Ein neuer Bluttest scheint Tumoren des Dick- und Enddarms schon im Frühstadium
nachweisen zu können
Bonn (idw) - Das zeigt eine Studie, die Forscher des Universitätsklinikums Bonn und der US-amerikanischen
John-Hopkins- Universität veröffentlicht haben. Der Test schlägt Alarm, wenn ein bestimmtes Protein
im Blut der Patienten gehäuft vorkommt. Allerdings kann dieser Wert in seltenen Fällen auch bei Gesunden
erhöht sein. Die Mediziner hoffen, durch gleichzeitige Auswertung weiterer Marker sowohl die Empfindlichkeit
als auch die Zuverlässigkeit des Tests steigern zu können. Ziel ist eine einfache und kostengünstige
Screening-Methode, die sich in Vorsorge-Untersuchungen flächendeckend einsetzen lässt. Darmkrebs ist
weltweit die dritthäufigste Tumorerkrankung. Allein in Deutschland fordert die Krankheit Jahr für Jahr
30.000 Opfer. Die Hälfte von ihnen ließe sich nach Schätzungen durch eine rechtzeitige Diagnose
retten. Die Studie ist im Journal of Cellular Biochemistry erschienen (Band 104(1), Seite 286-294).
Ein guter Krebstest sollte möglichst immer dann Alarm schlagen, wenn tatsächlich ein Tumor vorliegt -
ansonsten aber nicht. Die neue Blutuntersuchung kommt diesem Ideal zumindest nahe: Bei 27 Patienten mit Dickdarmkrebs
lieferte sie in 24 Fällen die korrekte Diagnose; das entspricht einer Empfindlichkeit von 88,8 Prozent. Bei
127 Studienteilnehmern ohne Tumoren schlug der Test 21mal fälschlicherweise an - die Spezifität betrug
also gut 84 Prozent. Für einen Bluttest ist das nicht schlecht; die Prostatakrebs-Diagnose anhand des PSA-Werts
beispielsweise ist weit unzuverlässiger.
"Das sind viel versprechende Werte", sagt denn auch die Bonner Privatdozentin Dr. Gisela Walgenbach-Brünagel.
"Der diagnostische Goldstandard ist und bleibt jedoch die Darmspiegelung. Daran können und wollen wir
nicht rütteln." Bei dieser auch Koloskopie genannten Methode wird ein schlauchförmiges Endoskop
durch den After in den Körper geschoben. An seinem Ende sitzt eine Kamera, durch die der Arzt die Darmwand
inspizieren kann. Im Verdachtsfall kann er zudem über einen Greifer direkt Gewebeproben entnehmen. Einem geschulten
Arzt entgeht so kaum ein Tumor; die Zahl der Fehldiagnosen ist zudem extrem gering. "Doch viel zu wenige Menschen
nehmen diese Möglichkeit wahr", bedauert die gelernte Chirurgin. "Die Hemmschwelle vor einer Spiegelung,
die ja mit gewissen Unannehmlichkeiten verbunden ist, ist einfach zu groß." Oft genug musste sie so
am OP-Tisch einen aussichtslosen Kampf fechten, weil die Erkrankung schon zu weit fortgeschritten war.
Ein kleiner Pieks soll Opferzahlen senken
Allein in Deutschland fordert Darmkrebs jährlich 30.000 Opfer. Bis zu 50 Prozent aller Patienten ließen
sich nach Schätzungen bei rechtzeitiger Diagnose retten. Ein Test, der mit einem kleinen Pieks erledigt wäre,
würde dabei sicher helfen. "Unser Ziel ist es, ein einfaches, zuverlässiges und kostengünstiges
Verfahren für Massenscreenings zu entwickeln", erklärt Walgenbach-Brünagel. "Im Verdachtsfall
würde sich dann eine Spiegelung anschließen."
Bis es soweit ist, muss die Wissenschaftlerin noch viel Arbeit leisten. In einem ersten Schritt will sie zusammen
mit ihren US- Kollegen von der John-Hopkins-Universität in Baltimore Empfindlichkeit und Zuverlässigkeit
des Tests erhöhen. Momentan richtet sich dieser gegen ein Protein, das im Blut von Darmkrebs-Patienten gehäuft
vorkommt: Das so genannte Dickdarmkrebs-spezifische Antigen (colon cancer-specific antigen, CCSA-2). "CCSA-2
scheint im Kern von Dickdarmzellen die Genaktivität zu regulieren - auf welche Weise, wissen wir nicht",
erklärt Dr. Gisela Walgenbach-Brünagel.
Weitere Studien nötig
Die Bonner Ärztin hat den Tumormarker entdeckt - ebenso wie drei weitere CCSAs, die ebenfalls gehäuft
im Blut von Darmkrebs-Patienten vorkommen. Ein Nachweisverfahren, das alle vier Proteine erfasst, könnte sowohl
hoch empfindlich als auch sehr spezifisch sein. "Für ein endgültiges Urteil sind aber noch weitere
Studien mit viel mehr Patienten nötig", betont die Medizinerin.
Sie sieht jedoch gute Chancen, dass ihre Forschungsergebnisse in einigen Jahren auch in die Klinik Einzug halten.
Ihre aktuelle Arbeitsstätte, das neu gegründete Institut für Klinische Chemie und Pharmakologie
mit Zentrallabor unter Direktor Professor Dr. Gunther Hartmann, biete dazu das passende Umfeld: "Unser Ziel
ist es, neue Blut-basierte Diagnoseverfahren auch in der Praxis zu etablieren", betont sie. "Dazu betreiben
wir hier unter einem Dach Grundlagenforschung und testen die Ergebnisse in Klinische Studien."
Auch andere haben das Potenzial ihrer Arbeiten erkannt: Erst vor wenigen Wochen erhielt Gisela Walgenbach-Brünagel
den renommierten "Felix Burda Award". Mit dem Preis werden innovative Arbeiten im Bereich Darmkrebsprävention
und -früherkennung ausgezeichnet. |