Burgstaller bei Salzburger Zukunftsdialog: Für eine globalisierte Politik als Gegengewicht
zu einer globalisierten Wirtschaft
Salzburg (lk) - Europa habe als ökonomischer Riese bisher sein Gewicht nicht entschlossen genug
für eine gerechtere Weltordnung eingesetzt. Das müsse sich im ureigensten Interesse der Europäer
möglichst rasch ändern, erklärte Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller am 12.06. bei einer Diskussionsrunde
der Reihe "Salzburger:Zukunfts:Dialoge" im Turmzimmer der Salzburger Arbeiterkammer. Prominenter Teilnehmer
war Prof. DDr. Franz Josef Radermacher, Mathematiker und Ökonom, Träger des Salzburger Zukunftspreises
2005 und Mitglied des Club of Rome, der auf Initiative der Landeshauptfrau mit Vertretern aus Wirtschaft, Politik,
Wissenschaft, Medien, NGOs und Interessenvertretungen über die Thematik "Die Krise der Finanzmärkte
als Chance für eine gerechtere Welt?" debattierte. In ihrem Statement verwies die Landeshauptfrau auf
die dringende Notwendigkeit, der globalisierten Ökonomie eine globalisierte Politik entgegenzusetzen.
Radermacher argumentierte in seinem Impulsreferat, dass das derzeitige Weltfinanzsystem aufgrund seiner fehlenden
Nachhaltigkeit "völlig aus dem Ruder" gelaufen sei. Das fehlen wirksamer Regulierungssysteme für
die Finanzmärkte und die ungehemmte weltweite Vermehrung der Geldmenge seien die eigentliche "Bombe"
hinter der "Bombe der jüngsten Subprime-Krise", so Radermacher warnend. Die drei existierenden Regulierungssysteme
der Vereinten Nationen, des Internationalen Währungsfonds und der WTO (Welt-Handelsorganisation) funktionierten
nach völlig anderen, untereinander widersprüchlichen Logiken. "Diese drei Regime müssten dringend
integriert werden", forderte Radermacher.
Radermacher zeichnete drei Entwicklungsszenarien mit unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeit. Dem Szenario
eines totalen "Kollaps" des Weltfinanzsystems ordnet er eine Wahrscheinlichkeit von 15 Prozent zu. Wesentlich
wahrscheinlicher – und kaum weniger bedrohlich – sei aber auch ein intensives Ringen der Staaten um das schrumpfende
Steuersubstrat, in dem letztlich nur einige wenige "starke" Staaten erfolgreich sein könnten. Wahrscheinlichkeit
laut Prof. Radermacher: 50 Prozent. Die Folge sei insbesondere ein radikaler Rückbau des sozialen Ausgleichs
("Brasilianisierung"), begleitet von einem enormen Rückgang der Sicherheitsstandards sowohl national
als auch international.
Als Ausweg zeichnete Radermacher das Bild einer "balancierten Lösung", die ein nachhaltiges Steuer-
und Finanzsystem zur Grundlage haben müsse (Eintrittswahrscheinlichkeit laut Radermacher 35 Prozent). Hauptziele
seien eine möglichst gerechte Verteilung der Lasten zur Finanzierung des Gemeinwesens und der Basis für
Wohlstand und Wertschöpfung. Hinzu komme die Sicherung der Menschenrechte und der nachhaltigen Lebensraumnutzung
über entsprechende international verbindliche Regeln, Abkommen und Gesetze. Ein derartiger Lösungsansatz
sei nur durch eine internationale Kooperation neuer Art möglich. Dazu gehöre auch eine "Demokratisierung"
von Institutionen wie Weltbank, Internationalem Währungsfonds und WTO. Der Europäischen Union komme dabei
eine Schlüsselrolle zu, so Prof. Radermacher. Die Soziale Marktwirtschaft sei – in punkto Ökologie auf
heutigen Stand gebracht – als ökosoziale Marktwirtschaft ein europäisches Erfolgsmodell mit hohem globalem
Zukunftspotenzial.
Die Frage des Abends, ob die Krise des Weltfinanzsystems gar als "Chance" zu sehen sei, ist für
Radermacher mit einem klaren "Ja" zu beantworten. "Nicht bloß als eine Chance, sondern als
dringender Anlass, rasch, konsequent und auf internationaler Ebene nachhaltige Systeme zu schaffen", so Radermacher.
Der freie Markt müsse aber seine Grenze dort haben, wo die Freiheit des anderen und seine Rechte auf faire
Lebenschancen beginne.
Franz Josef Radermacher ist einer der geistigen Väter des "Global Marshall Plans" bzw. der Idee
des "Planetary Contracts" als Zwischenschritt hin zu einer weltweiten Nachhaltigkeit. Nach dem Vorbild
des seinerzeitigen Marshall-Plans zum wirtschaftlichen Wiederaufbau des kriegszerstörten Europa (ERP: European
Recovery Program) sollte vor allem eine Besteuerung internationaler Finanztransaktionen die Grundlage für
die Finanzierung der UN-Millenniums-Ziele sein. Diese sind vor allem auf die wirksame weltweite Bekämpfung
von Hunger und Armut, die Förderung von Bildung und die Bekämpfung von Seuchen wie Malaria und Aids hin
ausgerichtet. Eine Finanzierung der dazu weltweit erforderlichen Maßnahmen wäre mit einer Belastung
von nur 0,01 Prozent auf internationale Finanztransaktionen möglich (2004 waren das 30 Milliarden US-Dollar).
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