Neuer "Lehrweg" im Oberpinzgau mit den Schwerpunkten "Metamorphose der Pflanze"
und Goethes "Farbenlehre"
Salzburg (lk) - Im Trattenbachtal, durch das die Gemeindegrenze zwischen Neukirchen am Großvenediger
und Wald im Pinzgau verläuft, wurde mit dem Goetheweg ein "Lehrweg" der besonderen Art eröffnet.
Der Goetheweg führt über sieben Stationen vom Gasthof Rechtegg zur Trattenbachalm, über einen Abstecher
vom obersten Wegabschnitt gelangt man zum Geschützten Landschaftsteil "Hinteres Filzenschartenmoos",
wo die von Christian Hitsch geschaffene Skulptur "Schlangenstein" (auch "Metamorphosestein")
aus weißem Kalkmarmor nicht nur einen schönen Aussichtspunkt, sondern auch einen "Kraftplatz"
markiert. Das Besondere an diesem Weg ist, dass er einerseits auf einem in etwa zweieinhalb Stunden leicht zu begehenden,
beschilderten Almweg durch eine großartige Landschaft mit einer reichhaltigen Natur führt, dass man
aber andererseits diese an den sieben Stationen auch mit den "Augen und Gedanken" Goethes erleben kann.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) ist vor allem als Dichterfürst der Weimarer Klassik bekannt, war
aber auch ein begeisterter und anerkannter Naturforscher, der die Naturwissenschaften als Gestalt- oder Lebenswissenschaften
verstand. Seine tiefe Empfänglichkeit für das Verborgene in allem Sichtbaren führte ihn zu der Entdeckung
des Metamorphoseprinzips, das in allen Pflanzenbildungen wirksam ist. Für das künstlerische Konzept und
die Gestaltung konnte mit dem Künstler und Architekten Christian Hitsch ein profunder Kenner des universellen
Werks Goethes gewonnen werden. Die Texte erstellte Mag. Günther Nowotny, Naturschutz-Sachverständiger
und Vorstandsmitglied des Vereins Tauriska, der auch die redaktionelle Leitung übernahm. Die Projektabwicklung
lag in den Händen von Susanna Vötter-Dankl und Christian Vötter vom Verein Tauriska.
Weitere Projektpartner waren die Abteilung Naturschutz des Amtes der Salzburger Landesregierung, vertreten durch
Hofrat Dr. Kurt Trenka, die Gemeinde Neukirchen am Großvenediger, die Salzburg AG, die Ferienregion Nationalpark
Hohe Tauern sowie die Familie Kröll und die Österreichische Bundesforste AG als Grundeigentümer.
Das Projekt konnte nur mit Hilfe von Leader + (gefördert von der Europäischen Union) finanziert werden.
Die Stationen des Goetheweges
An den sieben Stationen sind durch die Gestaltung die "Metamorphose der Pflanze" und Goethes "Farbenlehre"
nachvollziehbar. Die Tafeln symbolisieren mit ihren einfachen, künstlerisch zeichenhaften Formen die Entwicklung
einer Pflanze vom Samenkorn über die Entwicklung der Laubblätter, die Entfaltung von Kelch und Blüte,
den Vorgang der Befruchtung (Staub- und Fruchtblatt) und die nachfolgende Fruchtentwicklung, bis sich mit dem reifenden
Samen der Kreislauf wieder schließt. Die Kontinuität auf dieser Wanderung ergibt sich zusätzlich
durch die in Strophen aufgeteilte Elegie "Die Metamorphose der Pflanze", die Goethe an Christiane
Vulpius, seine spätere Gattin, richtete. Inhaltlich werden interessante Informationen über Natur und
Landschaft im Trattenbachtal und darüber hinaus vermittelt. Zusätzlich wurde ein Bezug zwischen der fachlichen
Information auf den Tafeln und dem jeweiligen Metamorphosestadium hergestellt.
Beim Gasthof Rechtegg ist auf einer Übersichtstafel der Wegverlauf dargestellt und das den Goetheweg charakterisierende
Metamorphoseprinzip erläutert. Die erste Tafel ("Keimblatt") beschäftigt sich mit dem geologischen
Aufbau der Tauernregion als Basis der Landschaft und Hort bedeutender Bodenschätze. Beim Speicher Trattenbach
behandelt die zweite Tafel ("Laubblatt") den Fischpass, der die Durchgängigkeit der Lebensader Bach
sicherstellt. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Energieerzeugungsprozess, der in der Gestaltung
der Krafthäuser im Trattenbachtal durch Architekt Hitsch zum Ausdruck kommt, ist Thema der dritten Tafel ("Kelchblatt").
Die vierte Tafel ("Blütenblatt") setzt sich mit der attraktiven Kulturlandschaft der "Pinzgauer
Grasberge" mit ihrem harmonischen Nebeneinander von Almwiesen, Wäldern und Felsformationen als Ergebnis
eines Jahrhunderte langen "Wirtschaftens mit der Natur" auseinander. Vor der fünften Tafel ("Staubblatt"),
auf der das Naturkleinod "Hinteres Filzenschartenmoos" vorgestellt wird, kann man den Abstecher in nördlicher
Richtung zum "Schlangen- oder Metamorphosestein" unternehmen. Auf der sechsten Tafel ("Fruchtblatt")
sind die Überlebenskunst und die schlichte Schönheit der an die besonderen Bedingungen im kargen Lebensraum
Moor speziell angepassten Pflanzen und Tiere exemplarisch beschrieben. Die siebte und letzte Tafel ("Samenblatt")
bei der Trattenbachalm hat die besonderen Herausforderungen des Bauens und der Energieversorgung im Gebirge zum
Inhalt.
Zum Goetheweg wurde auch mit demselben Farbkonzept ein Faltblatt erstellt. Auf einem Beilageblatt ist der komplette
Text der Elegie "Die Metamorphose der Pflanze" abgedruckt. Eine Vorstellung im Internet ist in Arbeit.
Ein neues touristisches Angebot
Der Goetheweg stellt ein völlig neuartiges Lehrwegangebot dar. Einmal bietet er auf künstlerisch ansprechend
gestalteten Tafeln Informationen über Natur und Landschaft, vor allem aber eine wunderbare Gelegenheit zu
einer Auseinandersetzung mit der Gedankenwelt des Universalgenies Goethe. Dies erfordert aber Zeit und daher versteht
sich der Goetheweg auch als Einladung zur "Entschleunigung" in unserer von Hektik geprägten Zeit.
Der Gestaltwandel, der mit dem Zeitwandel untrennbar verbunden ist, kann hier ebenso erlebt werden wie die Harmonie
von Mensch und Natur mit ihren heilbringenden und gesundenden Lebenskräften in einer beeindruckenden Landschaft,
die es aber auch weiterhin zu erhalten und zu schützen gilt. |