Schönborn stößt Debatte um Grundlage des Ethikunterrichts an   

erstellt am
13. 06. 08

"Kants Kategorischer Imperativ oder Jesu Bergpredigt als Grundlage einer menschlichen Ordnung?" - Schulamtsleiterin Mann: Keine Angst vor "produktiver Konkurrenzsituation" zwischen Religions- und Ethikunterricht
Wien (pew) - Zu einer Debatte über die Grundlagen des "Ethikunterrichts" hat Kardinal Christoph Schönborn aufgerufen. "Der Ethikunterricht soll jungen Menschen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, eine Grundlage für ihr Umgehen mit den wichtigsten Fragen des Menschseins, vor allem für den Umgang mit den Mitmenschen, bieten", schreibt der Wiener Erzbischof in der aktuellen Ausgabe des Online-Mitarbeiter-Magazins der Erzdiözese Wien "www.themakirche.at". Mit Recht, so Schönborn, gehe der österreichische Gesetzgeber davon aus, dass diese Grundlage vom Religionsunterricht in den meisten Fällen geboten werde.

Es stelle sich die Frage, was die Grundlage eines Ethikunterrichts sein könne, so Schönborn: "Reicht der 'Kategorische Imperativ' des Immanuel Kant oder ist die Bergpredigt die Grundlage einer wahrhaft menschlichen Ordnung, obwohl das viele - auch in jüngerer Vergangenheit - geleugnet haben?" Jesu Rede von der wahren Gerechtigkeit betreffe Themen des Alltags, die heute so wichtig seien wie vor 2.000 Jahren, so der Wiener Erzbischof in "thema kirche". Die Grundhaltung der Bergpredigt könne man in einer "Goldenen Regel" zusammenfassen, die auch anderen Religionen nicht fremd sei: "Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen."

"Gemeinsamer Widerstand gegen Beliebigkeit"

"Für uns ist der Religionsunterricht ein hervorragender Ort von Wertevermittlung, aber im Sinn der Ergänzung ist Ethikunterricht sinnvoll - weil sich die Gesellschaft verändert hat", betont Christine Mann, die geschäftsführende Leiterin des Interdiözesanen Amtes für Unterricht und Erziehung, in "thema kirche". Dass es ein konstruktives und wertschätzendes Nebeneinander und Miteinander der Fächer Religion und Ethik geben könne, stehe nach jahrelangen Schulversuchen fest. Mann fordert, dass der Ethikunterricht nicht den Charakter eines "Ersatzgegenstandes" haben soll, sondern Pflichtgegenstand für jene Schüler werde, die an keinem konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen.

Die Konkurrenz fürchtet Mann nicht: "Bundesweit gesehen besuchen 95 Prozent der römisch-katholischen Schülerinnen und Schüler den Religionsunterricht. Außerdem nimmt fast ein Viertel aller Schülerinnen und Schüler ohne religiöses Bekenntnis am Religionsunterricht als Freigegenstand teil", betont die Leiterin des Erzbischöflichen Amtes für Unterricht und Erziehung in Wien. "Die Konkurrenzsituation ist produktiv und bedeutet Herausforderung hinsichtlich der Unterrichtsqualität, verstärkte Mühe um solide Argumentation auf allen Seiten und gemeinsamen Widerstand gegen Banalität und Beliebigkeit", so Mann.

Mit intelligenten pädagogischen Konzepten, die das Nebeneinander von Religion und Ethik als konstruktive Komposition sehen, könne das interkulturelle Lernen eine neue Dimension erhalten, die über die klassischen religiösen, nationalen und sozialen Konnotationen hinausgehe. In "thema kirche" kündigt Mann dazu für den Herbst einen Schulversuch in einer Handelsschule in Wien-Favoriten an.

Erzdiözese Wien: http://stephanscom.at
 
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