EU-Bauern fordern Stabilität und existenzsichernde Preise
Wien (bmlfuw/aiz) - Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO)
berät seit 03.06. auf einer hochkarätig besetzten, dreitägigen Konferenz in Rom über die gestiegenen
Lebensmittelpreise und die Auswirkungen des Klimawandels auf Ernährung und Landwirtschaft. Im Rahmen des Treffens
sollen globale Strategien zur Bekämpfung des Hungers entwickelt werden. Bei dem Treffen werden insgesamt rund
35 Staats- und Regierungschefs zugegen sein. Österreich ist durch hohe Beamte des Landwirtschafts- und des
Außenministeriums vertreten.
Ban: Nahrungsmittel-Produktion bis 2030 um 50% steigern
UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon plädierte heute bei der Eröffnung des Gipfels in Rom laut
APA für eine Erhöhung der Produktion von Nahrungsmitteln bis 2030 um 50%. Nur auf diese Weise könne
das weltweite Problem des Hungers und der Unterernährung bekämpft werden. Um eine Nahrungskrise zu verhindern,
müsse vor allem auf eine Steuer- und Handelspolitik verzichtet werden, die marktverzerrend wirke. Laut dem
südkoreanischen Diplomaten sollte der Bevölkerung in den vom Hunger bedrohten Ländern der Zugang
zur Nahrung erleichtert und sofortige Maßnahmen ergriffen werden, um die Lebensmittelproduktion zu steigern.
Diouf kritisiert Absenkung der Landwirtschaftshilfen
FAO-Generalsekretär Jacques Diouf rief die Staats- und Regierungschefs auf, sofort zu handeln. "Es gibt
823 Mio. Menschen, die vom Hunger bedroht sind. Ihre Lebensbedingungen müssen verbessert werden. Sie brauchen
effizientere Mittel in der Landwirtschaft. Sie müssen aus dem Mittelalter heraus und zu Autonomie in der Produktion
ihrer Nahrung gelangen", sagte Diouf. Mit USD 30 Mrd. pro Jahr könne man die weltweite Nahrungskrise
bekämpfen, versicherte der FAO-Generalsekretär. "Das Problem des Hungers ist ein politisches Problem,
dem man absolute Priorität einräumen muss", so Diouf. Er kritisierte, dass zwischen 1980 und 2005
die Landwirtschaftshilfen von USD 8 Mrd. auf 3,4 Mrd. zurückgegangen seien. Dabei wären diese Hilfen
für das Überleben von 70% der armen Bevölkerung in der Welt notwendig.
Brasiliens Präsident verteidigt Biotreibstoffe
Brasiliens Präsident Luiz Inacio "Lula" da Silva hat sich wiederum in der laufenden Debatte
rund um die Klimaeffekte von Biotreibstoffen zu Wort gemeldet. Die Erhöhung der Lebensmittelpreise sei nicht
den Biotreibstoffen zuzuschreiben. "Wenn man wirklich die Ursachen der Nahrungsmittelkrise begreifen will,
müssen wir die Kampagne der mächtigen Lobbys bekämpfen, die behaupten, dass die Ethanol-Produktion
für den Preisanstieg der Lebensmittel verantwortlich ist. Das stimmt aber nicht. Biotreibstoffe können
zu einem wichtigen Mittel für die Energie-Sicherheit der Menschheit werden", sagte Lula. Der Preisanstieg
im Lebensmittelbereich sei nicht nur einer einzigen Ursache, sondern einer Mischung verschiedener Faktoren zuzuschreiben,
wie der Erhöhung der Erdölpreise und dem stärkeren Nahrungsmittelkonsum in Ländern wie Indien,
China und Brasilien. Weltweit seien über 800 Mio. Menschen vom Hunger betroffen. "Das ist ein Affront
für die ganze Menschheit", sagte Lula.
Ägyptens Präsident fordert globale Partnerschaft
Ägyptens Präsident Hosni Mubarak hat eine Erweiterung der UNO-Taskforce vorgeschlagen, die sich
mit der weltweiten Lebensmittelkrise beschäftigt. Mubarak sprach sich für eine "globale Partnerschaft"
zur Entwicklung einer kurz- und langfristigen Strategie zur Bewältigung der Nahrungsmittelkrise aus. Außerdem
forderte der ägyptische Präsident einen internationalen Dialog zwischen Produzenten und Importeuren von
Lebensmitteln und Strom. Mubarak kritisierte den Vorschlag von FAO-Generalsekretär Diouf, angesichts der Krise
die weltweiten Weizenreserven zu steigern. "Die FAO drängt, dass die Weizenreserven von 14 auf 19% der
weltweiten Gesamtproduktion erhöht werden. Dieser Vorschlag ist langfristig naiv. Kurzfristig könnte
diese Strategie die Krise noch mehr verschärfen", so Mubarak.
COPA/COGECA fordern Marktstabilität und existenzsichernde Preise
Die europäischen Dachverbände der Landwirte und ihrer Genossenschaften (COPA und COGECA) haben
die Konferenz wiederum zum Anlass genommen, die dort versammelten Staats- und Regierungschefs zur Förderung
der Ernährungssicherheit durch Marktstabilität und existenzsichernde Preise aufzurufen. "In der
Vergangenheit beschuldigte man die EU, die Weltmarktpreise - insbesondere durch ihre Exporterstattungen - nach
unten zu drücken und der Grund für neue Armut in Entwicklungsländern zu sein. Jetzt, da beinahe
alle Exporterstattungen abgeschafft sind, sagen uns die gleichen Kritiker, dass die höheren Preise die Ursache
für Armut und Hunger sind. Sie sollten aber bedenken, dass über die Hälfte der 860 Mio. Hungernden
in der Welt Bauern sind", betonte COPA/COGECA-Generalsekretär Pekka Pesonen.
"Der beste Weg sicherzustellen, dass die Welt genug zu essen hat, besteht darin, den Landwirten Anreize zur
Produktion und zu Investitionen zu geben", so Pesonen, der es für wichtig hält, dass Entwicklungsländer
in der Lage sind, ihre Ernährungssicherheit selbst aufzubauen. "Fairere Preise, die den Bauern zugute
kommen, sind notwendig, dies zu erreichen", so Pesonen. "In Europa war die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)
so erfolgreich darin, unsere heutige Ernährungssicherheit aufzubauen, dass die Verbraucher diese mittlerweile
als selbstverständlich ansehen. In der EU wurden aber mittlerweile nahezu alle Instrumente, die diese Stabilität
erreicht haben, abgeschafft - zu einem Zeitpunkt, an dem wir uns weit größerer Preisvolatilität
auf dem Weltmarkt und möglichen Lebensmittel-Knappheiten gegenüber sehen. Auch die politischen Entscheidungsträger
in Europa müssen eine gesicherte und stabile Nahrungsmittelversorgung wieder zu ihrem Kernziel machen",
sagte der COPA/COGECA-Generalsekretär. |