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Rathaus: Zweitägiges Ödön von Horváth-Symposium |
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Aus Anlass der Wiederkehr des 70. Todestages des österreichischen "Shootingstars"
der frühen 1930er Jahre Wien (rk) - Am 27.05. findet in der Wienbibliothek, wie auch am 28.05., in den Räumlichkeiten der Österreichischen Gesellschaft für Literatur ein Symposium mit dem Titel "Totenstille beim Heurigen. Horváths 'Geschichten aus dem Wiener Wald'" statt. Es referieren Literaturwissenschaftler aus Berlin, Hamburg und Wien. Literatur-Experte und Horvath- Nachlass-Betreuer Klaus Kastberger, der auch das Symposion organisiert hat, betont vor allem die "unglaubliche Genauigkeit" mit der Horváth seine Stücke erarbeitet hat. Der Besuch ist kostenfrei. Genauigkeit und "Stille"-Inszenierung erstaunt bis heute Laut Kastberger habe man Horváth (1901 - 1938) oftmals bei seinen Stücken zu viele aufgeschnappte und reingeflickte O-Töne zum Vorwurf gemacht. "Wenn man sich aber ansieht, wie bis zuletzt Horváth an seinen Dialogen gearbeitet hat, dann merkt man, wie fehl diese Ansicht ist", so der Literatur-Fachmann, der auch an die vielen bewusst gesetzten kunstvollen "Stille"-Anweisungen des Dramatikers erinnert. Über die "Geschichten aus dem Wienerwald", an denen Horváth ein dreiviertel Jahr gearbeitet hat, "existieren tausende Seiten an Entwürfen, Skizzen". Kommendes Jahr beginnt auch eine kritische Wiener Ausgabe sämtlicher Horváth-Stücke. Pro Jahr sind drei bis vier weitere Stücke inklusive detaillierter Werkgeschichte geplant. Den Beginn macht "Kasimir und Karoline". Verlegt wird die mehrbändige Ausgabe im de Gruyter-Verlag. "Geschichten aus dem Wienerwald" ursprünglich in München positioniert Die "Geschichten aus dem Wienerwald", die laut Kastberger die längste Zeit von Horváth in München angesiedelt waren, feierten ihre Uraufführung in Berlin im Jahr 1931 mit großem Erfolg. Laut Kastberger stand hierfür zumindest thematisch Horváths Stück "Von Kongress zu Kongress", geschrieben in den späten 1920er Jahren, welches sich mit Mädchenhandel und -entführungen bzw. Prostitution in Großstädten auseinandersetzte, Pate. "Die Prostitution ließ er dann weg und siedelte die Geschichte im bürgerlichen Milieu an." Vom "mythischen" über den "modernen" zum "Schulbuch"- Horváth Horváth erlebte nach seinem Tod verschiedene Wiederentdeckungen. Laut Kastberger gibt es, neben dem "Schulbuch- Horváth" zumindest noch den "mythischen Horváth", der von seinen Freunden, darunter Franz Theodor Csokor und Friedrich Torberg, als "junger Shootingstar" weiter empfohlen wurde. Unmittelbar nach Kriegsende wurde im Burgtheater 1945 "Die Geschichten aus dem Wienerwald" aufgeführt. Die Inszenierung endete aber in einem Skandal. Horváth wurde Nestbeschmutzerei vorgeworfen. Drei Jahre später stand dann der "Jüngste Tag" in der Josefstadt auf dem Programm, wo, inhaltlich bedingt, der "mythische Horváth" erfunden wurde. Wichtiges Detail für Kastberger: Horváth, der ab den 1970er Jahren mit "Jugend ohne Gott" zum Schulbuch-Klassiker wurde, schrieb von 1933 bis 1935 Drehbücher für die NS-Filmfabrik. Als "lupenreiner Widerstandskämpfer" oder "Emigrant" geht Horváth für Kastberger deswegen nicht durch. Diese Ambivalenz, die nach 1945 lange Zeit verschwiegen wurde, mache aber seine Person interessant und habe nichts mit der Qualität seiner Werke zu tun. In den späteren 1960er Jahren wurde Horváth, nicht zuletzt aufgrund eines Sammelbandes aus dem rowohlt-Verlag bzw. kurz darauf einer Werkausgabe im Suhrkamp-Verlag, dann zum "kritischen und modernen Autor", wie er bis heute auch mehrheitlich rezipiert wird. Details zum Symposium Das Symposium startet am Dienstag Nachmittag ab 16.00 Uhr. Im Lesesaal der Wienbibliothek wird nach der Begrüßung durch die Bibliotheksleiterin Sylvia Mattl-Wurm der Wiener Literaturkenner und IFK-Leiter Helmut Lethen über die Werkgeschichte von Horvaths Klassiker referieren. Konstanze Fliedl wird über Horvaths berühmte "Stille" ("schweigt. Texte und Paratexte zur Stille") sprechen. Hernach werden im Rahmen der Wiener Vorlesungen, die auch Kooperationspartner sind, ab 19.00 Uhr in der Volkshalle des Rathauses Franz Schuh und Wendelin Schmidt-Dengler über Horvath sprechen. Tags darauf wird die Präsidentin der Gesellschaft, die Schriftstellerin Marianne Gruber, in den Räumlichkeiten der Österreichischen Gesellschaft für Literatur (1., Herrengasse 5) ab 16.00 Uhr das Symposium einleiten. "Totenstill" geht es dann bei Kastbergers Anmerkungen zu ("Totenstille: Woher Horváth die rede nimmt und wie er sie endet"), danach folgt Erwin Gartner mit "Genetische Exkursionen in den Wiener Wald". Gartner hat den Nachlass Horváths bearbeitet. Sein Referat beleuchtet intensiv die konkrete Entstehungsgeschichte von Horváths Stück. Evelyn Annuß aus Berlin wird über den "Schauplatz Stille" sprechen, Claudia Benthien aus Hamburg über "Durationen des Nichts. Zeiterfahrung und Negation in Horváths Dramen". Eine abendliche Podiumsdiskussion über die Praktiken der Inszenierung mit der Theaterwissenschaftlerin Monika Meister, der Literatur-Kritikerin Daniela Strigl, dem Regisseur Franz Herzog und dem Kritiker Ronald Pohl ab 20.00 Uhr beenden die zwei konzentrierten Horváth- Nachdenktage. Der Eintritt ist zu sämtlichen Veranstaltungen frei. Veranstaltet wird die Tagung vom Verein "Ödön von Horváth" in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Literatur, den Wiener Vorlesungen, der Wienbibliothek im Rathaus und dem Österreichischen Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek. Informationen: http://www.ogl.at, http://www.wienervorlesungen.at |
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