Fachzeitschrift zeichnet Ionenphysiker der Universität Innsbruck aus
Innsbruck (universität) - Vor fünf Jahren eröffneten die Innsbrucker Ionenphysiker
um Prof. Tilmann Märk ein neues Forschungsfeld: Sie untersuchten die Wechselwirkung langsamer Elektronen mit
Bestandteilen der Erbsubstanz DNA. Eine der ersten Forschungsarbeiten dazu erschien im Jahr 2003 in der Fachzeitschrift
Chemical Physics Letters. Nun wurde die Publikation als meistzitierte Arbeit dieser Zeitschrift in den vergangenen
fünf Jahren ausgezeichnet.
„Unsere Forschungen zur Wechselwirkung von langsamen Elektronen mit den Bausteinen des Lebens, den Bestandteilen
der DNA, haben die Tür zu einem völlig neuen Forschungsgebiet aufgestoßen“, freuen sich Prof. Paul
Scheier und Prof. Tilmann Märk von der Arbeitsgruppe Nano-Bio-Physik am Institut für Ionenphysik und
Angewandte Physik der Universität Innsbruck. Sie hatten Anfang dieses Jahrzehnts damit begonnen, die Auswirkungen
der zunächst für harmlos gehaltenen langsamen Elektronen auf die Struktur des Erbguts zu untersuchen.
Jede hochenergetische Strahlung hinterlässt im biologischen Gewebe eine Spur von langsamen Elektronen. Dem
Team um Scheier und Märk gelang der Nachweis, dass die zerstörerische Wirkung der Strahlung auf die Reaktionen
der DNA-Moleküle mit diesen niederenergetischen Elektronen zurückzuführen ist. In der nun ausgezeichneten
Forschungsarbeit (Electron attachment to the DNA bases thymine and cytosine. Chem. Phys. Lett. 1-2/377 (2003),
74-80) hatten die Wissenschaftler im Jahr 2003 die ersten Ergebnisse über die Wechselwirkung der langsamen
Elektronen mit den DNA-Bausteinen Thymin und Cytosin veröffentlicht. Forscher aus aller Welt haben inzwischen
auf diese Arbeit Bezug genommen. Nun wurde sie zum meistzitierten Beitrag der Fachzeitschrift Chemical Physics
Letters in den vergangenen fünf Jahren gekürt.
Biomoleküle im Visier
Die Gruppe um Märk und Scheier hat in der Zwischenzeit zahlreiche weitere Arbeiten auf diesem Gebiet in den
renommierten Physik- und Chemie-Zeitschriften Physical Review Letters und Angewandte Chemie Int. Ed. veröffentlicht.
Grundlage für diese Untersuchungen ist eine weltweit einzigartige Technologie, die an der Universität
Innsbruck entwickelt wurde: Dabei werden die Moleküle verdampft und dann mit langsamen Elektronen beschossen.
Für die Messung verwenden die Forscher einen hemisphärischen Elektronenmonochromator mit einer Energieauflösung
von weniger als 100 meV. „Diese Energiebreite ist für Messungen an Biomolekülen weltweit unerreicht“,
ist Prof. Scheier stolz. „Durch stundenlange Messreihen erreichen wir außerdem ein unübertroffenes Signal-Rausch-Verhältnis.
Wir können die Streuprozesse zwischen Elektronen und den Biomolekülen daher um eine Größenordnung
genauer messen als die Konkurrenz. Die Daten in der ausgezeichneten Arbeit stellen deshalb anerkannte Richtwerte
für die DNA-Moleküle dar.“
Dem Ursprung des Lebens auf der Spur
Erstmals kann damit auf molekularer Ebene die schädliche Wirkung von Strahlung auf biologische Prozesse simuliert
und physikalisch wie auch chemisch analysiert werden. Relevant sind diese Forschungen nicht nur für die Grundlagenwissenschaft,
sondern auch für die Medizin. So kann das gewonnene Wissen einerseits zur Vermeidung von Strahlenschäden
beitragen und andererseits dabei helfen, die schädlichen Nebenwirkungen bei strahlentherapeutischen Behandlungen
von Krankheiten zu reduzieren. Die gleiche Technologie nutzen die Forscher übrigens auch dazu, die Entstehung
des Lebens vor mehreren Milliarden Jahren im Labor zu simulieren. In winzigen, ultrakalten Heliumtröpfchen
synthetisieren sie die Bausteine der DNA und stellen damit die Bildung von komplexen Molekülen in interstellaren
Wolken, den Gas- und Staubansammlungen im Weltall, nach. Auch hier lassen sich die Effekte der langsamen Elektronen,
die durch energiereiches Licht in diesen Wolken erzeugt werden, auf Biomoleküle untersuchen. So könnte
irgendwann auch die Frage geklärt werden, wie komplexe Biomoleküle einst überhaupt entstehen konnten. |