Milcheiweiß-Hülle schützt probiotische Keime
München (idw) - Lebensmittel sollen schmecken und satt machen - aber auch gesund sein. Um der
Natur nachzuhelfen, werden immer mehr Produkte mit Vitaminen, Pflanzenextrakten oder probiotischen Keimen angereichert.
Der Gesundheitsnutzen von letzteren ist jedoch umstritten. Denn viele Probiotika erreichen ihren Bestimmungsort,
den Darm, nicht lebend: Säuren, die während der Lagerung im Lebensmittel vorhanden sind, zerstören
einen Teil der gesunden Bakterien - nach dem Verzehr setzt ihnen noch die Magensäure zu. Forscher des Wissenschaftszentrums
Weihenstephan haben jetzt eine neue Technik zur Mikroverkapselung entwickelt, um Probiotika besser in funktionellen
Lebensmitteln einzusetzen.
Bisher werden die helfenden Keime gefroren oder getrocknet, bevor sie einem Joghurt als Pulver in hochkonzentrierter
Form zugegeben werden. Doch noch vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums ist die Zahl aktiver probiotischer Keime in
den Bechern und Fläschchen oft stark reduziert. Die Lösung des Problems: Das Einpacken der Keime in eine
schützende Hülle. So genannte Mikrokapseln machen eine räumlich und zeitlich gesteuerte Freisetzung
der verpackten Stoffe möglich ("controlled release"). Bei Medikamenten und Pflanzenschutzmitteln
hat die Verkapselung bereits Tradition. Am Einsatz im Lebensmittelbereich wird intensiv geforscht. Denn Mikrokapseln
für den menschlichen Verzehr müssen besonderen Ansprüchen genügen: Sie sollen geschmacksneutral
und für den täglichen Genuss geeignet sein. Außerdem müssen sie glatt und so klein sein, dass
sie von der Zunge "unentdeckt" bleiben.
Prof. Ulrich Kulozik und sein Mitarbeiter Dipl.-Ing. Thomas Heidebach von der Abteilung Technologie des Zentralinstituts
für Ernährungs- und Lebensmittelforschung (ZIEL) am Wissenschaftszentrum Weihenstephan haben solche lebensmitteltauglichen
Mikrokapseln entwickelt. In einem groß angelegten, aus öffentlichen Mitteln geförderten Forschungsprojekt
haben sie nicht nur ein passendes Hüllmaterial gefunden, sondern gleich auch das geeignete Herstellungsverfahren:
Die Forscher setzen Enzyme als natürliche Biokatalysatoren ein, um probiotische Keime in das Hüllmaterial
einzupacken und so vor Verfall und Magensäure zu schützen.
Als Material verwenden die Lebensmittelforscher das Milchprotein Casein, da es sich gut mit anderen Stoffen mischt
und auch geschmacklich für den Einsatz in Milchprodukten geeignet ist. Außerdem gibt es bei diesem Naturstoff
keine Probleme mit der Verbraucherakzeptanz beim Einsatz in Joghurt und Molkedrinks. Um das Casein in brauchbare
Mikrokapseln zu verwandeln, nutzen die Forscher die Lebensmittelchemie: Zuerst mischen sie die probiotischen Keime
mit dem Milcheiweiß, das als Hüllstoff dienen soll. Nach Zugabe des Enzyms Transglutaminase und der
Herstellung einer Wasser-in-Öl-Emulsion bildet sich ein Casein-Gel, in dem die gesunden Bakterien von einem
dichten Netz umschlossen sind.
Die durchschnittlich 150 Mikrometer kleinen Kügelchen werden anschließend durch Schleudern abgetrennt
und gewaschen. Ein Gramm Mikrokapseln enthält dann rund fünf Milliarden lebende Keime. Sowohl die Lagerung
für die Dauer der Haltbarkeit des Joghurts, als auch die Magensäure kann diesen gefüllten Proteinkapseln
nichts anhaben. Erst die im Dünndarm vorhandenen Enzyme spalten die Kapseln - und lassen die Keime dort frei,
wo sie sich nützlich machen sollen. Das neue Verfahren wird nun in Kooperation mit der Lebensmittelindustrie
zur Marktreife weiterentwickelt.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Mikroverkapselung im Lebensmittelbereich ist in den letzten Jahren stetig gestiegen:
Der Umsatz mit probiotischen Milchfrischerzeugnissen hat sich in Deutschland von 1996 bis 2004 auf 485 Millionen
Euro versechsfacht. In Zukunft werden nicht nur Milchprodukte, sondern auch Cerealien, Wurstwaren, Fertiggerichte
und Nahrungsergänzungsmittel mit probiotischen Keimen angereichert werden. Dafür werden neuartige Mikroverkapselungssysteme
benötigt.
Mit ihren Entwicklungen, die allen Unternehmen uneingeschränkt zur Verfügung stehen, leisten die Weihenstephaner
Wissenschaftler einen wichtigen Beitrag zur Förderung auch kleiner und mittlerer Unternehmen, die meist keine
eigenen Forschungsabteilungen unterhalten. |