Staatspräsident Napolitano in Südtirol
Bozen (lpa) - Seine Besuche sollten die Aufmerksamkeit auf beispielhafte Realitäten lenken,
erklärte Staatspräsident Giorgio Napolitano am 28.04. in Bozen. In diesem Kontext sei auch sein Besuch
in Südtirol zu sehen, das er bei seinem Treffen mit der Landesregierung als "herausragendes Land"
bezeichnete. Die Südtiroler hätten viel aus den Möglichkeiten gemacht, die sie dank der Autonomie
hätten.
Gleich nach seiner Ankunft in Bozen war der Staatspräsident um kurz nach 11.00 Uhr von Landeshauptmann Luis
Durnwalder vor dem Palais Widmann empfangen und zu einem Vieraugengespräch in sein Büro gebeten worden.
Im Anschluss daran stand das Treffen mit der gesamten Landesregierung im Spiegelsaal des Palais Widmann auf dem
Programm, bei dem Durnwalder dem Gast einen Überblick über die Politik des Landes in den unterschiedlichsten
Themenbereichen gab: vom Verkehr über Umwelt und Energie bis hin zur Einwanderung.
Viel Wert legte der Landeshauptmann bei seinen Ausführungen auf die Besonderheiten der Autonomie, die nicht
einer einzigen Sprachgruppe zugute komme, sondern allen in Südtirol lebenden Bürgern. "Unsere Autonomie
ist eine dynamische und muss den gesellschaftlichen Veränderungen angepasst werden, ohne dass dabei an den
tragenden Säulen gerüttelt wird", so der Landeshauptmann, der die kommende Regierung an die Notwendigkeit
der Umsetzung der Alpenkonvention, der Ratifizierung des Madrider Abkommens über die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit der Regionen sowie der Berücksichtigung der Südtiroler Besonderheiten bei den Reformen
des Wahlrechts und des Föderalismus' erinnerte und den Staatspräsidenten um seine Unterstützung
ersuchte.
Staatspräsident Napolitano fand seinerseits lobende Worte für das Land. Südtirol sei, so der Staatspräsident,
keine autonome Region wie andere, nachdem seine Autonomie auf einem internationalen Abkommen beruhe. "Das
Gruber-Degasperi-Abkommen ist die Grundlage eines erfolgreichen Modells", so Napolitano, der Südtirol
als "herausragendes Land" bezeichnete und die Landesregierung dafür lobte, dass sie es geschafft
habe, die ihr durch die Autonomie zukommenden Möglichkeiten "fruchtbar und vorbildhaft" zu nutzen.
Auch Napolitano betonte, dass die Autonomie an die sich ändernden Verhältnisse angepasst werden solle.
Dies sei eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe, bei der der verfassungsrechtlich garantierte Schutz der
Minderheiten im Mittelpunkt stehen solle, so der Staatspräsident. Napolitano nannte den Kosovo als negatives
Beispiel einer "Entwicklung weg von den Bemühungen eines friedlichen Zusammenlebens verschiedener Volksgruppen
hin zu einem monoethnischen Kleinstaat".
Es gebe, so der Staatspräsident, auch Schattenseiten des Südtiroler Erfolgs, etwa das hohe Preisniveau,
doch sei das Land als Modell vor Augen zu halten, wenn man über den Föderalismus auch in steuerlicher
Hinsicht diskutiere.
Begnadigung, Autonomie, Verkehr
Drei Themen standen im Mittelpunkt des Vieraugengesprächs von Landeshauptmann Luis Durnwalder mit
Staatspräsident Giorgio Napolitano: die Begnadigung der letzten Südtirol-Aktivisten, die Entwicklung
der Autonomie sowie der Verkehr und geeignete Maßnahmen zu dessen Eindämmung.
Fünf ehemalige Südtirol-Aktivisten harren derzeit noch ihrer Begnadigung, darunter drei Südtiroler.
Ihr Schicksal hat Landeshauptmann Durnwalder heute zum wiederholten Male auf den Tisch gebracht und Staatspräsident
Napolitano um dessen Begnadigung ersucht. "Ich bin der Meinung, dass wir einen Schlussstrich unter dieses
historische Kapitel ziehen sollten", so der Landeshauptmann. Vor allem für die drei verbliebenen Südtiroler
unter den noch nicht begnadigten Aktivisten sei das Schicksal ein hartes: "Sie sollten unserer Meinung nach
die Möglichkeit bekommen, in ihre Heimat zurückkehren und hier ihren Lebensabend verbringen zu können",
erklärte Durnwalder dem Staatspräsidenten gegenüber. Napolitano erinnerte in diesem Zusammenhang
an die geltende Rechtsordnung, die eine Begnadigung vor dem gegebenen Hintergrund nur in Ausnahmefällen vorsehe.
"Trotzdem hat mir der Staatspräsident versichert, dass er das Thema weiter verfolgen werde", so
der Landeshauptmann heute nach dem Gespräch.
Zweites, von Durnwalder aufs Tapet gebrachtes Thema war die Autonomie und deren Entwicklung. "Ich habe dem
Präsidenten erklärt, dass es dem friedlichen Zusammenleben in unserem Lande zuträglich wäre,
wenn man die internationalen Wurzeln unserer Autonomie nicht in regelmäßigen Abständen in Zweifel
ziehen würde", so der Landeshauptmann, der Napolitano zudem ersuchte, über den Schutz der Minderheiten
zu wachen. Der Staatspräsident selbst wies heute darauf hin, dass Südtirol keine autonome Region sei,
wie es andere in Italien gebe, sondern die einzige, die auf einem internationalen Fundament ruhe. Er unterstrich,
dass Änderungen am Statut nur dann vorgenommen werden könnten, wenn diese im Interesse der Südtiroler
und im Einvernehmen mit ihnen erfolgten.
Thema Nummer drei war das Verkehrsproblem in Südtirol. "Unsere Bürger, vor allem jene im Eisacktal
und im Unterland, sind sehr besorgt über die Zunahme des Verkehrs und die negativen Auswirkungen, die daraus
erwachsen", so der Landeshauptmann, der dem Staatspräsidenten heute auch ein Memorandum der Vereinigung
"Lebenswertes Unterland" übergeben hat, nachdem diese nicht die Möglichkeit bekommen hatte,
das Schriftstück Napolitano direkt zu übergeben. "Ich habe den Staatspräsidenten ersucht, uns
bei gezielten Maßnahmen gegen ein weiteres Anwachsen des Verkehrs zu unterstützen", so Durnwalder.
Er nannte dabei die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene (und dort in den Tunnel)
sowie eine gerechte Tarifpolitik auf der Straße als Beispiele. "Für letztere ist es notwendig,
dass die Mautgebühren in Europa harmonisiert werden, sodass die Unternehmer aus wirtschaftlichen Gründen
den kürzesten Weg wählen und Umwegverkehr vermieden wird", so Durnwalder, der von Napolitano in
dieser Ansicht bestätigt wurde. |