Direktinvestitionsflüsse im Jahr 2007
Wien (oenb) - Mit annähernd 23 Mrd Euro erreichten aktive wie passive Direktinvestitionen im
abgelaufenen Jahr trotz der Finanzmarktturbulenzen im zweiten Halbjahr Rekordwerte. Entscheidend dafür war
das Geschehen um die Bank Austria. Zunächst wurden die Eigentumsrechte an der Bank Austria von der deutschen
HypoVereinsbank mittelbar an die italienische Unicredit übertragen, was zu erheblichen Verschiebungen der
Regionalstruktur der passiven Direktinvestitionen geführt hat. Andererseits wurde der Bank Austria die Eigentümerschaft
für große Teile des Ostgeschäfts des Konzerns übertragen, was einen erheblichen Anstieg der
aktiven und passiven Direktinvestitionen nach sich zog. Aber selbst wenn man diese im ersten Halbjahr 2007 abgewickelte
Umgestaltung des Unicredit-Konzerns in Abzug bringt, war das Direktinvestitionsgeschehen im Jahr 2007 sehr lebhaft.
Die strategischen Investitionen inländischer Investoren in ausländische Unternehmen, also die aktiven
Direktinvestitionen, erreichten 2007 einen Wert von 23,2 Mrd Euro. Zieht man von diesem Wert den Kauf privater
Liegenschaften im Ausland (166 Mio Euro) und die Aktivitäten sogenannter „Special Purpose Entities“ – ausländische
Holdinggesellschaften ohne wirtschaftliche Aktivität in Österreich – ab, so bleiben 23,0 Mrd Euro an
Direktinvestitionen im engeren Sinne. Davon entfielen 19,7 Mrd Euro auf den Eigenkapitalerwerb und 4,3 Mrd Euro
auf reinvestierte Gewinne, während die konzerninternen Forderungen um 1,1 Mrd Euro zurückgingen. Etwa
zwei Drittel des Direktinvestitionsvolumens resultiert aus der Übertragung der Ostaktivitäten des Unicredit-Konzerns
an die Bank Austria. Aber selbst ohne diese in ihrer Größenordnung einzigartige Transaktion war das
Jahr 2007 von einer Vielzahl mittlerer und größerer Direktinvestitionsprojekte gekennzeichnet.
Die Regionalstruktur der aktiven Direktinvestitionen im Jahr 2007 bestätigt eindrucksvoll die Hypothese eines
schrittweisen „Go-East“. Betrachtet man die zwölf wichtigsten Zielländer, auf die mehr als 90% des Investitionsvolumens
entfallen, finden sich nur zwei Mitglieder der „alten“ EU-15, nämlich Deutschland – das historisch wichtigste
Zielland – auf Platz 4 und Belgien auf Platz 11. Die mitteleuropäischen EU-Mitglieder Slowakei, Tschechien
und Ungarn liegen auf den Plätzen 12, 10 und 6, wobei der vordere Rang Ungarns mit dem “Kampf um die MOL“
zu erklären ist, während im übrigen die Reinvestionen dominieren. Auf den Rängen sieben bis
neun liegen mit Bulgarien, Zypern und Rumänien weiter entfernte neue Mitgliedsländer. Die drei wichtigsten
Investitionsziele des Jahres 2007 waren aber die Kandidatenländer Kroatien, und Türkei, sowie der EU-Nachbar
Russland mit einem Investitionsvolumen von zusammen 11,3 Mrd Euro. Der vierte Platz Kasachstans verweist bereits
über Europa hinaus, und dürfte eher eine Ausnahme bleiben. In acht der zwölf genannten Länder
waren die 2007 investierten Beträge historische Rekordwerte.
Klar dominiert war das Geschehen des Jahres 2007 durch den Finanzsektor. Neben der Bank Austria haben vor allem
Erste Bank, Raiffeisen und die Volksbanken, aber auch Versicherungen umfangreiche Auslandsinvestitionen getätigt.
Neben sechs Milliardeninvestitionen zeigt die Statistik etwa 40 Investitionen im dreistelligen Millionenbereich.
Weiters verzeichnete die OeNB 2007 immerhin 120 Investitionen jenseits der Schwelle von 10 Mio Euro und 270 kleinere
Investitionen von mehr als 1 Mio Euro.
Ausländische Unternehmenseigner investierten 2007 netto 22,6 Mrd Euro in ihre österreichischen Beteiligungen,
womit die aktiven Direktinvestitionen die passiven geringfügig überstiegen. Wenn man auch auf der Passivseite
die Aktivitäten des Unicredit-Konzerns in Abzug bringt, zeigen sich auch die Nettoinvestitionen in Österreich
nahe den historischen Höchstwerten. Der längerfristige Planungshorizont von Direktinvestitionen hat offenbar
zur Folge, dass in diesem Bereich – zumindest noch – keine Auswirkungen der amerikanischen Subprime-Krise zu Tage
treten. Bemerkenswert ist die Finanzierungsstruktur, die ausnahmsweise Kredite als die wichtigste Finanzierungsquelle
(+14,7 Mrd Euro) ausweist. Die vorläufigen Schätzungen für die reinvestierten Gewinne ergeben einen
Wertzuwachs von 5,0 Mrd Euro. Der Nettozuwachs an ausländischem Eigenkapital war mit 2,7 Mrd Euro relativ
schwach weil der Bruttozustrom an Eigenkapital in Höhe von 19,9 Mrd Euro durch Desinvestitionen von 17,2 Mrd
Euro nahezu kompensiert wurde.
Der wichtigste Investor im Jahr 2007 war Italien mit +11,4 Mrd Euro. Dies reflektiert unter anderem die Tatsache,
dass die Unicredit im Gegenzug für die Übertragung des gesamten Ostgeschäfts (außer Polen
und Ukraine) 55 Mio junge Aktien der Bank Austria erhalten hat. Gegenüber Deutschland verzeichnet die aktuelle
Direktinvestitionsstatistik ein Minus von 9 Mrd Euro, was den Rückzug der HypoVereinsbank widerspiegelt. Gleichzeitig
gab es aber natürlich auch neue Engagements deutscher Unternehmen in Österreich, man denke an den Einstieg
der Bayerischen Landesbank bei der Hypo-Alpe-Adria, oder die Übernahme des Baumaschinenkonzern Neuson-Kramer
durch die Wacker AG. Dem Ausstieg Deutschlands aus der Bank Austria steht auf der anderen Seite eine größere
Zahl von Kreditfinanzierungen aus unterschiedlichen Ländern in ähnlichem Volumen gegenüber, die
als „konzerninterne Finanzierung“ zu den Direktinvestitionen zählen. Weitere große Transaktionen, die
im Jahresergebnis 2007 enthalten sind, sind der Verkauf der BAWAG an den US-Fonds Cerberus oder die in den Medien
kolportierte Investitionen des russischen Investors Deripaska. |