Brüssel (eu-int) - Die Europäische Kommission hat nach einer eingehenden Prüfung der Privatisierung
der Bank Burgenland auf der Grundlage der EG-Beihilfevorschriften entschieden, dass Österreich rund 55 Mio.
Euro von der österreichischen Versicherungsgruppe Grazer Wechselseitige (GRAWE) zurückfordern muss. Die
im Dezember 2006 eingeleitete Untersuchung (siehe IP/06/1849) ergab, dass sich die burgenländische Landesregierung
nicht wie ein marktwirtschaftlich handelnder Verkäufer verhalten hat, als sie die Bank Burgenland an die GRAWE,
die Bieterin mit dem zweithöchsten Angebot, verkauft und den Zuschlag nicht dem deutlich höheren Angebot
eines österreichisch-ukrainischen Konsortiums erteilt hat. In der Entscheidung der Kommission wird bekräftigt,
dass ein staatlicher Verkäufer seine Rolle als Verkäufer eines Vermögenswerts auf dem freien Markt
einerseits und als Träger der öffentlichen Gewalt, der der Bank Burgenland eine staatliche Beihilfe in
Form einer Bürgschaft gewährt hat, andererseits strikt voneinander trennen muss. Ein marktwirtschaftlich
handelnder Verkäufer hätte die aufgrund einer Bürgschaft bestehenden Verpflichtungen nicht berücksichtigt,
sondern dem höchsten Angebot den Zuschlag erteilt. Das Land Burgenland hat hingegen durch sein Vorgehen der
GRAWE einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil verschafft, der einer rechtswidrigen staatlichen Beihilfe gleichkommt.
Damit die Wettbewerbsverfälschung und der beihilfebedingte Vorteil beseitigt werden, muss Österreich
von der GRAWE daher die Beihilfe zurückfordern. Die Rückforderung erfolgt auf der Grundlage der Differenz
in Höhe von rund 55 Mio. Euro zwischen dem Preisangebot des österreichisch-ukrainischen Konsortiums und
dem von der GRAWE gezahlten Preis.
Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte: „Durch die Rückforderung der Beihilfe von der GRAWE wird
das Land Burgenland einen Betrag erhalten, der dem Wert der Bank Burgenland zum Zeitpunkt des Verkaufs entspricht.
Die Kommission ist in solchen Fällen verpflichtet, gegen Wettbewerbsverzerrungen vorzugehen.“
Die Kommission hatte im Jahr 2004 die Genehmigung einer Umstrukturierungsbeihilfe für die Bank Burgenland
an die Bedingung geknüpft, dass die Bank Burgenland privatisiert wird. Nach einer dritten, letztlich erfolgreichen
Ausschreibung verkaufte das Land Burgenland im März 2006 die Bank Burgenland für 100,3 Mio. Euro an die
GRAWE. Dabei hatte ein Konsortium, dem die österreichischen Unternehmen SLAV AG und SLAV Finanzbeteiligung
GmbH sowie die ukrainischen Aktiengesellschaften Ukrpodshipnik und Ilyich angehörten und das in der letzte
Phase der Ausschreibung der einzige andere verbliebene Bieter war, 155 Mio. Euro geboten.
Nach einer Beschwerde des Konsortiums leitete die Kommission ein förmliches Prüfverfahren ein (siehe
IP/06/1849), um zu untersuchen, ob auch ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter das niedrigere
Angebot der GRAWE als das beste Angebot betrachtet hätte. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte
Österreich auf staatliche Einnahmen in Höhe von rund 55 Mio. Euro verzichtet und der GRAWE einen wirtschaftlichen
Vorteil in derselben Höhe verschafft.
Die Untersuchung der Kommission ergab, dass die Entscheidung Österreichs in erheblichem Maße von der
bestehenden Ausfallhaftung beeinflusst war. Durch die Bürgschaft Österreichs waren zum Zeitpunkt des
Verkaufs Verbindlichkeiten der Bank Burgenland in Höhe von rund 3,1 Mrd. Euro abgesichert. Diese Haftung besteht
nach der Privatisierung für bereits eingegangene Verbindlichkeiten bis zum Jahr 2017 fort.
Nach Auffassung Österreichs sei der erheblich niedrigere Kaufpreis in Anbetracht des geringeren Risikos einer
Inanspruchnahme der Ausfallhaftung zu vertreten gewesen. Österreich machte ferner geltend, dass das Preisangebot
der GRAWE den in früheren Gutachten ermittelten Wert überstiegen habe und unter Berücksichtigung
der Gesamtumstände das beste Angebot gewesen sei.
Die Kommission ging bei ihrer beihilferechtlichen Würdigung von dem Grundsatz aus, dass die Rolle des Staates
als Marktteilnehmer (hier: Verkäufer eines Vermögenswertes) und dessen Rolle als Träger der öffentlichen
Gewalt (hier: Beihilfegeber) strikt voneinander zu trennen sind. Sie gelangte daher zu dem Schluss, dass die mit
der Ausfallhaftung verbundenen Risiken bei der Bewertung der Angebote nicht hätten berücksichtigt werden
dürfen: Der Staat hat die Haftung in Verfolgung eines Ziels von allgemeinem Interesse übernommen, nicht
aber um als Marktteilnehmer ein wirtschaftliches Ziel zu erreichen. Darüber hinaus stellte die Kommission
fest, dass selbst bei Berücksichtigung der Ausfallhaftung das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit der Bank
Burgenland im Falle ihres Verkaufs an das Konsortium im Vergleich zu dem entsprechenden Risiko beim Verkauf an
die GRAWE nicht hoch genug war, um den niedrigeren Kaufpreis der GRAWE zu rechtfertigen. Zudem wurde der Marktpreis
der Bank Burgenland im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ermittelt, so dass frühere Gutachten irrelevant
sind.
Die österreichischen Behörden machten außerdem geltend, dass die Finanzmarktaufsicht einen Verkauf
an das österreichisch-ukrainische Konsortium nicht genehmigt hätte. Die Kommission fand jedoch keine
Beweise für dieses Vorbringen.
Da es keinen objektiven, für einen marktwirtschaftlich handelnden Verkäufer akzeptablen Grund gibt, der
den Verkauf der Bank Burgenland zu einem deutlich niedrigeren Preis gerechtfertigt hätte, verschafft die Preisdifferenz
zwischen den beiden Angeboten der Käuferin GRAWE einen unzulässigen Vorteil gegenüber ihren Mitbewerbern
und stellt somit eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe dar, die zurückgefordert
werden muss.
Bei der Rückforderung der Beihilfe wird von der nominalen Preisdifferenz zwischen den beiden Angeboten in
Höhe von 54,7 Mio. Euro ausgegangen. Da sich die endgültigen Angebote in mehreren Punkten unterscheiden,
muss Österreich diesen nominalen Differenzbetrag entsprechend anpassen, um den genauen Beihilfebetrag zu ermitteln.
Hintergrund
Die Ausfallhaftung galt für die Bank Burgenland noch bis zu ihrer Privatisierung. In einer Vereinbarung
auf der Grundlage der EG-Beihilfevorschriften (siehe E 8/2002) verständigten sich die Kommission und Österreich
auf die Abschaffung der Ausfallhaftung zum 1. April 2007. |