Weihegottesdienst im bis auf den letzten Platz gefüllten Wiener Stephansdom - "Wir bauchen
gute Hirten, Priester, die den Menschen nahe sind"
Wien (pew) - "Wir brauchen gute Hirten, Priester, die den Menschen nahe sind, Hirten nach dem
Herzen Jesu": Dies betonte Kardinal Christoph Schönborn am Pfingstmontag im Stephansdom bei der Bischofsweihe
des neuen Wiener Weihbischofs Stephan Turnovszky, dessen besonderer Auftrag die Begleitung der Priester ist. Der
Wiener Erzbischof betonte seine Überzeugung, dass es geistliche Berufungen gebe, sie bedürften aber der
"Förderung, Ermutigung, Herausforderung". Bei dem feierlichen Gottesdienst im bis auf den letzten
Platz gefüllten Stephansdom legten auch der Apostolische Nuntius, Erzbischof Edmond Farhat, und fast alle
österreichischen Bischöfe, aber auch die Nachbarbischöfe Vojtech Cikrle (Brünn/Brno) und Jan
Sokol (Tyrnau/Trnava) dem neuen Bischof die Hände auf.
Anwesend waren auch die Repräsentanten der Ökumene mit dem Wiener griechisch-orthodoxen Metropoliten
Michael Staikos an der Spitze sowie Vertreter des öffentlichen Lebens, unter ihnen der Zweite Nationalratspräsident
Michael Spindelegger, der frühere Vizekanzler Alois Mock und der emeritierte Bundesratspräsident Herbert
Schambeck.
Die neue Evangelisierung bezeichnete Kardinal Schönborn beim Weihegottesdienst als den "Auftrag der Stunde".
Der Wiener Erzbischof zitierte ein Wort des heutigen Papstes zu seiner eigenen Bischofsweihe im Jahr 1991: Kardinal
Joseph Ratzinger verwies damals darauf, dass die "ideologischen Kartenhäuser" kurz zuvor zusammengefallen
waren und der Jahrzehnte hindurch vom Atheismus beherrschte Teil Europas "neu auf das Wort des Evangeliums"
warte. Zugleich würden aber auch die "neuen und alten Widerstände nationalen und kulturellen Eigenwillens
aufbrechen", die sich dem "pfingstlichen Geheimnis der Versöhnung entgegenstellen". Heute,
17 Jahre später, sei Europa "weiter" geworden, das Projekt der Integration, der Einigung sei gewachsen,
unterstrich Kardinal Schönborn. Der neue Wiener Weihbischof habe Wurzeln in Polen, in Tschechien, in Ungarn,
alles Länder, in die man heute ohne Grenzen fahren könne. Der Auftrag zur Evangelisierung "hier,
in der alten Mitte Europas", bringe Schwierigkeiten mit sich, "Mühsames und Notvolles", aber
auch die "Nähe des Herrn".
"Ein neues Pfingsten"?
Auftrag des Bischofs sei es, Bote des Evangeliums zu sein, erinnerte Kardinal Schönborn. Jesus habe diese
Sendung immer mit der "Ankündigung von Verfolgung" verbunden. Man müsse nicht weit in der jüngeren
Geschichte zurückgehen, um zu wissen, was dies bedeute: In Polen, Tschechien, Ungarn habe Christsein geheißen,
verfolgt zu sein. Und die Titulardiözese des neuen Weihbischofs - Ancusa im heutigen Tunesien - sei eine der
mehr als 200 blühenden Diözesen Nordafrikas gewesen, die der gewaltsamen Islamisierung zum Opfer fielen.
Pfingsten sei ein "wunderbares Datum" für eine Bischofsweihe, sagte Kardinal Schönborn. Denn
Pfingsten sei die Geburtsstunde der Kirche, der Anfang der weltweiten Mission. Der Heilige Geist sei die "Seele
der Kirche", ihr Lebensprinzip. Ohne den Heiligen Geist gebe es keine Kirche. Der selige Papst Johannes XXIII.
habe mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein "neues Pfingsten" für die Kirche erhofft und erbeten,
erinnerte der Wiener Erzbischof und stellte die Frage: "Ist es gekommen?" Auch der junge Bischof müsse
sich die Frage stellen, ob er in eine Zeit des "neuen Pfingsten" komme.
Dem neuen Wiener Weihbischof seien sowohl der äußerliche als auch der innerliche Aspekt der "Nachfolge
Jesu" vertraut, betonte der Wiener Erzbischof. Am Pfingstsonntag sei Turnovszky von seiner bisherigen Pfarre
Baden-Leesdorf neun Stunden zu Fuß nach Wien gegangen, um den Weg der Nachfolge "wörtlich"
zu spüren. Und die innere Neuorientierung habe der neue Weihbischof in seiner Berufung vom Chemietechniker
zum Priester selbst erlebt. Für die Neuorientierung seien das innere Leben, das Gebet, die Stille wesentlich.
Kardinal Schönborn wünschte dem neuen Weihbischof, dass er "viele, viele Menschen" auf den
Weg der Nachfolge mitnehmen und für viele eine "Einladung zur Innerlichkeit" und ein Wegbegleiter
sein möge - für die Priester, für die Gläubigen und für so viele, "die auf der Suche
sind".
"Den Menschen nahe sein"
In den Mittelpunkt seiner ersten bischöflichen Ansprache am Ende des Weihegottesdienstes stellte Stephan
Turnovszky das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe. Er wolle ein Bischof sein, "der den Menschen
nahe ist und bleibt", sagte der neue Weihbischof, der einbekannte, dass er "so gern" Pfarrer war.
Dabei betonte er, dass er Interesse auch für jene Menschen haben möchte, "die von der Kirche wenig
erwarten": "Ich möchte jene nicht vergessen, die die Kirche vergessen oder nie ihre Schönheit
kennengelernt haben". Es gehe ihm nicht darum, zu urteilen, sondern zu lieben - "in Ehrfurcht vor dem
Schatz, den Gott in jedes Menschenherz hineingelegt hat".
Im Sinn seines bischöflichen Mottos, das dem Psalm 63 entnommen ist ("Meine Seele dürstet nach dir"),
sagte Bischof Turnovszky, er wolle ein "betender Bischof" sein, der "in der Verkündigung sagt,
was er im Gebet gehört hat". Die Sehnsucht nach dem Gebet, die in dem Psalmvers zum Ausdruck komme, sei
eine Sprache, "die die Menschen von heute zu verstehen wissen". Daher werde er auch als Bischof dem Gebet
einen zentralen Platz einräumen.
Herzliche Dankesworte
In sehr herzlicher Weise brachte Weihbischof Turnovszky seinen Dank zum Ausdruck - den Dank an Gott, aber auch
seinen Dank an Papst Benedikt XVI., an Kardinal Schönborn, an die österreichischen Bischöfe, die
ihn so freundlich aufgenommen hätten, an seine Familie, an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Erzdiözese Wien, die ihm in den letzten Wochen zur Seite gestanden seien. Dabei gedachte er in besonderer
Weise des plötzlich verstorbenen früheren Personalreferenten der Erzdiözese Wien, Adalbert Stich,
der bei der Bischofsweihe für den Ordnerdienst hätte sorgen sollen. Turnovszky dankte aber auch allen,
die ihre Freude über seine Ernennung ausgedrückt hatten, vor allem auch allen, die ihm ihre Unterstützung
im Gebet versicherten.
Unter dem Geläut der Pummerin
Während der in Stille erfolgenden Handauflegung zunächst durch Kardinal Schönborn und die beiden
Mitkonsekratoren - Weihbischof Helmut Krätzl und Weihbischof Anton Leichtfried - und dann durch alle anderen
Bischöfe hatte das Geläut der Pummerin die Botschaft der Weihe in die Stadt hinausgetragen. Zum anschließenden
Weihegebet wurde dem neuen Bischof das Evangelienbuch aufs Haupt gelegt. Zusammen mit der Übergabe des Evangeliars
sollte dadurch deutlich werden, dass die getreue Verkündigung des Evangeliums zu den wichtigsten Aufgaben
jedes Bischofs gehört.
An der Gestaltung des Gottesdienstes beteiligten sich auch Vertreter der Pfarre Baden-St. Josef, wo Turnovszky
zuletzt als Pfarrer wirkte, der Freiwilligen Feuerwehr Leesdorf sowie des Malteser Hospitaldienstes (Turnovszky
wirkte auch als Feuerwehr-Kurat und war im Malteser Hospitaldienst aktiv). U.a. wurde die feierliche Gabenprozession
gemeinsam von Mitarbeitern der künftigen diözesanen Arbeitsbereiche des neuen Bischofs, Pfarrangehörigen
von Baden-St. Josef, Feuerwehrleuten und "Maltesern" gestaltet.
Für die musikalische Gestaltung der Bischofsweihe sorgte die Wiener Dommusik unter der Leitung von Domkapellmeister
Markus Landerer und Dommusikus Thomas Dolezal. Auch der Singkreis Leesdorf und die Leesdorfer "Pfarrband"
wirkten mit. |