Wissenschaftler in Freiburg entwickeln neue Methoden zur Erkennung und Klassifizierung epileptischer
Anfälle
Freiburg (idw) - Epilepsie-Patienten leiden unter plötzlichen Krampfanfällen, die durch
die gleichzeitige Entladung einer großen Anzahl von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst werden. Jeder Anfall
trifft sie wie aus heiterem Himmel - wenn sich ein Gewitter neuronaler Aktivität im Gehirn zusammenbraut,
bekommen sie davon nichts mit.
Wissenschaftler um Ralph Meier und Ad Aertsen am Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience und der
Universität Freiburg haben nun eine Methode entwickelt, mit der die Gehirnströme der Patienten gemessen
und gleichzeitig automatisch ausgewertet werden können. Da Veränderungen neuronaler Aktivität meist
einige Sekunden vor den ersten äußeren Anzeichen des Anfalls auftreten, könnten Patienten und Klinikpersonal
mit dieser Methode bei einem nahenden Anfall vorgewarnt werden. In Zukunft hofft man außerdem auf die Entwicklung
von Implantaten, die gezielt Gehirnströme beeinflussen um einem beginnenden Anfall entgegenzuwirken. Für
solche Systeme ist die rechtzeitige Erkennung des nahenden Anfalls eine Voraussetzung.
Dem Freiburger Verfahren zur Datenauswertung liegt die Elektroenzephalographie (EEG) zu Grunde. Mit Hilfe von auf
der Kopfhaut angebrachten Elektroden werden Spannungsveränderungen des Gehirns durch die Schädeldecke
gemessen. Bei einem epileptischen Anfall kommt es - je nach Anfallstyp - zu verstärkten Entladungen in bestimmten
Frequenzbereichen oder es treten ungewöhnliche Entladungsmuster auf. Auch im gesunden EEG treten Schwingungen
in verschiedenen Frequenzbereichen auf, die jeweils bestimmte Zustände des Gehirns wie Schlaf, Dösen
oder Erregung widerspiegeln. Diese gesunden Schwingungsmuster mit Hilfe mathematischer Algorithmen von den epileptischen
Entladungen verlässlich zu unterscheiden ist das Ziel der Freiburger Wissenschaftler.
Bisher gab es schon einige Ansätze, mit Hilfe von mathematischen Algorithmen die Auswertung des EEG zu automatisieren.
Nicht jedes Verfahren aber eignet sich für jede Form von Anfällen. Um eine optimale Erfassung aller Anfallstypen
zu gewährleisten, nutzten die Wissenschaftler um Meier daher verschiedene mathematische Auswertungsverfahren
parallel. "Unsere Methode bedarf keiner individuellen Anpassung, darüberhinaus eignet sie sich für
alle Anfallstypen", erklärt Meier.
An etwa 1400 Stunden Langzeit-EEG mit insgesamt 91 verifizierten Anfällen wendeten Meier und seine Kollegen
das Verfahren an um seine Leistungsfähigkeit zu überprüfen. Fast alle Anfälle wurden von dem
Verfahren rechtzeitig erkannt. Nur etwa einmal alle zwei Stunden produzierte ihr System eine Fehlankündigung
eines Anfalls, der dann nicht stattfand. Damit zeigt das Verfahren eine bessere Erkennungsgenauigkeit, als bisherige
Methoden. Zusätzlich konnte das System verschiedene Anfallverläufe voneinander unterscheiden und trägt
damit zur Epilepsiediagnose bei. "Im Prinzip ist das Programm bereit für eine klinische Anwendung, es
sind nur noch ein paar technische Hürden bei der routinemässigen Anbindung an die klinsche Datenerfassung
zu nehmen", sagt Meier. |