Meistzitierte Forschungsarbeit der vergangenen fünf Jahre   

erstellt am
29. 04. 08

Fachzeitschrift zeichnet Ionenphysiker der Universität Innsbruck aus
Innsbruck (universität) - Vor fünf Jahren eröffneten die Innsbrucker Ionenphysiker um Prof. Tilmann Märk ein neues Forschungsfeld: Sie untersuchten die Wechselwirkung langsamer Elektronen mit Bestandteilen der Erbsubstanz DNA. Eine der ersten Forschungsarbeiten dazu erschien im Jahr 2003 in der Fachzeitschrift Chemical Physics Letters. Nun wurde die Publikation als meistzitierte Arbeit dieser Zeitschrift in den vergangenen fünf Jahren ausgezeichnet.

„Unsere Forschungen zur Wechselwirkung von langsamen Elektronen mit den Bausteinen des Lebens, den Bestandteilen der DNA, haben die Tür zu einem völlig neuen Forschungsgebiet aufgestoßen“, freuen sich Prof. Paul Scheier und Prof. Tilmann Märk von der Arbeitsgruppe Nano-Bio-Physik am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck. Sie hatten Anfang dieses Jahrzehnts damit begonnen, die Auswirkungen der zunächst für harmlos gehaltenen langsamen Elektronen auf die Struktur des Erbguts zu untersuchen. Jede hochenergetische Strahlung hinterlässt im biologischen Gewebe eine Spur von langsamen Elektronen. Dem Team um Scheier und Märk gelang der Nachweis, dass die zerstörerische Wirkung der Strahlung auf die Reaktionen der DNA-Moleküle mit diesen niederenergetischen Elektronen zurückzuführen ist. In der nun ausgezeichneten Forschungsarbeit (Electron attachment to the DNA bases thymine and cytosine. Chem. Phys. Lett. 1-2/377 (2003), 74-80) hatten die Wissenschaftler im Jahr 2003 die ersten Ergebnisse über die Wechselwirkung der langsamen Elektronen mit den DNA-Bausteinen Thymin und Cytosin veröffentlicht. Forscher aus aller Welt haben inzwischen auf diese Arbeit Bezug genommen. Nun wurde sie zum meistzitierten Beitrag der Fachzeitschrift Chemical Physics Letters in den vergangenen fünf Jahren gekürt.

Biomoleküle im Visier

Die Gruppe um Märk und Scheier hat in der Zwischenzeit zahlreiche weitere Arbeiten auf diesem Gebiet in den renommierten Physik- und Chemie-Zeitschriften Physical Review Letters und Angewandte Chemie Int. Ed. veröffentlicht. Grundlage für diese Untersuchungen ist eine weltweit einzigartige Technologie, die an der Universität Innsbruck entwickelt wurde: Dabei werden die Moleküle verdampft und dann mit langsamen Elektronen beschossen. Für die Messung verwenden die Forscher einen hemisphärischen Elektronenmonochromator mit einer Energieauflösung von weniger als 100 meV. „Diese Energiebreite ist für Messungen an Biomolekülen weltweit unerreicht“, ist Prof. Scheier stolz. „Durch stundenlange Messreihen erreichen wir außerdem ein unübertroffenes Signal-Rausch-Verhältnis. Wir können die Streuprozesse zwischen Elektronen und den Biomolekülen daher um eine Größenordnung genauer messen als die Konkurrenz. Die Daten in der ausgezeichneten Arbeit stellen deshalb anerkannte Richtwerte für die DNA-Moleküle dar.“

Dem Ursprung des Lebens auf der Spur

Erstmals kann damit auf molekularer Ebene die schädliche Wirkung von Strahlung auf biologische Prozesse simuliert und physikalisch wie auch chemisch analysiert werden. Relevant sind diese Forschungen nicht nur für die Grundlagenwissenschaft, sondern auch für die Medizin. So kann das gewonnene Wissen einerseits zur Vermeidung von Strahlenschäden beitragen und andererseits dabei helfen, die schädlichen Nebenwirkungen bei strahlentherapeutischen Behandlungen von Krankheiten zu reduzieren. Die gleiche Technologie nutzen die Forscher übrigens auch dazu, die Entstehung des Lebens vor mehreren Milliarden Jahren im Labor zu simulieren. In winzigen, ultrakalten Heliumtröpfchen synthetisieren sie die Bausteine der DNA und stellen damit die Bildung von komplexen Molekülen in interstellaren Wolken, den Gas- und Staubansammlungen im Weltall, nach. Auch hier lassen sich die Effekte der langsamen Elektronen, die durch energiereiches Licht in diesen Wolken erzeugt werden, auf Biomoleküle untersuchen. So könnte irgendwann auch die Frage geklärt werden, wie komplexe Biomoleküle einst überhaupt entstehen konnten.
 
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