Beschluss fiel nach eingehender Debatte einstimmig
Wien (pk) - Der EU-Reformvertrag hat die nächste parlamentarische Hürde genommen. Nach
eingehender Debatte stimmte der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus des Bundesrats dem Vertrag
am 23.04. einhellig zu und machte damit den Weg frei für die Beratungen im Plenum der Länderkammer am
24.04. Diesem gehören, im Gegensatz zum Verfassungsausschuss, auch FPÖ- und BZÖ-MandatarInnen an.
Für eine Ratifizierung des Vertrags ist im Bundesrat wie im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.
Die Beratungen im Ausschuss für Verfassung und Föderalismus verliefen wenig kontroversiell. In mehreren
Themenblöcken diskutierten die BundesrätInnen mit den beiden StaatssekretärInnen Hans Winkler und
Heidrun Silhavy über die Grundsätze und Ziele des Vertrags, die geplanten institutionellen Reformen,
die stärkere Einbindung der nationalen Parlamente, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die
Energie- und Umweltpolitik, die soziale Dimension der EU und die Stärkung der Grund- und BürgerInnenrechte.
Außerdem waren der Vorsitzende der Landtagspräsidentenkonferenz, der Vorarlberger Landtagspräsident
Gebhard Halder, und der Europaexperte Klemens H. Fischer, nominiert von der Verbindungsstelle der Bundesländer,
zu den Beratungen beigezogen worden.
Nationale Parlamente werden gestärkt, regionale Ebene erhält Rechte
Eingangs der Debatte bekräftigte Staatssekretär Winkler erneut, dass der Vertrag zwar eine Reihe von
Verbesserungen in einzelnen Bereichen bringe, die Vertragsgrundlagen der Europäischen Union aber nicht grundlegend
verändere. Entgegen anderslautender Behauptungen gebe es auch in Hinkunft keinen EU-Bundesstaat, versicherte
er, eine solche massive Änderung der EU-Verträge hätte unter den EU-Ländern niemals eine Mehrheit
gefunden. Auch am Neutralitätsstatus Österreichs ändere der Vertrag nichts. Vielmehr würden,
so Winkler, institutionelle Verbesserungen vorgenommen und die EU fit für die Zukunft gemacht. Besonders hob
Winkler auch die Stärkung der nationalen Parlamente durch den Reformvertrag hervor. Bisher sind diese in der
EU seiner Meinung nach "ein wenig zu kurz gekommen".
Staatssekretärin Silhavy verwies unter anderem auf die positiven Impulse, die von der EU im Bereich der Regionalpolitik
ausgingen, und gab zu bedenken, dass viele aktuelle Probleme, etwa der Klimawandel, nationalstaatlich nicht gelöst
werden könnten. Den GegnerInnen des Reformvertrags gehe es nicht so sehr um den Reformvertrag, sondern generell
um einen Austritt Österreichs aus der EU, zeigte sie sich überzeugt. Allerdings würden sich, so
Silhavy, einer aktuellen Umfrage zufolge 61 % der ÖsterreicherInnen gegen einen EU-Austritt Österreichs
aussprechen.
Landtagspräsident Halder begrüßte in seiner Stellungnahme insbesondere die neuen Mitwirkungsrechte
der nationalen Parlamente in der europäischen Gesetzgebung, bedauerte allerdings gleichzeitig, dass nicht
auch den regionalen Parlamenten ein direktes Mitwirkungsrecht eingeräumt worden sei. Die Landtage würden
in diesem Sinn auf den Bundesrat setzen, unterstrich er und drängte auf eine weitere Verbesserung des Informationsflusses
zwischen Bundesrat und Ländern.
Den Landtagen sei es ein besonderes Anliegen, das Subsidiaritätsprinzip in der EU zu schärfen, bekräftigte
Halder. Auf der europäischen Ebene sollten nur jene Angelegenheiten geregelt werden, die tatsächlich
einer europäischen Regelung bedürfen, die EU solle nicht in alle Lebensbereiche eingreifen. Schließlich
sei der Reichtum Europas die Vielfalt, die gewahrt bleiben solle. Halder sieht, wie er sagte, einen gewissen Anlass
zur Hoffnung, dass das Subsidiaritätsprinzip in Europa künftig ernster als bisher genommen wird, wobei
es seiner Meinung nach am Bundesrat und an den Landtagen liegen werde, die neuen Möglichkeiten, die sich bieten,
zu nützen. Man müsse sich aktiv in den Prozess der europäischen Gesetzgebung einbringen.
Klemens Fischer, Mitglied der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU, hob hervor, dass es gelungen
sei, wichtige Anliegen aus österreichischer Sicht in den EU-Reformvertrag zu integrieren. Unter anderem nannte
er die Weiterentwicklung des Subsidiaritäts- und Proportionalitätsprinzips, die Stärkung des Ausschusses
der Regionen, die weitere Nennung der Grenz- und Bergregionen zu den förderwürdigen Regionen der EU,
die besondere Bedeutung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (so genannte Daseinsvorsorge) und die Beibehaltung
des Einstimmigkeitsprinzips in der Frage der Wasserressourcen. Ebenso habe Österreich eine klarere Abgrenzung
zwischen den Kompetenzen der Europäischen Union und den Kompetenzen der Mitgliedstaaten erreichen können.
Durch den EU-Reformvertrag würden die nationalen Parlamente erstmals ausdrücklich zu einer aktiven Beteiligung
an der Arbeit der Union eingeladen, unterstrich Fischer. Die regionale Ebene würde nicht nur anerkannt, vielmehr
würden ihr auch dezidiert Rechte verliehen. Auf eine Frage von Bundesrat Jürgen Weiss (V) bekräftigte
er, dass es zur Subsidiaritätskontrolle bereits wesentliche Vorarbeiten gebe und die diesbezüglichen
Gespräche mit den Landtagen und dem Bundesrat positiv verliefen.
Neue Rolle bietet Chancen für den Bundesrat
Seitens der Fraktionen erinnerte Bundesrat Albrecht Konecny (S) daran, dass Österreich seinerzeit ein deutliches
Ja zum EU-Verfassungsvertrag gesagt hat. Insofern wertete er es als erfreulich, dass über 90 % der Inhalte
des Verfassungsvertrags in den EU-Reformvertrag eingeflossen seien. Aufgrund der neuen Rolle der nationalen Parlamente
in der EU-Gesetzgebung erachtet es Konecny für erforderlich, dass der Bundesrat völlig neue Arbeitsmethoden
entwickle und etwa die Zusammenarbeit mit den Ländern intensiviere. Bei Bedenken gegenüber einem EU-Vorhaben
sei es außerdem wichtig, die anderen EU-Parlamente zu aktivieren, skizzierte er, genauso wie das österreichische
Parlament Bedenken anderer Parlamente großes Augenmerk widmen werde müssen.
Bundesrat Gottfried Kneifel (V) betonte, es sei notwendig, dem EU-Reformvertrag "das Mystische" zu nehmen
und ihn als das zu sehen, was er sei: eine weitere Etappe zu einem besseren, demokratischeren und bürgernäheren
Europa. Auf die nationalen Parlamente kommen seiner Meinung nach durch den Vertrag neue Herausforderungen zu, die
stärkeres Engagement und Einsatz der Mandatare erfordern, gleichzeitig aber auch neue Chancen bieten. So könnte
der Vertrag, Bundesrat Kneifel zufolge, in ein bestehendes Vakuum hineinstoßen und in Kooperation mit den
Ländern der EU-Kommission gegenübertreten, wenn diese gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoße.
Allerdings werde es in Zukunft durch die neuen Mitwirkungsmöglichkeiten auch nicht mehr so leicht sein, "denen
in Brüssel" die Schuld für etwas zu geben.
Für notwendig erachtet es Kneifel überdies, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen.
Die Politik dürfe Diskussionen nicht ausweichen, sondern müsse sich ihnen stellen, betonte er.
Bundesrat Stefan Stennach (G) äußerte sich "fassungslos" über die laufende "Desinformationskampagne"
zum EU-Reformvertrag und machte geltend, dass die Drohungen der EU-Gegner immer massiver würden. Gegen die
"hysterischen Elemente" würde man auch mit noch so guten Argumenten nicht ankommen, klagte er. Seiner
Ansicht nach wurde diese Entwicklung durch zwei Faktoren begünstigt: die Unlesbarkeit des EU-Reformvertrags
und die defensive Haltung der Regierung. Die Regierung hätte intensiver in den Dialog mit der Bevölkerung
eintreten müssen, erklärte Schennach, schließlich gebe es, was den EU-Reformvertrag betreffe, "nichts
zu verstecken", vielmehr werde die EU demokratischer. Offenbar sei Österreich in der EU aber noch nicht
angekommen.
Auch Bundesrat Reinhold Einwallner (S) verwies auf die Notwendigkeit, den Nutzen der EU für die Österreicherinnen
und Österreicher besser zu "vermarkten".
Sowohl Bundesrat Gerald Klug (S) als auch Gottfried Kneifel (V) unterstrichen die Wichtigkeit der sozialen Dimension
Europas. Auch wenn die EU diesbezüglich noch große Defizite aufweise und im Reformvertrag die Ambivalenz
der EU diesem Thema gegenüber deutlich zu spüren sei, böten der Artikel 9 des Vertrags sowie die
Sozialrechte im Rahmen der Grundrechte-Charta positive Ansätze, meinte Klug. Es gehe vor allem darum, ergänzte
Kneifel, entsprechende Werkzeuge wie die Sozialpartnerschaft bereitzustellen, um soziale Gerechtigkeit und soziale
Sicherheit zu gewährleisten.
Klemens Fischer stellte dazu fest, genauso wie die Umweltklausel müsse sich auch die Sozialklausel entwickeln.
Es komme darauf an, was die Mitgliedstaaten daraus machen.
FPÖ- und BZÖ-MandatarInnen sind in den Ausschüssen des Bundesrats mangels Fraktionsstatus nicht
vertreten. Der Nationalrat hat den EU-Reformvertrag bereits am 9. April mit breiter Mehrheit genehmigt. |