Enquete über Musikvermittlung, musikalische Bildung und Ausbildung
Wien (pk) - Unter dem Titel "Zukunftsmusik. Aktuelle Herausforderungen und musikalische Entwicklungsperspektiven
in Österreich" befasste sich eine Parlamentarische Enquete am 03.06. mit den Themen Musik(aus)bildung,
Musikvermittlung und Musikpädagogik sowie Musikwirtschaft und Musikstandort Österreich. Der Anstoß
zu der Veranstaltung war vom Gesprächen zwischen der Präsidentenkonferenz Musik und dem parlamentarischen
Kulturausschuss ausgegangen, dessen Vorsitzende Abgeordnete Christine Muttonen (S) in ihren Begrüßungsworten
unter Hinweis auf den breiten Teilnehmerkreis ihre Hoffnung auf einen fruchtbaren Dialog zwischen Politik und Kultur
zum Ausdruck brachte. Sie erinnerte an die konstruktive Zusammenarbeit aller Fraktionen im Vorfeld der Enquete
und meinte, Napoleon zitierend, Musik habe von allen Künsten den tiefsten Einfluss auf das Gemüt, der
Gesetzgeber sollte sie deshalb am meisten fördern.
Schmied: Musik ist eine "tragende Säule Österreichs"
Bundesministerin Claudia Schmied sah durch diese Enquete die Tatsache bestätigt, dass Musik nicht nur eine
tragende kulturelle Säule Österreichs, sondern auch ein respektabler Wirtschaftsfaktor und darüber
hinaus ein wichtiger Baustein in der Persönlichkeitsbildung junger Menschen ist. Um ihre Vielfältigkeit
zu erhalten, gelte es, die Rahmenbedingungen für eine lebendige Musiklandschaft immer wieder neu zu definieren
und zu schaffen.
Musik sei Teil der kulturellen Identität, müsse aber aus der Position der "reinen Kunst" herausgeholt
und auch in ihrer gesellschaftspolitischen Bedeutung verstanden werden, war für Schmied klar. Die Ministerin
unterstrich dabei vor allem die Rolle der Musik als integrative Kraft und erinnerte an Projekte wie das West-Eastern
Divan Orchestra Daniel Barenboims, die zeigen, dass gerade das Mittel der Musik ein Zusammenleben von Menschen
unterschiedlichster Kulturen und Religionen auf Augenhöhe ermöglicht.
Hahn: Musikbereich ist am stärksten globalisiert
Bundesminister Johannes Hahn stellte fest, die tertiäre Musikausbildung sei in Österreich auf einem sehr
hohen Niveau, die drei öffentlichen Musikuniversitäten hätten durchaus unterschiedliche Profile,
stünden aber weniger im Wettbewerb zueinander als im internationalen Wettbewerb mit entsprechenden Ausbildungseinrichtungen
anderer Länder. Aus dem Umstand, dass 46 % der Studierenden an den Musikuniversitäten nicht aus Österreich
stammen, leitete Hahn die Schlussfolgerung ab, der Musikbereich sei der am stärksten internationalisierte
und globalisierte Studienbereich in Österreich. Es sei daher wichtig, bei der Gestaltung der strukturellen
Voraussetzungen und Rahmenbedingungen auf die erhöhte Mobilität Bedacht zu nehmen.
Was die Umsetzung der Bologna-Architektur betrifft, gab Hahn zu bedenken, drei Jahre Ausbildung seien im Musikbereich
nicht ausreichend. Eine Novellierung des Universitätsgesetzes werde mehr Flexibilität bringen, die es
erlaubt, ein Bologna-Studium auch in acht Semestern zu absolvieren, wobei es allerdings, wie der Minister betonte,
bei der viersemestrigen Dauer des Master-Studiums bleiben werde.
Kirchschlager: Ein guter Musikunterricht fördert die Menschenbildung
"Grundsätzliches und internationale Rahmenbedingungen" lautete das Thema des ersten Themenblock,
der bei der Enquete im Mittelpunkt stand. Das einleitende Impulsreferat von Kammersängerin Angelika Kirchschlager
war ein Appell an die Verantwortlichen, mehr Wert auf die musikalische Bildung und Ausbildung zu legen. Es gehe
um die Frage, sagte sie, wo unsere Wertigkeiten liegen und was uns in der Gesellschaft wichtig ist. Man dürfe
sich nicht nur auf die Weiterverwertung und den Verkauf von Musik konzentrieren, denn es gehe um viel mehr als
um die Philharmoniker und die Sängerknaben. Warum ist es so schwierig, guten Musikunterricht allen zugute
kommen zu lassen, fragte sie.
Kirchschlager ortet in vielen Fällen einen ineffizienten Musikunterricht an den Schulen und sie übte
Kritik an der Tendenz, Musik und Kultur nur als ein Sahnehäubchen zu verstehen, an dem man zuerst mit der
Sparschraube zu drehen beginnt. Das sei ein Sparen am falschen Platz, da Musik über ein großes soziales
Element verfüge. Wer musiziert, müsse etwas von sich äußern, erklärte die Sängerin,
weshalb Musizieren auch sehr viel mit Emotion und Intuition zu tun habe. Diese Erfahrung sei um so wichtiger, als
wir heute in einer Zeit leben, in der die Ratio völlig überhand nehme, die Menschen immer mehr zu EinzelkämpferInnen
gemacht würden und es immer schwieriger werde, aus der Anonymität herauszutreten. Im Musikunterricht
passiere Menschenbildung, und auch dies werde mehr und mehr zur Notwendigkeit, da der kultivierte Umgang miteinander
und der Respekt voreinander verloren gehe. Somit könnte ein guter Musikunterricht auch etwas zum Klimawandel
in der Gesellschaft beitragen, bekräftige Kirchschlager.
Sie verwies auf das erfolgreiche Projekt in Venezuela, wo man in einer unterirdischen Garage begonnen hatte, mit
Kindern und Jugendlichen zu musizieren, und damit eine Welle von Musikbegeisterung ausgelöst hat. Die zahlreichen
Orchester zeigten deutlich, dass hier Energien freigeworden sind. Immer mehr hervorragende KünstlerInnen kämen
heute aus den Slums. Kirchschlager schlug auch vor, sich im Musikunterricht anstelle von zu viel Theorie wieder
mehr dem Volkslied und dem Lied an sich zuzuwenden. Man müsse die Kinder regelmäßig mit etwas Schönem
konfrontieren, denn das Schöne dürfe kein Privileg für einige wenige bleiben.
Rantasa zu den fünf musikalischen Grundrechten
Peter Rantasa vom Music Information Center Austria, das sich die bessere Verbreitung und den besseren Zugang
zur Musik zur Aufgabe gemacht hat, ging auf die fünf musikalischen Grundrechte ein, die vom IMC (International
Music Council) formuliert worden sind.
Hinsichtlich des Rechts aller Menschen auf freien musikalischen Ausdruck stehe Österreich vorbildlich da,
betonte er und erinnerte an den verfassungsrechtlichen Schutz im B-VG. Schwierigkeiten gebe es jedoch bei den Visaerteilungen
und Aufenthaltsgenehmigungen. Einiges gebe es in Österreich noch zu verbessern, um das Recht aller Menschen
auf den Erwerb musikalischer Fähigkeiten zu verwirklichen, stellte er fest. In der so genannten "Road
Map for Art-Education" werde daher vorgeschlagen, praktizierende KünstlerInnen im Unterricht einzubinden
und eine engere Zusammenarbeit mit den Kreativen zu suchen. Auch sollte die Lebenswirklichkeit der SchülerInnen
besser berücksichtigt werden, meinte er. Rantasa schloss sich den Aussagen von Angelika Kirschlager vollinhaltlich
an und betonte, eine gute kulturelle und musikalische Ausbildung sei die Basis für ein starkes Publikum und
damit auch für eine starke Musikwirtschaft.
Das Recht aller Menschen auf Zugang zu musikalischen und kulturellen Aktivitäten durch Teilnehmen, Zuhören,
Kreation und Information, sowie das Recht für Kulturschaffende auf geeignete Ausstattung, um ihre Kunst auszuüben
und durch alle Medien zu kommunizieren, sei heute stark geprägt durch Digitalisierung und Globalisierung sowie
durch Marktkonzentration. In der Wertschöpfungskette gehe es den Veranstaltern und KonsumentInnen in Österreich
hervorragend, wobei man für die zeitgenössische Kunst noch mehr tun könnte, bemerkte Rantasa. Wesentlich
schlechter sehe es am Tonträgermarkt aus, wo derzeit ein umfassender Strukturwandel in Gange sei. Die Politik
habe daher darauf zu reagieren und gezielte Strategien zu entwickeln. Bei den elektronischen Medien habe sich in
den letzten Jahren viel getan, erläuterte Rantasa, es sei jedoch erforderlich, die Präsenz österreichischer
Musik darin anzuheben. Der Experte dachte in diesem Zusammenhang auch an Selbstverpflichtungen der Medien.
Als größte Herausforderung bezeichnete Rantasa die Realisierung des Rechts für Kulturschaffende,
gerechte Anerkennung und Bezahlung für ihre Arbeit zu erhalten. Von diesem Ziel sei Österreich so weit
entfernt wie alle anderen Länder, stellte er fest. Die Einkommen der KünstlerInnen lägen weit unter
dem gesamtgesellschaftlichen Durchschnitt. Die Arbeit der Kreativen habe gerecht entlohnt zu werden, forderte er,
wobei auf deren Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen sei. All dies zeige, dass sich die Herausforderungen
nicht auf Bildung und Wissenschaft beschränken, sondern auch die Wirtschaft und die Justiz betreffen.
Dudt: Musik ist keine Handelsware
Simone Dudt vom Europäischen Musikrat, einem Dachverband und Netzwerk verschiedener Musikorganisationen, beleuchtete
die internationalen Rahmenbedingungen. Im Zentrum der Arbeit des Musikrats steht die Förderung und der Schutz
der musikalischen Vielfalt, sowie die Wahrung der musikalischen Grundrechte.
Dudt ging zunächst auf die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt aus dem Jahr 2005 ein. Sie bezeichnete
diese als die "Magna Charta" der Kultur, denn diese verankere das Menschrecht auf kulturelle Vielfalt
im Völkerrecht. Kunst und Kultur seien somit unter anderem als Träger von Identitäten festgelegt,
weshalb diese Bereiche nicht wie eine Handelsware angesehen werden dürfen.
Die EU sei ein eigenständiger Vertragspartner dieser Konvention und habe sie daher in einem eigenen Dokument,
der "Europäischen Agenda für Kultur in einer globalisierten Welt", im November 2007 ausgestaltet.
Darin werde die kulturelle Vielfalt beschworen und die Kreativität als ein Katalysator bezeichnet. Kultur
werde darüber hinaus auch als ein wesentlicher Bestandteil der internationalen Beziehungen anerkannt. Weiters
werde in der Agenda die Einbeziehung der Kultur in andere Politikbereiche gefordert (culture mainstreaming).
Schließlich erläuterte Dudt das Dokument "Kreative Kommunikation zu Online-Inhalten", das
sich auf KonsumentInnen und Urheberrechte konzentriere. Das Dokument stehe völlig im Geiste der Lissabonstrategie
und greift nach Ansicht Dudts zu kurz, weil es den kulturellen Reichtum zu sehr auf den Wirtschaftsfaktor reduziere.
Das culture mainstreaming habe hier noch nicht Eingang gefunden.
In einem Ausblick auf das Jahr 2009 kündigte Dudt das Thema Kreativität und Innovation als Schwerpunkte
der EU an. Auch hier warnte sie vor einer zu engen Interpretation und mahnte die Beachtung des Aspekts der musikalischen
Vielfalt ein. |
Der zweite Themenblock der Enquete "Zukunftsmusik" war den "aktuellen Herausforderungen an die musikalische
Bildung und Ausbildung" gewidmet, nachdem zuvor Grundsatzfragen und internationale Rahmenbedingungen im Mittelpunkt
standen.
Keuchel: Kulturelle Bildung bringt Schlüsselkompetenzen
Susanne Keuchel vom Bonner Zentrum für Kulturforschung sprach zur kulturellen und musikalischen Bildung und
meinte, es könnten viele Argumente für die Sinnhaftigkeit der Förderung von Musik genannt werden.
So zeige sich, dass die kognitive Entwicklung durch musikalische Förderung besser verlaufe als ohne musikalische
Unterstützung. Kulturelle Bildung verhelfe zu Schlüsselkompetenzen, betonte die Referentin, die allerdings
einschränkte, dass man derlei Erfolge nicht allein auf kulturelle Bereiche beschränken könne, erziele
man doch auch mit anderer Förderung - Mathematik oder selbst Sport - entsprechende Ergebnisse, und nicht umsonst
hätten bereits die alten Griechen die Verwandtschaft dieser Disziplinen erkannt und im Trivium bzw. im Quadrivium
zusammengefasst.
Kulturelle Bildung sei maßgeblich abhängig vom Bildungsniveau des Elternhauses, die kulturellen Bildungsunterschiede
würden derzeit durch das Schulsystem nicht ausgeglichen. Hier gelte es anzusetzen, schloss die Rednerin, die
den hohen Stellenwert von kultureller Bildung für die Gesellschaft abschließend noch einmal betonte.
Per Ekedahl: Musik mit anderen Kunstdisziplinen kombinieren
Per Ekedahl, Kinder- und Jugendleiter der schwedischen Bundeskonzerte, erzählte aus der Praxis von
Musikschulen am Beispiel der skandinavischen Modelle. Konkret hinterfragte er die klassische Aufteilung zwischen
Musikern und Auditorium ebenso, wie er die Kombination von Musik mit anderen Kunstdisziplinen anregte. Sodann ging
er auf Konzerte in Schulen ein und erläuterte deren Bedeutung für die kulturelle Bildung einer Gesellschaft
und insbesondere die psychologische Bedeutung von Musik für den Einzelnen.
Wimmer: Kampf dem Kulturpessimismus
Michael Wimmer von "educult" befasste sich mit den Strukturen der Musikausbildung in Österreich.
Er sagte, es sei nötig, gegen den grassierenden Kulturpessimismus anzutreten, denn es gebe heute wesentlich
mehr Förderung als ehedem. Es brauche aber eine nutzenorientierte Institutionenreform, um wirklich alle Potentiale
adäquat fördern zu können. Von zentraler Bedeutung sei eine bestmögliche musikpädagogische
Ausbildung schon der KindergärtnerInnen und der VolksschullehrerInnen, da bereits im Kindesalter die Förderung
entsprechend ansetzen müsse.
Es brauche zudem neue Wege in der Vermittlung, so Wimmer, der darauf verwies, dass Musik auch ein wesentliches
Mittel der sozialen Integration darstelle. Man sei also auch in der Methodik gefordert, um auch in Zukunft optimale
Ergebnisse in der Musikausbildung zu erzielen. So solle die Schule künftig primär ein kulturelles Zentrum
sein, um den Zugang zu künstlerischem Angebot so leicht wie möglich zu gestalten.
Oebelsberger: Musikunterricht für alle
Monika Oebelsberger vom Salzburger Mozarteum wiederum unterstrich die Bedeutung der Entfaltung der künstlerischen
Identität und meinte, diese Enquete mache ihr Mut, dass Österreich den richtigen Weg auf dem Gebiet der
musikalischen Bildung weitergehen werde. Es gebe derzeit ermutigende Signale, wie Musikpädagogik in Österreich
eine gute Tradition aufweise, die es entsprechend fortzuschreiben gelte. Die Rednerin verwies auf die positiven
Aspekte von Musikpädagogik und plädierte dafür, die Herausforderung eines "Musikunterrichts
für alle" anzunehmen, um alle Potenziale zu nützen und so noch bessere Resultate als bisher zu erzielen,
wozu es auch einer entsprechenden Ausbildung der Pädagogen bedürfe.
ExpertInnendiskussion: Musikalische (Aus)Bildung quo vadis?
Harald Huber vom Österreichischen Musikrat hob hervor, dass für den Musikrat als Verband der Interessenvertretungen
und als den Zielen der UNESCO verpflichtete Institution die Entfaltung der Vielfalt der Musik oberstes Ziel sei.
Ob Klassik, zeitgenössische E-Musik, Jazz, Volksmusik, Rock, Pop oder Schlager – wir unterstützen jede
Form von musikalischer Kreativität in Österreich, sagte er. Das 21. Jahrhundert sollte jeden elitären
Zugang zum Erlernen von Musikinstrumenten, zum Singen, zum Improvisieren und Komponieren, zur Verbindung der Musik
mit anderen Künsten in ein für alle Menschen geltendes Recht transformieren; so wie das Recht auf medizinische
Versorgung sei auch das Recht auf musikalische Betätigung von der Gesellschaft flächendeckend zu organisieren.
Die Enquete sollte nach Meinung des Musikrates vier Ergebnisse bringen: die Einrichtung einer Arbeitsgruppe oder
Plattform im Bildungsministerium, um das Recht aller Kinder und Erwachsenen auf musikalische Betätigung bzw.
ein entsprechendes Lernangebot umzusetzen; die Wiedereinführung der Niederlassungsbewilligung für ausländische
KünstlerInnen - wir brauchen, erläuterte der Redner, die KollegInnen nicht nur als künstlerische
Bereicherung, sondern auch um die musikpädagogische Integrationsarbeit leisten zu können; die Heranführung
des Anteils von österreichischer Musik in den heimischen Medien an den europäischen Durchschnitt von
rund 40 % - dass Österreich mit 16 % das Schlusslicht in Europa darstellt, sei beschämend und "könne
so nicht bleiben" – und die Schaffung eines hochdotierten österreichischen Musikexportfonds.
Bei Realisierung dieser vier Ziele hätte jedes Kind, jeder Jugendliche und jeder Erwachsene ausreichende Möglichkeiten,
sich musikalisch zu betätigen und auf diese Weise Kommunikation und sozialen Zusammenhang zu stiften. Auch
die aktiven kulturellen Bedürfnisse älterer Menschen und von Menschen mit Migrationshintergrund würden
entsprechend berücksichtigt.
Mag. Marialuise Koch (Fachinspektorin für Musikerziehung NÖ) meinte, man bräuchte in der Grundschule
LehrerInnen, die über musikalische Kompetenzen verfügen, die neuen pädagogischen Hochschulen haben
auf diese Notwendigkeit so reagiert, dass die Ausbildung für den Bereich Musik nicht annähernd dem entspricht,
was der Grundschullehrplan vorsieht. Die LehrerInnen haben daher zur Selbsthilfe gegriffen und arbeiten verstärkt
mit MusikschullehrerInnen zusammen. Eine oftmals geglückte und erfreuliche Symbiose, die rechtlich und finanziell
abgesichert werden muss, meinte sie. Das Recht der Kinder auf musikalische Betätigung müsse gesichert
sein, daher müsse das Ministerium Mindeststandards für die Musikausbildung samt musikpädagogischer
Forschung an allen pädagogischen Hochschulen vorgeben; gleichzeitig sollte eine ministerielle Arbeitsgruppe
zum Gelingen des Musikunterrichts in der Volks- und Sonderschule eingerichtet werden. Zudem sollte es mehr Musikvolksschulen
geben und sie sollten in das Regelschulwesen übergeführt werden.
Wer an einer Schule der 10- bis 14-Jährigen Musik unterrichtet, müsse über eine entsprechende fachliche
Qualifikation verfügen, betonte Koch. Weiters forderte sie einen durchgehenden Musik- und bildende Kunst-Unterricht
in den AHS sowie in den berufsbildenden Schulen und eine Angleichung der Lehrverpflichtungsgruppen. In allen Schulbereichen
sollten mindestens durchgehend zwei Wochenstunden Musikerziehung erfolgen, in jeder Schule müssten Räume
vorhanden sein, die kreativen zeitgemäßen Musikunterricht ermöglichen. Ihre weiteren Forderungen
waren: Schaffung rechtlicher Grundlagen und Rahmenbedingungen zur Verankerung von Musik im ganztägigen Schulbetrieb.
Alle Projekte müssen finanziell besser als bisher unterstützt werden, besondere Schwerpunkte sollen die
zeitgenössische (österreichische) Musik und die interkulturelle Begegnung bilden.
Anneliese Zeh (Chorverband Österreich) hob hervor, dass die Basis der Musikszene Österreichs, die großen
Laienorganisationen Chorverband Österreich, Österreichischer Blasmusikverband, Volkskultur usw. noch
funktionieren und nicht zu unterschätzen sind. In diesen Organisationen spiele die Ausbildung der Jugend eine
zentrale Rolle, andererseits werden Möglichkeiten des lebenslangen Lernens und der Erwachsenenbildung geboten.
Angesichts der bevorstehenden EURO meinte die Präsidentin des Chorverbandes Österreich, rund 2.200 Fußballvereinen
in Österreich stehen 3.200 Chöre gegenüber, die Genderverteilung komme nicht unerwartet, der Frauenanteil
sei in Chören 30 Mal höher als in Fußballvereinen. Gab es 2006/07 in den bundesweiten Fußballspielen
zirka 1,7 Millionen Zuschauer, werden jährlich bei den größeren Chorauftritten 3,1 Millionen Menschen
gezählt - also es gibt um 1,4 Millionen Menschen mehr Publikum! Ist es daher gerechtfertigt, dass die Bundeszuschüsse
an den Österreichischen Fußballbund 700 Mal höher sind als an den Chorverband Österreich?,
fragte sie pointiert. Auch der Blasmusikverband könne ähnliche Daten liefern, gebe es doch mehr als 2.200
Blasmusikvereine mit rund 100.000 aktiven Mitgliedern und 34.000 in Ausbildung stehenden jungen Musikern. Die Medienpräsenz
dieser Organisationen sei "inferior". Fußball sei regelmäßig in den Medien zu finden,
die Chorszene und die Blasmusik leben, obwohl sie in den Printmedien und im ORF höchstens lokal Beachtung
finden. Der ORF komme seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag, die österreichische Kultur zu zeigen, nicht
nach und sollte aufgefordert werden, die österreichische Musik und Musikszene entsprechend zu präsentieren.
Sport wird von der öffentlichen Hand und von Sponsoren gefördert, Chöre werden ideell und finanziell
kaum unterstützt. Es gebe keine Förderung der Infrastruktur, zum Beispiel Proberäume. Der Chorverband
und der österreichische Blasmusikverband fordern daher laut Zeh die Einbindung in alle (außer)schulischen
Aktivitäten und Maßnahmen der Musikausbildung in Österreich, die Anerkennung als Erwachsenenbildungsanstalt
mit entsprechender finanzieller Ausstattung, die gezielte Förderung der Jugendarbeit, den Erhalt der österreichischen
Militärmusikkapellen als Ausbildungsstätten und die mediale Präsenz durch die Erfüllung des
Kulturauftrages des ORF.
Gerhard Gutschik von der Konferenz der österreichischen Musikschulwerke machte geltend, dass die von den Ländern
und Gemeinden finanzierten Musikschulen wichtige regionale Bildungsträger seien. Es gebe über 400 solcher
Schulen an mehr als 1.800 Standorten, skizzierte er. Insgesamt würden 190.000 MusikschülerInnen unterrichtet,
in vielen Gegenden lernten drei oder vier Kinder von zehn ein Musikinstrument. Seit den siebziger Jahren habe sich,
so Gutschik, die Schülerzahl verdoppelt.
Gutschik wies darauf hin, dass die Musikschulen in vielen Bereichen mit Volksschulen und Kindergärten kooperierten.
Problemfelder seien aber das Zeitproblem der SchülerInnen und die Frage der Individualisierung. Es müsse
möglich sein, dass SchülerInnen in Ganztagsschulen individuellen Interessen nachgehen könnten, forderte
Gutschik, wobei seiner Meinung nach für Angebote der Musikschulen an Ganztagsschulen Campus-artige Schulzentren
ideal wären. Weiters trat er für Probemöglichkeiten in Pflichtschulen und die Wahl eines Instrumentalunterrichts
als Wahlpflichtfach ein. Die Musikschulen müssten jedenfalls in alle Schulreformen eingebunden werden, verlangte
Gutschik.
Udo Dahmen von der Popakademie Baden-Württemberg hob hervor, dass der MP3-Player das Musikhören in den
letzten Jahren revolutioniert habe. Ab Herbst werde es überdies eine völlig neue Generation von Handys
geben, skizzierte er, die durch weitaus höhere Speicherkapazitäten die Musik- und Filmrezeption seiner
Ansicht nach ebenfalls massiv beeinflussen wird. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass in Deutschland der Umsatz
aus dem Verkauf von Tonträgern rückläufig sei, während sich die Umsätze von Konzertveranstaltern
deutlich erhöhten.
Dahmen zufolge ist es wichtig, bei Ausbildungen im Musikbereich auf diese aktuellen Entwicklungen Rücksicht
zu nehmen. So werde es etwa auf der Popakademie Baden-Württemberg ab Herbst ein neues Ausbildungsangebot "Digital
Innovation Manager" geben, das sich auf die Verbreitung von Musik über das Internet konzentriert, schilderte
er. Außerdem werde der ökonomischen Ausbildung von Musikern grundsätzlich großer Stellenwert
eingeräumt. Die Popakademie bietet laut Dahmen aber auch Weiterbildungsprogramme und geht in Schulen, um mit
SchülerInnen und LehrerInnen zu arbeiten.
Der Dirigent und Komponist Gunter Waldek (Anton Bruckner Privatuniversität) führte aus, die österreichische
Musikausbildung genieße im Ausland einen relativ guten Ruf, allerdings zeigen sich seiner Meinung nach unter
der Oberfläche bedenkliche Risse im Fundament und "hässliche Rostflecken". So sei der Stellenwert
musischer Bildung in den Schulen relativ gering, SchülerInnen mit musikalischen Neigungen würden oft
zu Außenseitern. Weitere gravierende Defizite ortet er bei der Ausbildung von MusikpädagogInnen und
beim Stellenwert österreichischer Musik im ORF.
Waldek zufolge braucht es ausreichende Initiativen, um die österreichische Bevölkerung von der Bedeutung
der Kunst zu überzeugen, und auch Menschen, die sich wenig mit Musik beschäftigen, zu begeistern. In
diesem Zusammenhang sieht er nicht nur die Politik, sondern auch die Medien gefordert. Was Medien bewirken könnten,
zeigt Waldek zufolge etwa der Tanzboom in Folge der Ausstrahlung der "Dancing Stars". An die KünstlerInnen
richtete Waldek den Appell: "Heraus aus dem Elfenbeinturm."
Allgemeine Diskussion
In der anschließenden Diskussion beklagte Abgeordneter Christian Faul (S) die seiner Meinung nach
schlechte Stellung der Musiklehrer an den Schulen und rief überdies dazu auf, im Zuge der Gleichstellung der
Lehrerausbildung auch Überlegungen hinsichtlich der Musikschullehrer anzustellen.
Julius Koller (Fachinspektor für Musikerziehung) kritisierte insbesondere die Schlechterbezahlung der Musiklehrer
an den AHS im Verhältnis zu Lehrern anderer Gegenstände.
Bundesrätin Monika Mühlwerth (F) war sich einer Meinung mit Ferdinand Breitschopf (Fachinspektor für
Musikerziehung) in ihrer Kritik an der mangelhaften Ausstattung Wiens mit Musikschulen.
Abgeordnete Christine Muttonen (S) wiederum forderte eine stärkere Unterstützung der Musikpädagogen
durch Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen an den Schulen.
Clemens Jabloner (Orpheus Trust) erinnerte an die "verbotene" Musik in der Nazizeit und schlug eine
Verlängerung der urheberrechtlichen Schutzfrist vor, um damals verfolgten Komponisten zu ihren Tantiemen zu
verhelfen.
Bundesrat Andreas Schnider (V) meinte , man solle endlich aufhören, musisch-kreative Fächer als Nebengegenstände
zu werten, und trat weiters für eine engere Kooperation der Schulen mit den Musikschulen und den Vereinen
ein.
Walter Rehorska (Arbeitsgemeinschaft der Musikerzieher) gab zu bedenken, die musikalische Ausbildung dürfe
nicht vom Privileg des Geldes oder der Gnade des Wohnortes abhängen, während Antoinetta van Zabner (Expertin
des SPÖ-Klubs) vor der Tendenz warnte, an den Musikschulen Gruppenunterricht einzurichten, und betonte, der
beste Unterricht sei der individuelle.
Die Wiedereinführung der musikalischen Vorbildung als Voraussetzung für Volksschullehrer war ein Anliegen
Hans Brunners (Österreichische Blasmusikjugend).
Hans Peter Ochsenhofer (Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport, freie Berufe) warf ein, der österreichische "Dialekt"
dürfe in der Musik nicht verloren gehen und rief zu einer Rückkehr von der Quantität zur Qualität
auf. Österreich sollte seine eigene musikalische Identität stolz pflegen und sich nicht durch den Bologna-Prozess
und "schwachsinnige Projekte" ablenken lassen, bemerkte er kritisch.
Auf die soziale Aufgabe der Musik wies Roland Haas (Experte des Grünen Klubs) hin, wobei er dazu aufrief,
künstlerische Ausbildung und Wissen an den Schulen und Universitäten zusammenzubringen.
Michael Seywald (Konferenz der Österreichischen Musikschulwerke) plädierte für eine durchgängige
Musikausbildung von der Volksschule bis zur Universität und meinte überdies, die Diskussion sollte auch
auf den Beitrag der Eltern zum Funktionieren des Systems Rücksicht nehmen.
Dem Abgeordneten Wolfgang Zinggl (G) ging es darum, in der Ausbildung nicht nur die klassische Musik, sondern auch
Popmusik zu fördern.
Matthias Krampe (Präsidentenkonferenz Musik) sprach den Beitrag der Kirchen an und gab zu bedenken, die Kirchen
würden sich ohne staatliche Unterstützung den Luxus von hauptberuflich angestellten Musikern leisten.
Er regte in diesem Zusammenhang einen verstärkten Dialog der staatlichen Institutionen mit den Kirchen an.
Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) hob die Bedeutung der musikalischen Frühförderung hervor, während
Ranko Markovic (Konservatorium Wiener Privatuniversität) für die Verankerung eines integrativen Platzes
der Kunstentwicklung in den Lehrplänen eintrat. Gabriele Proy (Präsidentenkonferenz Musik) schließlich
brach eine Lanze für eine fächerübergreifende, interdisziplinäre Musikausbildung. |
Musikwirtschaft und Standortentwicklung war das Thema des dritten Themenblocks der parlamentarischen Enquete zum
Thema "Zukunftsmusik". Die Enquete wurde am Nachmittag fortgesetzt und mit einer allgemeinen Diskussion
gegen Abend abgeschlossen.
Dorfmeister: Unterstützung des heimischen Marktes nötig
Stefan Dorfmeister, "Austrian Music Ambassador Network", sprach zum Thema Populärmusik und beleuchtete
den internationalen Kontext der österreichischen Musikwirtschaft. Es gehe darum, die heimischen Produkte international
bekannter zu machen, zumal in Zeiten der Globalisierung, deren Chancen es zu nutzen gelte. Hierzu müssten
die Rahmenbedingungen bei der Vermarktung optimiert werden, die heimische Standortpolitik müsse darauf abgestellt
werden, wozu es auch erforderlich sei, den verschiedenen Sparten der heimischen Musik mehr "Respekt"
entgegenzubringen. Konkret brauche es entsprechende Unterstützung des heimischen Marktes, schloss Dorfmeister.
Leonhard: Trend zur "Musik im Netz"
Der Buchautor Gerd Leonhard meinte, man sei bei der Verbreitung von Musik via Internet noch am Anfang. Doch schon
jetzt hörte eine beachtliche Menge Menschen Musik im Netz, wobei sich der Trend verstärke, dass die Musikstücke
gratis an den Konsumenten kämen, was auf den traditionellen Bereich des Musikmarktes entsprechende Auswirkungen
habe. Es ergäben sich in diesen Zusammenhang viele rechtliche Fragen, die derzeit noch einer Klärung
harrten. So müsse das klassische Copyright durch ein zeitgemäßes Nutzungsrecht aktualisiert werden,
erklärte Leonhard. Es brauche eine Lizenzierung der neuen Möglichkeiten, dann würden sich diese
auch kommerziell lohnen, schloss der Redner.
Baum: historisch gewachsene Strukturen nicht zerstören
Andreas Baum von der AKM erklärte das gegenwärtige System der kommerziellen Verwertung von Musik. Durch
Organisationen wie die AKM werde das Urheberrecht von Komponisten ansprechend vertreten, wobei auf Basis von Gegenseitigkeit
auf jedem Territorium jeweils das gesamte Weltschaffen repräsentiert wird. Nun gebe es aber Versuche, dieses
System unter Berufung auf den freien Wettbewerb zu zerschlagen, was sich überaus negativ auf historisch gewachsene
Strukturen, die sich bewährt haben, auswirken würde. Solchen Initiativen müsse man im Interesse
der Urheber, aber auch im Interesse der Konsumenten, eine Absage erteilen. Derzeit herrschten klare Verhältnisse,
die für ein breites Angebot und kulturelle Vielfalt sorgten, alles andere würde sich á la longue
nur negativ auswirken, weshalb er als Kreativer dafür eintrete, gegen solche Vorhaben aufzutreten, damit auch
künftig noch die AKM und nicht das AMS für die Musiker zuständig bleibe.
Mitsche: ORF als wichtigster Träger am elektronischen Medienmarkt
Willy Mitsche (ORF) erläuterte zunächst, dass der ORF täglich 6,1 Mill. Menschen in Österreich,
das sind 82,6 %, erreicht und über einen Tagesmarktanteil von 79 % verfügt. Damit sei der ORF der wesentlichste
Träger am österreichischen elektronischen Medienmarkt.
Mitsche verteidigte die Programmpolitik des ORF und betonte, der Anteil an österreichischer Musik im ORF betrage
25 %. Der Unterschied zum Zahlenmaterial der AKM entstehe dadurch, dass sich der ORF an den InterpretInnen orientiert,
die AKM aber an den UrheberInnen. Mitsche bekräftigte, der ORF sei der österreichischen Identität
einerseits und den Wünschen der KonsumentInnen andererseits verpflichtet. Er ging dann näher auf die
einzelnen Programme des ORF ein und betonte, in der Sendung "Zeitton" in Ö1 liege der Anteil an
zeitgenössischer Musik von österreichischen MusikerInnen bei 60 %. Mitsche erwähnte auch das Radio-Symphonieorchester,
das jährlich bis zu 12 Kompositionsaufträge vergibt und immer wieder Erstaufführungen österreichischer
KomponistInnen vornimmt. In Ö3 werden laut Mitsche 85 österreichische InterpretInnen regelmäßig
eingesetzt. Die Programmauswahl von Ö3 basiere auf Qualität und der Akzeptanz beim Publikum, sagte er
und informierte über die Initiativen "Neue Österreicher", "Ö3 Soundcheck" sowie
über die Off-Air-Aktivitäten für österreichische MusikerInnen. Ebenso engagiert auf diesem
Gebiet sei FM4, wo es den Soundpark, eine Einstiegshilfe für österreichische MusikerInnen, gebe. Auch
die Regionalradios seien Partner der lokalen Musikszene, fügte Mitsche hinzu.
Abschließend unterstrich Mitsche, der ORF nehme seine Verantwortung wahr und seine Qualitätskriterien
seien durch das Angebot am Musikmarkt sowie durch die Akzeptanz beim Publikum definiert. Quoten lehnte er ab. Er
schlug jedoch vor, eine Arbeitsgruppe für weitere Diskussionen und Lösungsvorschläge einzusetzen.
Eder: ORF erfüllt seinen Programmauftrag nicht
Hannes Eder (Universal Music Austria) konterte, der Vorschlag, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, liege seit 20 Jahren
auf dem Tisch. Er widersprach der Darstellung seines Vorredners heftig und stellte fest, 86 % des Musikprogramms
des ORF seien anglo-amerikanischen Ursprungs. Auch Ö3 bringe nur 5 % von heimischen MusikerInnen. Damit stehe
die Musiknation Österreich am Schluss jeder Vergleichsstatistik.
Eder betonte, es sei notwendig, zunächst in Österreich erfolgreich zu sein, um dann im Ausland reüssieren
zu können. In Österreich kämen jedoch auf Grund der Umstände die Pop- und Rockproduktionen
mehr und mehr zum Erliegen. Der ORF erfülle seinen Programmauftrag nicht, und ausgerechnet der Sender mit
der größten Reichweite, Ö3, nehme diesen nur oberflächlich wahr. Dabei mangle es nicht an
sendefähigem Material, sagte Eder, der auch das Argument, eine Erhöhung der Quote an österreichischen
MusikerInnen vertreibe HörerInnen und Werbung, zurückwies. Man wisse aus Umfragen, dass die ÖsterreicherInnen
ein ausgewogenes Programm mit heimischem Bezug wünschen. Durch die Diskussionsverweigerung des ORF habe unter
den MusikerInnen in der Zwischenzeit Demoralisierung und Depression Platz gegriffen, konstatierte er. Eder forderte
daher eine freiwillige Erhöhung der Quote als Antwort auf die Identitätsdebatte, damit man jenen, die
die Musiknation Österreich formen, einen Chance gibt.
Smudits: E-Musik-Weltmacht, aber musikindustrielle Kolonie
Alfred Smudits (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Mediacult) konnte dem Argument,
Österreich sei ein kleines Land und ein kleiner Binnenmarkt, weshalb man am heimischen Markt nicht überleben
könne, nicht viel abgewinnen. Österreich sei eine Weltmacht auf dem Sektor der E-Musik, aber eine musikindustrielle
Kolonie, mit relativ kleinen Dependancen, bemerkte er pointiert. Es gehe nun in erster Linie darum, den gesetzlich
festgeschriebenen Kulturauftrag des ORF zu definieren, sagte er, was eine kulturpolitische Diskussion voraussetze.
Als notwendige Maßnahme nannte er Lobbying, Lobbying und nochmals Lobbying. Die Einführung einer Quote
für österreichische Musik wäre für ihn insofern kein Tabubruch, da es diese schon für
den Film gibt. Eine Quote allein genüge jedoch nicht, sondern es bedürfe zusätzlicher flankierender
Maßnahmen, wie etwa Auflagen für Privatradios. Smudits schlug auch vor, Spartenprogramme einzurichten,
die vom ORF gemeinsam mit Stakeholdern getragen werden. Darüber hinaus hielt er eine kontinuierliche Evaluierung
der Erfüllung des Kulturauftrags durch eine vom ORF unabhängige Einrichtung für erforderlich.
Tomandl: Verbindliche Quote für heimische Musik
Georg Tomandl von Fachverband der Audiovisions- und Filmindustrie und Obmann des Österreichischen Musikfonds
erinnerte an die Gründung des Österreichischen Musikfonds, der es sich zur Aufgabe gestellt hat, Musikschaffen,
Musikproduktion und Live-Tourneen zu fördern, um die musikalische Vielfalt in Österreich zu erhalten.
Der ORF, für den die Österreicher ja zahlen müssen, sollte die Plattform bieten, dass man die Bands
und die Musiker des Landes auch hören kann. Laut AKM betrage der Österreich-Anteil 5,5 % in Ö3,
auch bei FM4 sinken die Zahlen. Im Radio gebe es zwar Band-Wettbewerbe, aber der Sieger habe keine Garantie, gespielt
zu werden, weil – laut Auskunft – "in Ö3 das gespielt wird, was dorthin passt". Es geht nach Meinung
von Tomandl nicht, dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk bei seinem wesentlichen Sender nach Privatradiomaßstäben
durchformatiert ist; außerdem sei es "eigenartig", dass es zwar Hörertests gibt, deren Auswertung
kenne aber niemand. Ein wesentliches Kriterium für die Erfüllung des Kulturauftrages sei das Abspielen
von Neuigkeiten. Daher forderte Tomandl die Einführung einer verbindlichen Quote für heimische Musik
in allen Sendern.
Ager: Was nicht im ORF gespielt wird, wird nicht nachgefragt
Klaus Ager, Vorsitzender des Österreichischen Komponistenbundes, sprach die Anerkennung der Komponisten und
eine faire Remuneration deren Arbeit an. Wenn man nach neuen Modellen der Remuneration suchen will, dann seien
die Komponisten gerne zu einer Mitarbeit bereit. Hinsichtlich des heimischen Repertoires sei die Situation nicht
nur katastrophal, sondern "dramatisch ernst". Österreich liege, was wenig überraschend ist,
mit seinen 10 % an letzter Stelle. Wenn man zudem weiß, dass der öffentlich-rechtliche ORF Marktführer
ist – 78 % der Österreicher hören oft Musik im Radio –, dann sollte man darüber nachdenken, was
man mit dem ORF machen könne. Die Musik, die nicht im ORF gespielt wird und nicht bekannt ist, wird auch nicht
nachgefragt, betonte er. Keine Nachfrage bedeutet: keine Tonträgerverkäufe, keine Konzertprogrammierung,
keine Auftrittsmöglichkeiten, keine Kompositionsaufträge, keine Plattenverträge, keine Verlagsverträge.
Das führe zu weniger Wertschöpfung aller an der Wertschöpfungskette beteiligten Personen und Unternehmen,
angefangen von den Urhebern der Werke über die Interpreten, die Performer und Ausführenden bis zu den
Tonstudios, Verlagen, Labels usw. Da gehe es insgesamt um sehr, sehr viel Geld, unterstrich Klaus Ager.
Medwenitsch: Musikwirtschaft - keine Arbeitsgruppe, sondern Arbeit
Auch beim Panel "Österreichische Musikwirtschaft quo vadis?" wurde der Frage des österreichischen
Musikanteils im ORF seitens der ReferentInnen breiter Raum gewidmet. So wandte sich etwa Franz Medwenitsch vom
Verband der österreichischen Musikwirtschaft mit der Feststellung an den ORF-Vertreter Willy Mitsche, dass
die Musikwirtschaft dem ORF mit ihrer Forderung nach mehr österreichischer Musik im Österreichischen
Rundfunk nicht schaden wolle. Vielmehr gehe es um eine Partnerschaft. Der Idee einer Arbeitsgruppe stehe er allerdings
skeptisch gegenüber, sagte er, was die Musikwirtschaft brauche, sei keine Arbeitsgruppe, sondern Arbeit. Es
hindere den ORF niemand, von sich aus mehr österreichische Musik zu spielen.
Der ORF ist Medwenitsch zufolge schon deshalb wesentlich für die österreichische Musikwirtschaft, weil
der österreichische Musikmarkt sehr klein sei und das Produktionsrisiko daher verhältnismäßig
hoch. Ohne Partner in den Medien sei Musikproduktion schwierig.
Als auffällig erachtet es Medwenitsch, dass das Interesse an Musik in den letzten Jahren gestiegen sei, die
Absätze aber sinken. Es gebe also kein Produktproblem, meinte er, die Wertschöpfung laufe jedoch offenbar
an der Musikwirtschaft vorbei. Medwenitsch forderte auch eine breitere gesellschaftliche Debatte über den
Wert des geistigen und kreativen Eigentums, und wertete in diesem Zusammenhang die Urheber-Schutzfrist für
Musiker und Labels als viel zu niedrig.
Müller: Ein Musikstandortsicherungsgesetz muss her
Werner Müller, Geschäftsführer des Fachverbands Film- und Musikindustrie der Wirtschaftskammer
Österreich, wies ebenfalls auf den kleinen Inlandsmarkt für die Musikwirtschaft hin. Gleichzeitig machte
er auf den "nicht voll entwickelten" Exportmarkt, rückläufige Umsätze im traditionellen
CD-Bereich, kleine Firmenstrukturen und die seiner Meinung nach noch "entwickelbare" Medienpräsenz
im ORF und bei Privaten aufmerksam.
Besonders hob Müller hervor, dass es für die Musikwirtschaft, im Gegensatz zum Filmbereich, in Österreich
kaum Förderungen gebe. Er sprach sich in diesem Sinn für ein "Musikstandortsicherungsgesetz"
aus, in dessen Rahmen man verschiedene Förderungen zusammenfassen könnte. Ebenso urgierte er einen verstärkten
Kampf gegen Piraterie und gesetzlich verpflichtende bzw. zumindest freiwillige Quoten für österreichische
Musik im Rundfunk.
Quendler: Muss sich Kunst rechnen?
Harald Quendler, Chef der "Extraplatte", meinte eingangs seines Statements, die Sicht des Kaufmanns
sei nicht immer die Sicht des Musikinteressierten. Auch über die Frage "Muss sich Kunst rechnen?"
werde schon lange diskutiert. Er selbst verneine diese Frage.
Quendler ortet u.a. gravierende Mängel im Ausbildungsbereich, nicht nur für Musiker, sondern auch im
Musikmanagement. Überdies sprach er von einer "schauderhaften" Medienlandschaft und einem ratlosen
ORF. Gravierende Folgen hat seiner Auffassung nach auch die Trennung zwischen E- und U-Musik, die nicht zuletzt
zu einer unterschwelligen Diskriminierung der U-Musik führe.
Hynek: Mehr heimische Musik ins Radio
Musikdirektor Johannes Hynek setzte sich mit adäquater Nachwuchsförderung auseinander, wobei er auf konkrete
Projekte auf diesem Gebiet einging. Dabei merkte er an, dass eine Förderung des Nachwuchses auch bedinge,
dass das Hauptmedium des Landes die heimischen Produktionen entsprechend propagiert. Nur, wenn der ORF seine diesbezügliche
Aufgabe wahrnehme, könnten die österreichischen Produkte auch auf dem Markt konkurrenzfähig sein,
behauptete Hynek, der mit der Losung schloss: "Mehr heimische Musik ins Radio!"
Kirchmayr: Geeignete Produktionsstätten für Musik
DJ Susanne Kirchmayr sah sich als Vertreterin der elektronischen Musik und ging auf die Bedingungen in
"ihrer Sparte der Musik" ein. Vor allem beleuchtete sie die elektronische Musik aus der Sicht von Live-Auftritten,
für welche sie sich ansprechende Rahmenbedingungen wünschte. Zudem trat sie dafür ein, geeignete
Produktionsstätten für Musik zu schaffen, wovon vor allem der Nachwuchs, aber auch weibliche Künstlerinnen,
profitieren könnten.
Abschließende Diskussion
Die folgende Diskussionsrunde eröffnete Peter Legat (Präsidentenkonferenz Musik) mit der Forderung
nach einer Quote von mindestens 40 % inländischer Musik auf Ö 3, während Harald Ossberger (Präsidentenkonferenz
Musik) meinte, ohne Basisförderung der Musiker könne es keine Szene geben. Projektförderung allein
reiche nicht aus, es gehe vor allem auch um die Ermöglichung des Existierens überhaupt.
Santangela Jura (IG World Music) sprach von den Problemen der Musiker im Bereich World Music und setzte sich kritisch
mit der Fremdenrechtslage in Österreich auseinander, die ihrer Einschätzung nach ausländische Musiker
von der Förderung ausschließe und diskriminiere.
Horst Unterholzner (Verband der österreichischen Musikwirtschaft) sah insbesondere Handlungsbedarf bei der
Förderung junger Pop- und Rockmusiker und meinte, auf dem Spiel stehe dabei die Sicherung des Standorts in
Österreich.
Gerd Leonhard (MediaFuturist) trat für die Errichtung einer Quote auf dem Internet ein und argumentierte,
die Zukunft des Musikkonsums liege im Breitband und im Handy, nicht beim traditionellen Radio. Dem hielt Paul Hertel
(Österreichischer Musikrat) entgegen, die Musiker brauchten als Partner einen starken ORF. Das Internet sei
eine interessante Zukunftsvision, derzeit gelte es aber, mit der Realität in der Gegenwart umzugehen.
Wolfgang Wasserburger (Elternvertreter der Musikschulen Wien) bedauerte, dass viele Kinder jahrelang Instrumente
lernen, ohne je zeitgenössische Musik zu spielen. Bedauerlich sei auch die Situation der Musikausbildung.
In Wien kommen auf jeden Klavierausbildungsplatz zwanzig Anmeldungen. "Die Lehrer können einem Leid tun,
die Jahr für Jahr entscheiden müssen, wer zu den 95 % "unbegabten" Kindern gehört",
sagte Wasserburger.
Abgeordnete Gertrude Brinek (V) unterstrich die Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien in der Musikausbildung.
Der ORF müsse Role Models liefern. Die Rednerin wandte sich gegen jede "Verzweckung" der musikalischen
Bildung. Musik müsse sein dürfen, was sie ist, ein eigenständiger Zugang zur Welt, eine autonome
Form der Kunst und der Erfahrung, die nicht therapeutischen oder sozialen Zwecken unterworfen werde.
Abgeordnete Christine Muttonen (S) begrüßte den Vorschlag für eine freiwillige Selbstverpflichtung
des ORF zur Förderung des österreichischen Musikschaffens als konstruktiv und gab ihrer Freude an der
Bereitschaft zur Mitarbeit an diesem Projekt Ausdruck. Muttonen hoffte auf zügige Gespräche und auf ein
gutes Ergebnis.
Peter Rantasa (music information center austria) wandte sich gegen Lagerkämpfe zwischen E-Musik und U-Musik,
hinter denen freilich klare Interessen stehen. Dass darüber geordnet diskutiert werde, sei erfreulich, denn
immerhin gehe es um Verteilungskämpfe und Existenzen. Was noch fehle, seien Zahlen, Daten und Fakten, zeigte
Rantasa auf und zeigte sich optimistisch für die Gespräche mit dem ORF.
Waltraud Dennhardt-Herzog (Außenministerium) unterstrich die Bedeutung des Musikexports für Österreich,
diesen zu vernachlässigen, schade dem Land, denn die Musik verschaffe Österreich im Ausland einen enormen
Standortvorteil. Die Erhaltung dieses Standortvorteils durch sinnvolle Auslandsarbeit brauche Strukturen im Inland.
Die Rednerin informierte über das Projekt "New Austrian Sound of Music", mit dem das Außenministerium
junge Musiker unterstütze und plädierte für eine Einbindung der Wirtschaft nach skandinavischem
Vorbild.
Abgeordneter Hannes Weninger (S) hielt es für notwendig, die wirtschaftlichen, rechtlichen und fiskalischen
Rahmenbedingungen der Musikproduktion angesichts völliger veränderter Marktbedingungen auf eine neue
Ebene zu bringen. Der Abgeordnete begrüßte einen Dialog zwischen ORF und Musikbranche und sprach die
Hoffnung auf eine kulturelle Partnerschaft aus, die aus dem Konflikt entstehen könnte. Ressortübergreifenden
Handlungsbedarf zur Lösung fiskalischer und wirtschaftspolitischer Fragen sah Abgeordneter Weninger sowohl
für die Bundesregierung als auch für das Parlament.
Bruno Strobl (IGNM) bot die Mitarbeit der Internationalen Gesellschaft für neue Musik bei der Lösung
der angesprochenen Probleme an. Die Sendezeiten für Musik haben im ORF zugenommen und auch die Förderungen
der öffentlichen Hand, die zeitgenössische Musik werde aber weniger gespielt und gefördert - die
Förderungen haben in den letzten zehn Jahren um mehr als 50 % abgenommen. Ein spezieller Arbeitskreis sollte
sich mit der Situation der zeitgenössischen Komponisten befassen, verlangte Strobl. Eine Quote für zeitgenössische
Musik beim ORF fände er gut, sagte Strobl, aber nicht nur dort, sondern auch bei Orchestern und Musikausführenden.
Mia Zawelka fühlte sich als Musikerin und Komponistin in Ö1 und auch von ihrem Label gut vertreten. Wichtig
seien neue Strategien zur Unterstützung des Marketings von Musiklabels. Der Musikstandort Österreich
nütze der zeitgenössischen Musik wenig. Das Bewusstsein, dass Österreich zeitgenössische Musik
komponiert und produziert werde, sei erst herzustellen. Für problematisch hielt die Musikerin den geringen
Anteil zeitgenössischer Musik an Veranstaltungsprogrammen. "Neuer Wind in die Musikschulen" bestehe
nicht darin, Popmusik nach Noten spielen zu lernen, sondern jungen Menschen die Möglichkeit zu bieten, Musik
selbst zu produzieren.
Peter Paul Skrepek (Musiker-Komponisten-AutorenGilde) warnte vor der Übertragung des Bologna-Prozesses auf
die österreichische Musik, dies würde das Ende jeder österreichischen Musik bedeuten. Skrepek bedauerte,
dass österreichische Musikschaffende in der heutigen Diskussion geringer vertreten seien als bei einer parlamentarischen
Diskussion im Jahre 1997. Das Angebot des ORF komme spät, wobei der Wind aus der EU wehe, die auf die Erfüllung
des ORF-Bildungsauftrages dränge. Skrepek sprach sich für eine ernsthafte, datenfundierte Diskussion
aus. Diese Diskussion sollte öffentlich geführt werden, verlangte er. Er möchte österreichische
Musiker und Musikerinnen im Radio hören, und zwar nicht erst knapp vor oder nach Mitternacht, sagte Peter
Paul Skrepek.
Abgeordneter Franz Morak (V) bekundete pointiert, er hasse es, Künstler sehen zu müssen, die als Bittsteller
auftreten müssen. Die Wirklichkeit, die Künstler zwinge, zwischen Boheme und Obdachlosigkeit zu leben,
sei veränderbar, sagte Morak, der als Musiker selbst unter einem Sendeverbot im ORF gelitten habe. "Wir
brauchen einen starken ORF als Triebfeder, um zu zeigen, wer wir sind." Denn wenn ein österreichischer
Künstler auf die Frage, wie oft er in Österreich gespielt werde, sage: "Nie", dann antworte
man ihm in Deutschland: "Warum willst du dann hier gespielt werden?"
Georg Tomandl (Fachverband der Audiovisions- und Filmindustrie, Österreichischer Musikfonds) reagierte auf
den Vorwurf, es gebe keine sinnvollen Konzepte zur Förderung des österreichischen Musikexports, mit Informationen
über das "Austrian Music Ambassador Network", an dem 16 heimische Labels beteiligt sind.
Harald Quendler zeigte sich skeptisch gegenüber Medienexperten und bekundete, keinen Qualitätszuwachs
erkennen zu können, wenn man auf einem Handy 4000 Fernsehsender empfangen könne. Quendler warnte davor,
in der Fülle dessen, was zur Verfügung gestellt werde, bereits einen Qualitätszuwachs sehen zu wollen.
Willy Mitsche (ORF) erinnerte daran, man müsse dem ORF die Möglichkeit geben, stark zu bleiben, wenn
man einen starken ORF wolle. Triebfeder der genannten Arbeitsgruppe sei nicht der EU-Kulturauftrag, sondern der
Wunsch, eine Frage in aller Öffentlichkeit zu diskutieren und zu einem Konsens über eine freiwillige
Selbstverpflichtung zu kommen. Alle Beteiligten sollten sich nach dem Sommer unter Einschluss der Privatradios
im Funkhaus treffen, lautete Mitsches Vorschlag. Eine gesetzlich vorgeschriebene Quote wäre staatlicher Dirigismus,
das könnte kontraproduktiv sein, warnte Mitsche. Er sei frohen Mutes, gemeinsam ein Ergebnis finden zu können.
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