Irlands Ablehnung des EU-Reformvertrags  

erstellt am
16. 06. 08

Bundespräsident Fischer: Weiterführung der Arbeit für ein demokratisches und friedliches Europa
Wien (hofburg) - Bundespräsident Dr. Heinz Fischer erklärte in einer ersten Stellungnahme zum offenbar negativen Ergebnis der Volksabstimmung in Irland, dass es zunächst Aufgabe der irischen Regierung sein werde, ihre Sicht der Konsequenzen aus dem irischen Abstimmungsergebnis darzulegen.

An der Grundtatsache, dass wir im Interesse künftiger Generationen verpflichtet sind, an einer friedlichen Zusammenarbeit der Völker Europas und an einer Weiterentwicklung des Europäischen Projektes zu arbeiten, und dass sich Europa auf der Basis einer institutionalisierten Zusammenarbeit besser entwickeln kann als nach dem Prinzip des Konfliktes und der nationalen Egoismen hat sich auch durch das Abstimmungsergebnis in Irland nichts geändert.

Die einzelnen Schritte, die jetzt gesetzt werden müssen, um unserer gesamteuropäischen Verantwortung gerecht zu werden, müssen in Zusammenarbeit mit allen EU-Partnern sehr sorgfältig überlegt und erarbeitet werden und auch Österreich wird sich an der Weiterführung der Arbeit für ein demokratisches und friedliches Europa in verantwortungsvoller Weise betätigen, sagte der Bundespräsident.

 

Gusenbauer: Abstimmungsergebnis der irischen Bevölkerung ist zu respektieren
EU muss sich wieder auf die Menschen zu bewegen
Wien (sk) - "Das Abstimmungsergebnis der irischen Bevölkerung ist zu respektieren." Das sagte Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer am 13.06. in einer ersten Reaktion zur Ablehnung des Lissabon-Vertrages in Irland. Notwendig sei jetzt eine genaue Analyse, warum sich die Mehrheit der Iren zu einem Nein entschlossen habe und warum insgesamt so viele Europäerinnen und Europäer derzeit der EU so skeptisch gegenüberstünden. "Wir müssen uns sehr genau ansehen, wie das Projekt Europa attraktiver werden kann. Die Unzufriedenheit Vieler mit der europäischen Politik muss aber auch zu einer anderen Politik führen. Einer Politik, die sich verstärkt mit den Problemen auseinandersetzt, die den Menschen ganz offensichtlich unter den Nägeln brennen," so der Bundeskanzler.

 

Plassnik: "Leitspruch muss lauten: die 27 Mitgliedstaaten zusammenhalten"
"Die EU ist keineswegs handlungsunfähig", unterstrich die Ministerin.
Wien (bmeia) - "Das negative Votum in Irland zum EU-Reformvertrag ist ein herber Rückschlag. Da gibt es nichts zu beschönigen. Ich hätte mir gewünscht, dass die EU endlich aus der "Geschäftsordnungsdebatte" rauskommt. Es gibt genug reale Probleme und Herausforderungen, bei denen sich der Bürger erwartet, dass wir sie auf europäischer Ebene engagiert angehen. Dazu braucht es ein modernes Regelwerk für die Europäische Union der 27 Mitgliedstaaten", erklärte Außenministerin Ursula Plassnik in der ORF-Pressestunde zum EU-Referendum in Irland am 15.06..

Plassnik: "Wir müssen uns jetzt die Zeit nehmen, gemeinsam mit unseren irischen Freunden der Sache auf den Grund zu gehen und festzustellen, welche genauen Motive und Ursachen hinter der Ablehnung standen. Wir werden auch jenen Mitgliedstaaten zuhören müssen, die ihren nationalen Genehmigungsprozess noch nicht abgeschlossen haben." Das EU-Außenministertreffen in Luxemburg am Montag und der EU-Gipfel am Ende der kommenden Woche werden dazu Gelegenheit bieten.

Zugleich machte die Außenministerin klar, wo für sie die Grenzen liegen: "Unser Leitspruch muss lauten: die 27 Mitgliedstaaten zusammenhalten." Sie halte daher nichts von Szenarien, die darauf hinauslaufen "über Irland drüber zu fahren". Auch das Motto "Irland hat das Problem geschaffen und muss jetzt auch für die Lösung sorgen" werde der Problemstellung nicht gerecht. "Ich halte nichts davon, ein Land in das Strafwinkerl zu stellen. So einfach darf man es sich in einer politischen Gemeinschaft nicht machen. Es gibt hier keine Ein-Wort-Antworten oder Knopfdruck-Lösung."

Angesprochen auf die wieder aufkommende Diskussion um die Schaffung eines "Kerneuropas" verwies Plassnik auf Schengen und Euro als Erfolgsbeispiele für Sachbereiche, in denen Gruppen von EU-Mitgliedstaaten voranschreiten. "Österreich will Teil des europäischen Kerns sein. Die europäische Kernidee ist und bleibt aber das Miteinander. Wir arbeiten in der EU erfolgreich an der Überwindung von Trennlinien auf unserem Kontinent. Jetzt solche Trennlinien von anderer Seite wieder aufzubringen, wäre ein verheerender Fehler", betonte Plassnik. "Eine Rolle rückwärts in die Gründerzeit der EU ist keine Lösung."

"Die EU ist keineswegs handlungsunfähig", unterstrich die Ministerin. "Wir haben mit dem Vertrag von Nizza eine taugliche Grundlage. Jetzt in Panik alles zum Stillstand zu bringen, löst nichts und ist sicher nicht das, was die Bürger erwarten und wollen. Plassnik sprach auch das Kernthema Vertrauen an: "Wir müssen das Vertrauen in die Lösungsfähigkeit der nationalen und der europäischen Politik stärken. Dazu gehört aber auch, dass man klar macht, wo die Grenzen liegen, was Europa leisten kann und was nicht." Eine All-Lösungskompetenz der Europäischen Union zu suggerieren sei irreführend.  

 

 Voggenhuber ortet bei Plassnik fehlendes Krisenbewusstsein und Abwiegelungsrhetorik
Appell an Gusenbauer, für Österreich im Europäischen Rat nicht die Partei der Abwiegler und Beschwichtiger zu ergreifen und sich nicht an juristischen Winkelzügen zu beteiligen
Wien (grüne) - Fehlendes Krisenbewusstsein und Abwiegelungsrhetorik der Außenministerin ortet der Grüne Europa-Abgeordnete Johannes Voggenhuber anlässlich Ursula Plassniks Auftritt in der ORF-Pressestunde. "Da ist es dann auch nicht verwunderlich, dass die Außenministerin trotz monatelanger Möglichkeit, sich auf ein irisches Nein vorzubereiten, keine Vorschläge zur Lösung der Krise machen kann. Angesichts ihres mangelnden Bewusstseins dafür, was in Europa vorgeht und einem derart technokratischen Zugang zu möglichen Lösungen war das zu erwarten", so Voggenhuber.

Plassnik bezeichne das Ringen um Demokratie und Grundrechte als ´Geschäftsordnungsdebatte, spreche darüber wie über ´Gebrauchsanweisungen´ für Maschinen und behandle die zentrale Herausforderung nach einer Sozialunion als Antwort auf die Gefahren der Globalisierung als Verlangen nach ´Wärmepackungen´. Die dramatische Abwendung der BürgerInnen von Europa könne sie gerade noch als ´Vertrauensthema´ begreifen.

"Auch hinsichtlich der fatalen Fehlentscheidungen nach den negativen Abstimmungen in Frankreich und den Niederlanden zeigt Plassnik keinerlei Einsicht. Die Inhalte der Verfassung mit einem Bluff - nämlich durch das ´Neuverpacken´ in einen verklausulierten Vertrag - zu lösen, mit dem einzigen Ziel, Referenda zu vermeiden, macht das mangelnde Problembewusstsein der Außenministerin deutlich", so Voggenhuber.

Der Grüne Europa-Abgeordnete appelliert an Bundeskanzler Gusenbauer, für Österreich im Europäischen Rat nicht die Partei der Abwiegler und Beschwichtiger zu ergreifen, sich nicht an juristischen Winkelzügen zu beteiligen, sondern für die Forderung nach Überwindung der Vertrauenskrise und umfassender Demokratisierung der Union, den Schutz der Grundrechte und die Entwicklung einer sozialen Dimension einzutreten.

 

Strache: Nicht Iren, sondern Europas Regierende gehören ins Strafwinkerl
Österreicher wollen ihre Identität, Souveränität und Neutralität behalten
Wien (fpd) - "Ins ‚Strafwinkerl' gehören sicher nicht die Iren, die Europa vor dem EU-Verfassungsdiktat bewahrt haben, sondern vielmehr Europas Regierende, die es ihren Völkern verwehrt haben, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden", meinte FPÖ- Bundesparteiobmann HC Strache zu den Aussagen von Außenministerin Ursula Plassnik in der ORF-Pressestunde. In Österreich seien die EU-fanatischen Parteien SPÖ, ÖVP und Grüne zuletzt bei den Tiroler Landtagswahlen ins Strafwinkerl geschickt worden. Dies werde auch bei den kommenden Wahlgängen der Fall sein.

Zu behaupten, hinter der EU-Skepsis verberge sich "ein Knäuel von Unbehagen", das mit der EU eigentlich gar nichts zu tun habe, sei eine Unverschämtheit den Menschen gegenüber, denen Plassnik damit quasi Unmündigkeit unterstelle, kritisierte Strache. Auch das Plassnik eine neuerliche Abstimmung in Irland nicht ausschließe, sei skandalös. Offenbar wolle man so oft abstimmen lassen, bis das Ergebnis passe. Die Eurokraten wie Plassnik und Schüssel sollten jetzt in sich gehen und nicht versuchen, absurde Schuldzuweisungen vorzunehmen. Eine Abstimmung in Österreich über das EU-Verfassungsdiktat wäre mit Sicherheit nicht anders ausgegangen als in Irland. Denn die Österreicher würden ihre Souveränität, Identität und Neutralität behalten wollen und sich nicht einem europäischen Zentralstaat unterwerfen wollen. Das sollten die EU-Fanatiker gefälligst zur Kenntnis nehmen. 

 

 Scheibner: Volksabstimmung in Irland muss akzeptiert werden
Weitere Ratifizierungen des EU-Vertrages wenig sinnvoll
Wien (bzö) - Angesichts des heutigen EU-Außenministerrates appelliert der stellvertretende Klubobmann des BZÖ und außenpolitische Sprecher Herbert Scheibner an die restlichen 26 EU-Mitgliedsländer, das Ergebnis der irischen Volksabstimmung endgültig zu akzeptieren. "Die irische Bevölkerung hat sich in einem freien demokratischen Votum gegen den EU-Vertrag entschieden - das ist zu akzeptieren, auch wenn es für Brüssel unangenehm ist und die EU in ihrer Handlungsfähigkeit beeinträchtigt", so Scheibner. Jetzt gelte es rasch zu reagieren und eine echte Strukturreform innerhalb der Union umzusetzen.

Scheibner zeigt sich auch ablehnend gegenüber den immer lauter werdenden Bestrebungen den Ratifizierungsprozess unbeeindruckt fortzusetzen. "Es macht wenig Sinn den mit dem irischen Ergebnis auch rechtlich gescheiterten EU-Vertrag weiter zu ratifizieren. Die EU soll sich darum kümmern, wie sie die Mehrheit der Europäer auf ihre Seite bringt und nicht wie demokratische Ergebnisse ignoriert und ad absurdum geführt werden können. Wenn Brüssel ein demokratischeres Europa will, dann dürfen demokratische Entscheidungen nicht ignoriert werden, egal ob sie einem passen oder nicht", so Scheibner.

Der außenpolitische Sprecher des BZÖ fordertals Konsequenz "eine völlige Neuordnung der EU mit neuen Strukturen", nämlich:

Neuverhandlung eines Vertrags für Europa in Hinblick auf eine vollständige institutionelle und (kompetenz-) rechtliche Reform der Europäischen Union mit dem Ziel der Schaffung eines Bundes Europäischer Staaten (Kerneuropa der Nettozahler) unter Teilnahme Österreichs - In diesem Vertrag für Europa sind zum einen ein Grundwertekonsens sowie allgemeine Ziele zu verankern und zum anderen Mindeststandards für einzelne Politikbereiche festzuschreiben. - Abhängig vom Grad der Erfüllbarkeit dieser Ziele und Mindeststandards ergibt sich für die Mitgliedstaaten eine Zugehörigkeit zum Bund Europäischer Staaten, zum weiteren Kreis jener Länder mit entsprechenden Assoziationsabkommen oder zum äußersten Kreis der Länder mit besonderer Partnerschaft. - Ziel dieses Modulsystems soll es sein, die Länder Europas entsprechend ihrer Stärke einzubinden, dadurch Entscheidungen zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger Europas zu beschleunigen und damit letztlich den Fortbestand des Friedensprojekts "Europa" zu sichern. - In einem neu zu verhandelnden "Vertrag für Europa" sind die räumlichen, finanziellen sowie kulturellen Grenzen Europas und eine davon abgeleitete Definition des Begriffs "Aufnahmefähigkeit" der Europäischen Union als Voraussetzung für künftige Erweiterungen festzuschreiben.

Weiters forderte Scheibner den Bundeskanzler sowie die Außenministerin auf, sich auf Europäischer Ebene bei den Europäischen Räten sowie den entsprechenden Fachministerräten für die EU-weite zeitgleiche Durchführung nationaler Volksabstimmungen in allen Mitgliedsstaaten nicht nur betreffend den EU-Reformvertrag, sondern grundsätzlich bei weitgehenden Vertiefungsschritten, wie etwa die Abgabe von Kompetenzen, Änderungen im Bereich der Institutionen und Organe der EU, Finanzen, Erweiterungen etc. einzusetzen, so Scheibner abschließend.

 

Barroso: Die Lage in der gemeinsamen Verantwortung beurteilt werden
Brüssel (eu-int) - „Alle Anzeichen stehen dafür, daß Irland gegen den Vertrag von Lissabon gestimmt habe, erklärte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Nachmittag des 13.06., als Irland die Ergebnisse der Stimmauszählung bekanntgab (die Wahl selbst erfolgte am 12. Juni). „Als Befürworter des Vertrages von Lissabon hat die Europäische Kommission auf ein anderes Ergebnis gehofft. Wie auch immer, wir werden das Referendum respektieren“, so Barroso in einer Pressekonferenz. „Ich habe mit Irlands Premierminister Minister Brian Cowen gesprochen und er war ohne Zweifel, daß es keine Stimme gegen die EU gewesen ist.“ Und Barroso ist sicher, daß Irland engangiert bleibt im Aufbau eines starken Europa und weiterhin eine starke und aktive Rolle in der EU spielen werde.

Die irische Regierung und jener der anderen Mitgliedsstaaten werden nun bewerten, was dieses Ergebnis für den Erweiterungsprozeß haben wird. Der Vertrag wurde von allen 27 Mitgliedsstaaten unterzeichnet, also müsse die Lage in der gemeinsamen Verantwortung beurteilt werden. „Der Europäische Rat tritt kommende Woche zusammen – und das ist der Ort, wo gemeinsame Entscheidungen zu Fragen getroffen werden, die uns alle betreffen“, so Barroso. Der Ratifizierungsprozeß ist auf 27 Nationen ausgelegt, 18 Mitgliedsstaaten haben den Vertrag bereits ratifiziert und die EU-Kommission geht davon aus, daß die Ratifizierungen fortgesetzt werden sollten.

Im Europäischen Rat werde darüber konferiert werden, man würde sowohl Premierminister Cowen‘s Analyse hören, als auch seine Vorschläge, wie man den Bedenken jener, die mit „Nein“ gestimmt hätten, Rechnung tragen könne.

Unter einem sollten die EU-Institutionen und die Mitgliedsstaaten ihre Informationsarbeit der Bürger Europas bezüglich Wachstum und Arbeit, sozialer Zusammenhalt, Energiesicherheit, Klimawechsel und Inflationsbekämpfung weiter fortsetzen. „Zusammenarbeit in der EU bedeutet den besten Weg, mit den aktuellen Herausforderungen, die EuropäerInnen betreffen, zu meistern“, schloß der Kommissionspräsident.

 

Pöttering: Ratifizierungen in 18 Ländern der Europäischen Union nicht hinfällig
Straßburg (europarl) - Mit Bedauern hat der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, auf das negative Votum in Irland über den Lissabon Vertrag reagiert und hat die europäischen Staats- und Regierungschefs aufgerufen, bei ihrem Treffen nächste Woche in Brüssel über Lösungsmöglichkeiten in dieser Situation zu sprechen.

„Es ist natürlich eine große Enttäuschung für alle, die mehr Demokratie, mehr Handlungsfähigkeit, mehr Klarheit und Transparenz der Entscheidungen in der Europäischen Union verwirklichen wollen, daß die Mehrheit der Iren nicht von der Notwendigkeit dieser Reformen der Europäischen Union überzeugt werden konnte. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß die Europäische Union immer wieder durch Krisen und schwierige Zeiten gegangen ist. Auch heute müssen wir einen klaren Kopf bewahren.“

Die Ablehnung des Vertragtextes durch ein Land der Europäischen Union könne nicht bedeuten, daß die bereits erfolgten Ratifizierungen in 18 Ländern der Europäischen Union hinfällig würden. Die Ratifizierung in den anderen Ländern der Europäischen Union sei genauso zu respektieren wie das irische Votum. „Deswegen muß der Ratifizierungsprozeß in den Ländern, die noch nicht ratifiziert haben, weitergeführt werden.“. Die irische Regierung werde ihrerseits gemeinsam mit den europäischen Partnern Vorschläge machen müssen, wie jetzt in dieser Situation weiter verfahren werden könne. „Die Reform der Europäischen Union ist wichtig für die Bürgerinnen und Bürger, für Demokratie und Transparenz in der Europäischen Union. Deswegen hoffe ich, daß es gelingt, eine Lösung zu finden, damit die Reformen bis zur Europawahl im Juni 2009 in Kraft treten können“, so Pöttering.
     
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