DVD-Projekt "Das Vermächtnis" im Parlament präsentiert   

erstellt am
14. 05. 08

13 österreichische Überlebende der Shoah erinnern sich
Wien (pk) - "Wenn meine Eltern überlebt hätten und meine Geschwister, dann hätten wir gesagt: Das war eine schlimme Zeit, aber sie ist vorbei. So aber kann ich das nicht vergessen!" Der Mann, der diese Worte sprach, hieß Oskar Schiller. Er wurde 1918 in Eisenstadt geboren, verlor seine Eltern und Geschwister während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Konzentrationslager und überlebte die Verfolgung selbst nur knapp. Mittlerweile ist Oskar Schiller selbst nicht mehr am Leben. Aber wir kennen seine Geschichte, weil sie gemeinsam mit den Erinnerungen von 50.000 anderen Holocaust-Überlebenden im Archiv der von Stephen Spielberg gestifteten Shoah Foundation in Los Angeles aufbewahrt ist.

Da die Zahl der Menschen abnimmt, die als Zeitzeugen des Nationalsozialismus in den Schulen authentisch Auskunft über die nationalsozialistische Vernichtungspolitik geben können, hat ein Expertenteam mit Pädagogen und Historikern aus dem Fundus der Shoah Foundation unter dem Titel "Das Vermächtnis" eine DVD mit Ausschnitten aus Interviews mit 13 ausgewählten Holocaust-Überlebenden hergestellt. Am Nachmittag des 13.05. wurde diese DVD auf Einladung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Bildungsministerin Claudia Schmied im Parlament präsentiert. Kim Simon vertrat die Shoah Foundation, für das österreichische Expertenteam sprachen Werner Dreier und Markus Barnay. Univ-Prof. Albert Lichtblau leitete ein Gespräch der Zeitzeuginnen Helga Feldner-Busztin, Sophie Haber und Elisabeth Scheiderbauer mit den Wiener Gymnasiastinnen Camilla Kaiser und Sahila Chandihok.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer begrüßte ein zahlreich erschienenes Publikum, namentlich die Vizepräsidentin des Bundesrates Susanne Neuwirth sowie Abgeordnete und Bundesräte, die Generalsekretärin des Nationalfonds Hannah Lessing, Vertreter der Lagergemeinschaft Mauthausen, von Opferverbänden und nicht zuletzt die anwesenden Zeitzeugen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.

"Das Vermächtnis" würdigte die Präsidentin als ein wichtiges und interessantes Projekt, weil es LehrerInnen ermöglichen werde, die Erfahrungen von Menschen, die den Holocaust überlebt haben, an die SchülerInnen weiterzugeben. Die DVD zeige, dass es für viele Menschen nicht leicht gewesen sei, aus ihrem Schweigen herauszutreten und über ihre Erlebnisse als Kinder und Jugendliche zu erzählen. Ihnen sei zu danken, dass sie sich immer wieder zur Verfügung stellen, um jungen Menschen über den Schrecken zu berichten, den sie erleben mussten. Das Projekt sei auch deshalb so wichtig, betonte Prammer, weil wir uns auf eine Zeit vorzubereiten haben, wo wir im Zeitgeschichteunterricht und in der politischen Bildung kommender Generationen nicht mehr direkt auf Zeitzeugen Bezug nehmen können.

Die Nationalratspräsidentin lobte das große Engagement der GeschichtelehrerInnen bei der Aufklärung über die Verbrechen des Nationalsozialismus und begrüßte es, dass Österreich heute ein anderes Bild seiner Vergangenheit habe als noch vor 20 Jahren. "Es war nicht so, das Österreich am 12. März 1938 überrollt worden ist, der Boden dafür war schon aufbereitet", sagte Prammer und machte auf den großen Anteil aufmerksam, den Österreich an der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hatte. "Wir haben daher Anlass, am Vertrauen der Menschen in die Demokratie zu arbeiten und es stark zu erhalten", sagte die Nationalratspräsidentin und zeigte sich besorgt über Umfragen, die ein Abnehmen dieses Vertrauens anzeigten. "Die Demokratie ist die einzige politische Form, in der Konflikte zwischen unterschiedlichen Interessen und Meinungen friedlich ausgetragen und gelöst werden können", betonte Barbara Prammer. Zudem gelte es, die Bewältigung der Vergangenheit nicht als abgeschlossen zu betrachten - rassistisches oder antisemitisches Verhalten dürfen niemals hingenommen werden oder unwidersprochen bleiben.

Bildungsministerin Claudia Schmied begrüßte die DVD "Das Vermächtnis" als ein innovatives Unterrichtsmittel, das es den ZeitgeschichtelehrerInnen erleichtern werde, aufmerksam und kritisch mit dem Erbe umzugehen, das uns die Zeitzeugen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft mit ihren Erfahrungen und Erinnerungen hinterlassen haben.

Kim Simon (Shoa Foundation) erinnerte an die Vision Steven Spielbergs, die Erfahrungen und Erinnerungen der Überlebenden des Holocaust in Form von Interviews festzuhalten, für nachkommende Generationen zu dokumentieren und so einen Beitrag zum Kampf gegen Vorurteile und Gewaltherrschaft zu leisten. Kim Simon dankte den tausenden Mitarbeitern, die weltweit an der Suche nach Holocaust-Überlebenden und an der Herstellung der Interviews mitgewirkt haben und dankte auch dem österreichischen Projektteam für die Herstellung ihrer DVD mit Material aus dem Archiv des Institute for Visual History and Education.

Die Leiter des Projekts "Das Vermächtnis" Werner Dreier und Markus Barnay berichteten von ihrer Arbeit und erklärten ihre Absicht, über die Lebensgeschichten und Erinnerungen der Zeitzeugen hinaus, zusätzliche Informationen und Lehrmaterialen, nämlich Unterrichtsmodule zu insgesamt acht Themen zur Verfügung zu stellen. Denn letztlich gehe es darum, aus dem Vermächtnis der Zeitzeugen Lehren aus der Vergangenheit für die Zukunft zu ziehen.

Univ.-Prof. Albert Lichtblau stellte die anwesenden Zeitzeugen Ilse Aschner, Elisabeth Jäger, Kurt Rosenkranz, Helga Feldner-Busztin, Sophie Haber und Elisabeth Scheiderbauer mit kurzen Lebensbeschreibungen vor.

Auf Fragen der Wiener Gymnasiastinnen Camilla Kaiser und Sahila Chandihok gaben Helga Feldner-Busztin, Sophie Haber und Elisabeth Scheiderbauer Auskunft über ihre Erfahrungen in den Jahren 1938 bis 1945, berichteten von traumatischen Erlebnissen, vom Verlust der Freunde, dem Hunger, der Angst vor der Verschleppung und Problemen, im Exil Beschäftigung zu finden. Die Zeitzeuginnen erzählten auch von den Schwierigkeiten, die sie nach der Befreiung Österreichs hatten, als es für sie darum ging, sich wieder in den normalen Alltag einzuleben. Es habe viele Jahre lang gedauert, bis es ihnen möglich wurde, über die Erinnerungen aus ihrer Kindheit zu sprechen.

Die DVD "Das Vermächtnis"

Die DVD "Das Vermächtnis. Verfolgung, Vertreibung und Widerstand im Nationalsozialismus" stellt 13 österreichische Überlebende des Holocaust in Form von Kurzbiographien vor und gibt ihre historischen Erfahrungen zu folgenden Themen wieder: Kindheit und Jugend vor 1938, Schule um 1938, "Anschluss" und Novemberpogrom, "Anschluss" und Folgen, "Novemberpogrom" und Folgen, Flucht und Vertreibung von Interviews, Fluchtvorbereitung, Kindertransport England, Shanghai, Lettland/Sowjetunion, Schweiz, Deportation, Lager Massenmord, Auschwitz, Ravensbrück, Theresienstadt, Rückkehr nach 1945.
 
zurück