Tiefsee-Methanfresser eingefangen   

erstellt am
14. 05. 08

Leipzig/Pasadena (idw) - Erstmals ist es gelungen, syntrophisch lebende (also sich gegenseitig fütternde) Tiefsee-Mikroorganismen, die den Austrag von Methan aus dem Ozeanboden in die Atmosphäre entscheidend verringern, aufzureinigen und ihre Genome zu sequenzieren. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und des California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena untersuchten Mikroorganismen, die unter Ausschluss von Sauerstoff (anaerob) Methan oxidieren und damit einen wichtigen Baustein im globalen Kohlenstoffkreislauf darstellen. Diese Methan oxidierenden Mikroorganismen "fressen" mehr als 80 Prozent des Methans - ein 20fach stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid - welches sich kontinuierlich aus riesigen Methanhydrat-Lagern im Ozeanboden löst. Obwohl die Bedeutung dieser Mikroorganismen für das Klima der Erde seit 1999 bekannt ist und verschiedenste Forschergruppen weltweit an der Isolierung dieser Gemeinschaften von Archaeen-Bakterien arbeiten, war dies bisher nicht gelungen. Die Forscher um Dr. Annelie Pernthaler vom UFZ entwickelten ein neues molekularbiologisches Verfahren, um ausgewählte Spezies an Mikroorganismen von hochkomplexen natürlichen Gemeinschaften zu trennen, um diese dann isoliert genauer zu untersuchen. Die Ergebnisse sind überraschend: Neben der Identifizierung aller für die anaerobe Methanoxidation verantwortlichen Gene, wurden neue bakterielle Partner dieser syntrophischen Mikroorganismen entdeckt sowie die Fähigkeit zur Stickstoff (N2) Fixierung demonstriert. Die Arbeit wurde in der aktuellen Ausgabe der renommierten amerikanischen Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) publiziert.

Die Schönheit der kleinen Dinge ans Licht gebracht
Mikroorganismen sind die verborgende Mehrheit auf unserem Planeten: Es gibt mehr als 100 Millionen Mal mehr mikrobielle Zellen als Sterne im sichtbaren Universum. Zusammen bilden sie mehr als 90 Prozent der gesamten Biomasse auf der Erde. Doch wir wissen bisher nur sehr wenig darüber, was die meisten dieser Mikroorganismen eigentlich tun. Nicht nur ihre geringe Größe erschwert es, sie zu untersuchen. Die meisten Mikroorganismen wachsen im Labor nicht, was jegliche Untersuchung sehr erschwert bzw. unmöglich macht. Die Entwicklung neuer molekulare Techniken erlaubt jetzt die Erforschung von mikrobiellen Gemeinschaften dort wo sie leben: in der Natur. Unser Wissensschatz über die Fähigkeiten von Mikroorganismen erweitert sich dadurch explosionsartig. Eine dieser Techniken ist die Genomsequenzierung, also das Lesen des genetischen Codes eines Organismus, welche an einzelnen Organismen sehr gut funktioniert, wie biespielsweise bei der Sequenzierung des menschlichen Genoms. Leider ist die hohe Komplexität natürlicher mikrobieller Gemeinschaften ein großes Problem. Dieses Sammelsurium an Genen ist kaum einzelnen Organismen noch ganzen Stoffwechselprozessen zuzuordnen - vergleichbar mit einem Puzzle, dass eine Milliarde Teilchen hat, man besitzt aber nur knapp 300 und muss nun versuchen herauszufinden, wo welches Teilchen hingehört und wie das ganze Bild aussehen könnte. Wissenschaftler des UFZ und des Caltech haben nun ein Verfahren entwickelt, das dieses Problem löst. Dr. Annelie Pernthaler und Kollegen markierten die Mikroorganismen, die sie interessierten mit winzigen Eisenkügelchen und zogen sie mit einem Magneten aus dem Tiefseesediment heraus.

Diese Mikroorganismen sind Archaeen, die mit Sulfat reduzierenden Bakterien zusammen leben, um gemeinsam einen thermodynamisch komplizierten Prozess auszuführen: die anaerobe Oxidation von Methan (AOM). Diese bisher relativ unerforschten Lebensgemeinschaften leben in den Sedimenten der Weltmeere direkt ueber Methanhydrat-Lagern und verringern deutlich ein Entweichen dieses Treibhausgases in die Atmosphäre. Nach der Sequenzierung von etwa einem Drittel des Genoms dieser Mikroorganismen konnten alle für die anaerobe Methanoxidation verantwortlichen Gene identifiziert werden. Die Forscher entdeckten ausserdem noch drei weitere Bakterienarten, die huckepack auf den Archaeen leben. Ihre Rolle im Methankreislauf ist jedoch noch unklar. Dr. Pernthaler und Kollegen fanden außerdem Gene für die Fixierung von N2 (Stickstoff) und zeigten in Laborexperimenten, dass die Archaeen diesen Prozess tatsächlich durchführen. Diese Ergebnisse sind sehr überraschend, da angenommen wird, dass diese Archaeen Energie limitiert sind, die Fixierung von N2 aber sehr viel Energie verbraucht. Die Fähigkeit, Partnerschaften mit anderen Mikroorganismen zu bilden, kombiniert mit einem vielseitigen Stoffwechselpotenzial, könnte das Geheimnis der weiten Verbreitung dieser bedeutenden Gruppe von Mikroorganismen sein. Diese Arbeit wurde in Wissenschaftsmagazin PNAS am 13. Mai 2008 publiziert. Das Verfahren wurde patentiert (Pernthaler A, Orphan VJ (2007) US Patent 11/746,374).

Mehr zum Thema Mikrobiologie und zu anderen Themen rund um die Biodiversität finden Sie in einer Spezialausgabe des UFZ-Newsletters zur 9. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention zur Biologischen Vielfalt (COP9), die vom 19. bis 30. Mai 2008 in Bonn stattfinden wird.
 
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