöhne in diesem Jahr nicht mehr so schnell steigen und das Verbrauchervertrauen unablässig schwindet.

Verbesserungen am Arbeitsmarkt und bei den öffentlichen Finanzen kommen zum Stillstand

Nachdem die Dynamik 2006-2007 deutlich zugenommen hatte, gibt der Arbeitsmarkt nun wieder nach, und das Beschäftigungswachstum dürfte in diesem Jahr nur noch halb so hoch ausfallen. Nach 1,7 % im Jahr 2007 wird in diesem Jahr mit einem Anstieg um 0,8 % und 2009 um 0,5 % gerechnet. Die Arbeitslosenquote dürfte in der EU dieses Jahr mit 6,8 % ihren Tiefststand erreichen (Euroraum: 7,2 %).

Trotz der nachlassenden Arbeitsmarktlage dürfte sich das Lohnwachstum von 2,9 % 2007 auf 3,8 % in diesem Jahr beschleunigen, da es durch einige Aufholmaßnahmen, z.B. in Deutschland, vorübergehend angekurbelt wird, bevor es sich im nächsten Jahr wieder auf 3,5 % abschwächt.

Das durchschnittliche öffentliche Defizit der EU, das mit 0,9 % des BIP (Euroraum: 0,6 %) das beste Ergebnis seit 2000 erreichte, dürfte 2008 wieder auf 1,2 % des BIP (Euroraum: 1,0 %) anwachsen, was auf das mäßigere Wachstum und auf Steuersenkungen in einigen Ländern zurückzuführen ist. Im Jahr 2009 dürfte sich das Defizit unter der Annahme einer unveränderten Politik weitgehend stabilisieren. Auch in struktureller Betrachtung dürften die öffentlichen Finanzen 2008 nicht weiter konsolidiert werden.

Abwärtsrisiken bestehen fort

Die Abwärtsrisiken ergeben sich im Wesentlichen aus den anhaltenden Turbulenzen an den Finanzmärkten, durch die sich die konjunkturelle Talfahrt der USA noch verschärfen könnte. Wie sich die Krise auf die Realwirtschaft auswirken wird, ist immer noch sehr ungewiss. Sollte sie sich stärker auswirken, könnte sich die laufende Korrektur an diversen Wohnimmobilienmärkten, namentlich in den USA, aber auch in der EU, verschärfen, so dass die Bilanzen in der Folge stärker unter Druck geraten könnten. Risiken aufgrund der Ungleichgewichte in einigen Ländern mit hohen Leistungsbilanzdefiziten und/oder Auslandsschulden könnten noch wachsen, wenn sich durch eine etwaige Vertiefung und/oder Ausweitung der Finanzkrise die Risikopräferenzen verschieben. Weitere Abwärtsrisiken ergeben sich aus einer ungeordneten Auflösung globaler Ungleichgewichte im Allgemeinen, selbst wenn der aktuelle Ausblick bereits eine Verbesserung des US-amerikanischen Leistungsbilanzdefizits erwarten lässt. Die künftigen Rohstoffpreise könnten eine weitere negative, aber auch eine positive Überraschung bereit halten.

Alles in allem stellen sich die Risiken ausgewogener dar als in der Herbstprognose 2007. Gleichwohl überwiegen bei den Wachstumsaussichten die Abwärtsrisiken, insbesondere 2009, während die Inflationsrisiken eher aufwärts gerichtet sind.
 
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