Prammer für Ausbau von Kontroll- und Minderheitsrechten
Wien (pk) - Nationalratspräsidentin Barbara Prammer sprach sich bei einer Tagung im österreichischen
Parlament erneut für den Ausbau der Kontrollrechte des Parlaments und eine Stärkung der Rechte der Opposition
aus. Es gehe darum, die Arbeit der Abgeordneten besser sichtbar, verständlich und nachvollziehbar zu machen,
betonte sie, durch mehr Transparenz und mehr Rechte für die Abgeordneten könnte das Vertrauen der Bevölkerung
in die Politik insgesamt gestärkt werden. Parlamentarismus bedeute, so die Nationalratspräsidentin, nicht
nur "Gesetze beschließen", es gehe vor allem auch um die Wahrnehmung der Kontrollaufgabe des Parlaments.
Thema der Tagung, zu der Prammer gemeinsam mit dem Institut für Föderalismus und der Österreichischen
Gesellschaft für Gesetzgebungslehre ins Parlament eingeladen hatte, war "Die Zukunft der Parlamentarischen
Kontrolle." Unter anderem setzten sich hochrangige Experten und Expertinnen dabei mit der schon seit längerem
diskutierten Geschäftsordnungsreform des Nationalrats, der Bedeutung des Untersuchungsausschusses als wichtigem
parlamentarischem Kontrollinstrument und der Rolle des Rechnungshofs und der Volksanwaltschaft als "Hilfsorange"
des Parlaments zur Kontrolle der Verwaltung auseinander. Prammer äußerte in ihrer Eröffnungsrede
die Hoffnung, dass von der Tagung ein neuer Impuls für die ins Stocken geratenen Verhandlungen über die
GO-Reform des Nationalrats ausgehen werde.
Gebhard Halder, Präsident des Vorarlberger Landtags und Vorsitzender der Landtagspräsidentenkonferenz,
wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass parlamentarische Kontrolle zu den Kernaufgaben der Landtage
gehöre. Parlamente könnten nicht daran gemessen werden, wie viele Gesetze sie in einem Jahr beschließen,
meinte er, zumal es oft sinnvoller sei, ein geplantes Gesetz nicht zu beschließen bzw. ein überflüssiges
Gesetz abzuschaffen. Zudem sei die Kontrollfunktion der Parlamente umso wichtiger, als der für Gesetzesänderungen
notwendige Expertenapparat in erster Linie bei den Regierungen angesiedelt sei. Besonders fruchte Kontrolle in
Verbindung mit Öffentlichkeit, betonte Halder.
Christoph Konrath (Parlamentsdirektion Wien) lieferte einen Erfahrungsbericht über den bisherigen Verlauf
der Verhandlungen zur Geschäftsordnungsreform des Nationalrats. Die Verhandlungen stocken seit geraumer Zeit,
obwohl es vielerlei Notwendigkeiten für eine solche Reform gibt. So müssen nicht nur jüngste Änderungen
der Bundesverfassung und des Bundeshaushaltsrechts nachvollzogen werden, es gilt auch, die im EU-Reformvertrag
festgeschriebenen neuen Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente auf europäischer Ebene in der Geschäftsordnung
zu verankern. Zudem haben Erfahrungen in der Praxis gezeigt, dass die Verfahrensordnung für Untersuchungsausschüsse
reformbedürftig ist.
Die Vorschläge der einzelnen Fraktionen für eine GO-Reform sind vielfältig. Sie reichen von einer
attraktiveren Gestaltung der Plenardebatten über eine Ausweitung der Oppositionsrechte und die allgemeine
Zugänglichkeit von Ausschusssitzungen bis hin zu strikteren Vorgaben an die Regierungsmitglieder zur Beantwortung
parlamentarischer Anfragen.
Das Geschäftsordnungskomitee hat davon allerdings, wie Konrath ausführte, bisher nur einen kleinen Ausschnitt
besprochen und vor allem viel Zeit damit verbracht, über die "gerechte Verteilung" von Redezeiten
in Plenum zu diskutieren. Vor allem die ÖVP moniert, dass den großen Fraktionen verhältnismäßig
wenig Redezeit zur Verfügung steht und es damit für viele Abgeordnete nicht möglich ist, im Plenum
zu Wort zu kommen und damit ihre Tätigkeit zu legitimieren. Bereits ein Konsens erzielt worden war über
eine lebendigere Gestaltung der Fragestunde, der jedoch später wieder in Frage gestellt wurde.
Reformen der Geschäftsordnung seien immer auch Auseinandersetzungen über das Selbstverständnis des
Parlaments und der ParlamentarierInnen, unterstrich Konrath. Er erachtet es in diesem Sinn für notwendig,
sich tiefer gehend mit der Frage auseinander zu setzen, wie der Nationalrat arbeitet. So ist die immer wieder erhobene
Forderung nach einer zumindest teilweisen Öffnung der Ausschüsse ihm zufolge noch lange kein Garant für
mehr Transparenz politischer Entscheidungen. Bestenfalls würde damit die Arbeit der Abgeordneten besser sichtbar
gemacht. International zeichnet sich laut Konrath jedenfalls eine deutliche Tendenz in Richtung politischer Grundsatzdiskussion
im Parlament und in Richtung Ausbau und Professionalisierung parlamentarischer Kontrolltätigkeit ab.
Über die jüngste Geschäftsordnungsreform im Vorarlberger Landtag berichtete der Vorarlberger Landtagsdirekter
und Direktor des Instituts für Föderalismus, Peter Bußjäger. Ziel der Reform sei es gewesen,
die Sitzungen des Landtags aktueller und themenbezogener zu gestalten, skizzierte er, was seiner Ansicht nach auch
durchaus gelungen ist. Durch Aktuelle Stunden und eine Neugliederung der Tagesordnung habe man es geschafft, die
Landtagsarbeit für die Bevölkerung sichtbarer zu machen. Neu in der Geschäftsordung ist auch eine
Karenzierungsmöglichkeit für Abgeordnete zur Betreuung von Kindern bzw. zur Pflege naher Angehöriger.
Pascale Cancik (Universität Osnabrück) informierte die TagungsteilnehmerInnen über neuere Entwicklungen
der parlamentarischen Kontrolle in den deutschen Bundesländern. Sie wies dabei vor allem auf die Tendenz hin,
parlamentarische Kontrollrechte nicht nur in der Geschäftsordnung, sondern auch in den jeweiligen Länderverfassungen
zu verankern. Das habe zu vermehrten gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt, berichtete Cancik, immer
häufiger gebe es zum Beispiel in Bezug auf festgeschriebene Informationsrechte der Landesparlamente bzw. Informationspflichten
der Landesregierungen Verfahren bei den Verfassungsgerichten der Länder.
Das Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist Cancik zufolge in allen deutschen Bundesländern
ein parlamentarisches Minderheitsrecht. Allerdings ist die Frage der Akteneinsicht unterschiedlich geregelt. So
hat etwa in Brandenburg jeder einzelne Abgeordnete Recht auf Akteneinsicht, meist braucht es jedoch ein größeres
Quorum. Dafür können in manchen Bundesländern nicht nur Untersuchungsausschüsse, sondern auch
andere Ausschüsse Einsicht in Akten der Verwaltung begehren.
Cancik selbst plädierte dafür, bei der Verankerung von parlamentarischen Minderheitenrechten nicht allein
auf Fraktionen abzustellen, sondern durch die Festlegung von bestimmten Quoren auch fraktionsübergreifende
Initiativen zu ermöglichen. Auch wenn solche selten seien, würde dies doch lebendigen Parlamentarismus
fördern, erklärte sie.
Als interessantes Beispiel für die Hervorhebung der Bedeutung parlamentarischer Minderheitsrechte verwies
Cancik auf Artikel 12 der Verfassung von Schleswig-Holstein, wo es unter anderem wörtlich heißt: "Die
parlamentarische Opposition ist ein wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. Die Opposition hat
die Aufgabe, Regierungsprogramm und Regierungsentscheidungen zu kritisieren und zu kontrollieren. ... Insoweit
hat sie das Recht auf politische Chancengleichkeit." |