Berger schickt "Zweites Gewaltschutzgesetz" in Begutachtung   

erstellt am
29. 04. 08

Wien (bmj) - Justizministerin Maria Berger stellte am 29.04. das "Zweite Gewaltschutzgesetz" vor, das dieser Tage in Begutachtung geht. Dieses enthält unter anderem eine Ausweitung der einstweiligen Verfügung, Opferschutzregelungen auch für den Zivilprozess, die Einführung eines neuen Tatbestands der "beharrlichen Gewaltausübung", die gerichtliche Aufsicht bei Sexualstraftätern verbunden mit dem Untersagen bestimmter beruflicher Tätigkeiten, sowie die Schaffung einer Anzeigenpflicht für Personen, deren Fürsorge ein Minderjähriger anvertraut ist.

Das neue Gewaltschutzgesetz wird einen Ausbau des Schutzes vor Gewalt durch einstweilige Verfügung enthalten. So wird es künftig möglich sein, dass eine einstweilige Verfügung auch für Bereiche außerhalb des Wohnbereichs ausgesprochen wird, etwa wenn dort ein Zusammentreffen mit dem Opfer zu erwarten wäre. Eine Interessensabwägung hat das Gericht zu treffen. Hier soll es künftig eine einstweilige Verfügung bis zu einem Jahr geben. Auch im Wohnungsbereich wird die einstweilige Verfügung ausgeweitet - und zwar von derzeit maximal drei Monaten auf bis zu sechs Monaten. Wird gegen die einstweilige Verfügung verstoßen, soll dem Gericht die Möglichkeit gegeben werden, die Geltungsdauer zu verlängern. Auch soll künftig auch gegen Personen eine einstweilige Verfügung ausgesprochen werden, die nicht nahe Familienangehörige sind.

Opferschutzregelungen, die sich im Strafverfahren bewährt haben, sollen im Zivilprozess übernommen werden, also die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, die Geheimhaltung der Wohnanschrift des Opfers und die schonende Einvernahme des Opfers an einem abgesonderten Ort, ohne mit dem Täter konfrontiert zu werden. "das wird auch etwas kosten", ist Berger klar. Die voraussichtlichen Kosten für die Ausweitung der Prozessbegleitung werden auf 1,5 Mio. Euro geschätzt, die Kosten für die Vernehmung an einem abgesonderten Ort ca. 100.000 Euro in der Erstanschaffung der Übertragungsgeräte und längerfristig 500.000 Euro. Die Prozessbegleitung soll auch auf bestimmte Formen der Beeinträchtigung der Privatsphäre, die vom Opfer als belastend erfahren werden, wie beispielsweise Wohnungseinbrüche, ausgeweitet werden.

Im Bereich des Strafrechts wird ein neuer Straftatbestand geschaffen, der einzelne Straftatbestände zusammenfasst, die üblicherweise bei länger andauernden Gewaltdelikten zum Tragen kommen. Die Grundstrafdrohung soll bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe betragen, qualifizierte Tatbestände reichen jedoch bis zu einer Strafdrohung von 10 bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe.

Mit einer gerichtlichen Aufsicht sollen bei bedingt entlassenen Sexualstraftätern Weisungen zu Therapie und Lebensführung, etwa dem Fernbleiben von Schulen und Kindergärten, das Anzeigen des Wohnungswechsels oder die Ausübung eines Berufs, erteilt werden können. Zugleich soll es zu einer Ausdehnung der Probezeit kommen. Das Gericht kann die Ausübung von Berufen, die mit der Gefahr einer neuerlichen Tatbegehung einhergehen, untersagen. Auch soll das Gericht die Frist für die Tilgung einer im Strafregister aufscheinenden Straftat verlängern können. Zugleich soll der Kreis der öffentlichen Stellen, die Auskunft über Sexualstraftäter erhalten, auf alle mit der Jugendwohlfahrt betrauten öffentlichen Stellen ausgeweitet werden. Einsicht in das Strafregister sollen allerdings keine Vereine wie etwa Jugendorganisationen erhalten.

Auch eine Anzeigepflicht für Personen, deren Fürsorge im weiteren Sinn ein Minderjähriger anvertraut ist, soll umgesetzt werden. Erfasst sind etwa KindergärtnerInnen, LehrerInnen oder ÄrztInnen. Ausgenommen soll sein, wer durch eine Strafanzeige sich selbst oder einen familienangehörigen der Strafverfolgung aussetzen würde.

Wenn das Opfer noch nicht in der Lage ist, gegen den Beschuldigten auszusagen, soll dem Staatsanwalt die Möglichkeit eingeräumt werden, mit Einvernahmen oder der Anklage bis zu sechs Monate zuzuwarten, bis das Opfer so weit ist, dass es sich mit der Erinnerung an die erlittene Gewalt ohne neuerliche Beeinträchtigung konfrontieren kann.

Abschließend plädierte Berger eindringlich, im Bezug auf den Inzest-Fall von Amstetten, die Privatsphäre der Opfer zu berücksichtigen und die Opfer "in Ruhe zu lassen". Die Justizministerin verwies auf die Strafbarkeit der Veröffentlichung von Photos und intimer Details, die nicht im öffentlichen Interesse stehen. Ein schuldhaftes Verhalten der Behörden sieht Berger in dem Fall - soweit bisher bekannt - eher nicht, da der mutmaßliche Täter "die Legende so gut abgesichert hat". Allerdings stelle sich die Frage, weshalb nicht über die vermeintliche Sekte und deren Praktiken - aus denen ja angeblich drei Kinder hervorgegangen sind - weiter recherchiert wurde.
 
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