Wien (bmj) - Justizministerin Maria Berger stellte am 29.04. das "Zweite Gewaltschutzgesetz" vor,
das dieser Tage in Begutachtung geht. Dieses enthält unter anderem eine Ausweitung der einstweiligen Verfügung,
Opferschutzregelungen auch für den Zivilprozess, die Einführung eines neuen Tatbestands der "beharrlichen
Gewaltausübung", die gerichtliche Aufsicht bei Sexualstraftätern verbunden mit dem Untersagen bestimmter
beruflicher Tätigkeiten, sowie die Schaffung einer Anzeigenpflicht für Personen, deren Fürsorge
ein Minderjähriger anvertraut ist.
Das neue Gewaltschutzgesetz wird einen Ausbau des Schutzes vor Gewalt durch einstweilige Verfügung enthalten.
So wird es künftig möglich sein, dass eine einstweilige Verfügung auch für Bereiche außerhalb
des Wohnbereichs ausgesprochen wird, etwa wenn dort ein Zusammentreffen mit dem Opfer zu erwarten wäre. Eine
Interessensabwägung hat das Gericht zu treffen. Hier soll es künftig eine einstweilige Verfügung
bis zu einem Jahr geben. Auch im Wohnungsbereich wird die einstweilige Verfügung ausgeweitet - und zwar von
derzeit maximal drei Monaten auf bis zu sechs Monaten. Wird gegen die einstweilige Verfügung verstoßen,
soll dem Gericht die Möglichkeit gegeben werden, die Geltungsdauer zu verlängern. Auch soll künftig
auch gegen Personen eine einstweilige Verfügung ausgesprochen werden, die nicht nahe Familienangehörige
sind.
Opferschutzregelungen, die sich im Strafverfahren bewährt haben, sollen im Zivilprozess übernommen werden,
also die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, die Geheimhaltung der Wohnanschrift des Opfers und die
schonende Einvernahme des Opfers an einem abgesonderten Ort, ohne mit dem Täter konfrontiert zu werden. "das
wird auch etwas kosten", ist Berger klar. Die voraussichtlichen Kosten für die Ausweitung der Prozessbegleitung
werden auf 1,5 Mio. Euro geschätzt, die Kosten für die Vernehmung an einem abgesonderten Ort ca. 100.000
Euro in der Erstanschaffung der Übertragungsgeräte und längerfristig 500.000 Euro. Die Prozessbegleitung
soll auch auf bestimmte Formen der Beeinträchtigung der Privatsphäre, die vom Opfer als belastend erfahren
werden, wie beispielsweise Wohnungseinbrüche, ausgeweitet werden.
Im Bereich des Strafrechts wird ein neuer Straftatbestand geschaffen, der einzelne Straftatbestände zusammenfasst,
die üblicherweise bei länger andauernden Gewaltdelikten zum Tragen kommen. Die Grundstrafdrohung soll
bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe betragen, qualifizierte Tatbestände reichen jedoch bis zu einer Strafdrohung
von 10 bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe.
Mit einer gerichtlichen Aufsicht sollen bei bedingt entlassenen Sexualstraftätern Weisungen zu Therapie und
Lebensführung, etwa dem Fernbleiben von Schulen und Kindergärten, das Anzeigen des Wohnungswechsels oder
die Ausübung eines Berufs, erteilt werden können. Zugleich soll es zu einer Ausdehnung der Probezeit
kommen. Das Gericht kann die Ausübung von Berufen, die mit der Gefahr einer neuerlichen Tatbegehung einhergehen,
untersagen. Auch soll das Gericht die Frist für die Tilgung einer im Strafregister aufscheinenden Straftat
verlängern können. Zugleich soll der Kreis der öffentlichen Stellen, die Auskunft über Sexualstraftäter
erhalten, auf alle mit der Jugendwohlfahrt betrauten öffentlichen Stellen ausgeweitet werden. Einsicht in
das Strafregister sollen allerdings keine Vereine wie etwa Jugendorganisationen erhalten.
Auch eine Anzeigepflicht für Personen, deren Fürsorge im weiteren Sinn ein Minderjähriger anvertraut
ist, soll umgesetzt werden. Erfasst sind etwa KindergärtnerInnen, LehrerInnen oder ÄrztInnen. Ausgenommen
soll sein, wer durch eine Strafanzeige sich selbst oder einen familienangehörigen der Strafverfolgung aussetzen
würde.
Wenn das Opfer noch nicht in der Lage ist, gegen den Beschuldigten auszusagen, soll dem Staatsanwalt die Möglichkeit
eingeräumt werden, mit Einvernahmen oder der Anklage bis zu sechs Monate zuzuwarten, bis das Opfer so weit
ist, dass es sich mit der Erinnerung an die erlittene Gewalt ohne neuerliche Beeinträchtigung konfrontieren
kann.
Abschließend plädierte Berger eindringlich, im Bezug auf den Inzest-Fall von Amstetten, die Privatsphäre
der Opfer zu berücksichtigen und die Opfer "in Ruhe zu lassen". Die Justizministerin verwies auf
die Strafbarkeit der Veröffentlichung von Photos und intimer Details, die nicht im öffentlichen Interesse
stehen. Ein schuldhaftes Verhalten der Behörden sieht Berger in dem Fall - soweit bisher bekannt - eher nicht,
da der mutmaßliche Täter "die Legende so gut abgesichert hat". Allerdings stelle sich die
Frage, weshalb nicht über die vermeintliche Sekte und deren Praktiken - aus denen ja angeblich drei Kinder
hervorgegangen sind - weiter recherchiert wurde. |