EU-Ministerrat: Einigung auf Arbeitszeit- und Leiharbeits-Richtlinien  

erstellt am
10. 06. 08

 Ettl: Einigung ist Rückschritt
Positiver zeigt sich Ettl in Bezug auf den ebenfalls gefundenen Kompromiss hinsichtlich der Leiharbeitsrichtlinie
Wien (sk) -
Kritisch äußert sich der SPÖ-Europaabgeordnete Harald Ettl in Bezug auf die in der Nacht auf 10.06. im Ministerrat gefundene Einigung zur Arbeitszeitrichtlinie. "Die Einigung liegt weit hinter dem zurück, was Sozialpartner und das Europäische Parlament gefordert haben. Man muss hier von einem deutlichen Rückschritt sprechen. In dieser Form wird es kaum eine Zustimmung des Europäischen Parlaments geben", ist Ettl überzeugt.

Der SPÖ-Europaabgeordnete kritisiert insbesondere zwei Bereiche des gestrigen Ergebnisses. "In Zukunft soll der inaktive Teil der Arbeitsbereitschaft nicht mehr als Arbeitszeit gelten. Obwohl der EuGH in mehreren Urteilen in den letzten Jahren unmissverständlicher das Gegenteil in seiner Rechtssprechung festgestellt hat. Die Auswirkungen auf die Arbeitszeiten von Berufsgruppen wie Ärzten oder Feuerwehrmännern sind derzeit noch gar nicht abzuschätzen." Weiters kritisiert Ettl, dass in der Einigung von einem Ende des individuellen opt-outs - mit dem die Arbeitnehmer und Arbeitgeber individuell eine längere Wochenarbeitszeit als die Höchstarbeitszeit von 48 Stunden festsetzen können - keine Rede mehr ist.

Die Ausdehnung der Durchrechnungszeit auf 12 Monate, nach denen die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden erreich werden müsse - sei ein weiteres Geschenk an die Arbeitgeber, kritisiert Ettl. "Je länger der Durchrechnungszeitraum, desto stärker können Arbeitnehmer mit irregulären und langen Arbeitsstunden konfrontiert werden." Außerdem habe der Rat auf die notwendigen Sicherheitsklauseln, wie die verpflichtende Konsultation der Arbeitnehmer und deren Vertreter und verpflichtende weitergehende Sicherheitsmaßnahmen verzichtet.

Positiver zeigt sich Ettl in Bezug auf den ebenfalls gefundenen Kompromiss hinsichtlich der Leiharbeitsrichtlinie. "Auch wenn die gefundene Einigung noch weit von dem Standard, den es etwa in Österreich gibt, entfernt ist, ist eine grundsätzliche Übereinkunft in dieser Frage zu begrüßen", so Ettl. "Mit dem gefundenen Kompromiss gilt erstmals grundsätzlich gleicher Lohn für Leiharbeiter, wie für festangestellte Mitarbeiter ab dem ersten Tag. Es geht nun darum, die Ausnahmen, die immer noch existieren auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Dies wird eine der Aufgaben der Gespräche im Europäischen Parlament sein", kündigt Ettl abschließend an.

 

 Karas: Ratskompromiss wichtiger Schritt
Schritt zu mehr sozialer Kohäsion - Opt-Out Regelung für Österreich nicht notwendig
Brüssel (övp-pd) - "Die Ratseinigung zur Arbeitszeitrichtlinie sowie zur Stellung der Leiharbeiter ist ein großer Durchbruch. Jahrelang blockierte Dossiers sind wieder flott gemacht worden. Jetzt haben wir die Chance auf eine EU-Regelung, wo es bislang außer Widersprüchen zwischen EuGH-Urteilen und nationalen Regelungen keine gab. Das ist ein Schritt vorwärts zu mehr sozialer Kohäsion in der EU", sagte ÖVP-Europaklubobmann Mag. Othmar Karas. "Der Ratskompromiss bringt die notwendige Flexibilität und steht in Einklang mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes. Jetzt liegt der Ball beim Europaparlament, das hier gemeinsam und gleichberechtigt mit dem Rat entscheidet. Ich hoffe auf einen Abschluss der zweiten Lesung zu Jahresende und darauf, dass sich Parlament und Rat auf eine endgültige Fassung verständigen können", so Karas weiter.

"Ich begrüße vor allem, dass Bundesminister Martin Bartenstein sehr deutlich gemacht hat, dass Österreich auch in Zukunft von keiner Opt-Out Regelung bei der wöchentlichen Höchstarbeitszeit machen wird. Der für Österreich entscheidende Punkt des gestrigen Ratskompromisses war, dass damit der Widerspruch zwischen dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs EuGH-Urteil zum Bereitschaftsdienst und der österreichischen Position aufgelöst werden kann. Damit ist auch keine Opt-Out Regelung für unser Land notwendig", betonte Karas.

Die Minister wollen an der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden festhalten. Bis zu 65 Stunden sollen nur dann möglich sein, wenn Bereitschaftszeit als Arbeitszeit gewertet wird. Dabei soll zwischen "aktivem" und "inaktiven" Bereitschaftsdienst unterschieden werden. "Das entspricht der Forderung der EVP-ED- Fraktion und brächte die notwendigen Spielräume für die Umsetzung vor Ort. Die Bereitschaft bei der Feuerwehr ist anders als die eines Arztes in der Klinik. Unser Vorschlag der abgestuften Pauschalanrechnung macht diese Unterscheidung handhabbar", so Karas. Der ÖVP-Europaklubobmann wies auch nachdrücklich darauf hin, dass der Rat nunmehr den Vorschlag mache, eine Obergrenze für die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 65 Stunden einzuziehen: "Bisher waren 75 Stunden möglich, also zehn Stunden mehr. Auch hier haben wir also keinen Rückfall, sondern vielmehr einen Fortschritt zu verzeichnen."

 

 Kickl: Arbeitszeiten dürfen nicht zum Spielball werden
Absinken der sozialen Standards für Arbeitnehmer in der gesamten EU ist durch neue Regelungen zu befürchten
Wien (fpd) - "Die zunehmende Flexibilisierung bei den Arbeitszeiten darf keinesfalls einseitig auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung gehen", bekräftigte FPÖ-Arbeitnehmersprecher NAbg. Herbert Kickl die freiheitliche Position. Der nun beschlossene Kompromiss zu den EU-Arbeitszeitregeln durch die europäischen Arbeitsminister sei aber eindeutig ein Signal in die falsche Richtung. Langfristig werde dies zu einem Absinken der sozialen Standards für Arbeitnehmer in ganz Europa führen, wenn nicht entsprechend gegengesteuert werde, befürchtete Kickl.

Die dadurch ermöglichte Erhöhung der Wochenarbeitszeit von derzeit 48 auf bis zu 65 Wochenstunden untergrabe die ohnehin schon schwache Position der Arbeitnehmer gegenüber den Unternehmen noch weiter. Schon die Novelle zum Arbeitszeitgesetz in Österreich im vergangen Jahr sei zu Lasten der Arbeitnehmer gegangen. "Die Verantwortlichen dürfen nicht vergessen, dass die Menschen zum überwiegenden Teil Interesse an einer geregelten und überschaubaren Arbeitszeit haben. Es kann daher nicht das Ziel sein, den Bürger in Zukunft ausschließlich auf seine Arbeitsleistung reduzieren zu wollen. Genau dorthin ist die EU-Arbeitsmarktpolitik mit ihrem österreichischen Fürsprecher Bartenstein aber unterwegs", schloss Kickl.

 

 Mitterlehner begrüßt EU-Einigung
Die bestehende österreichische Regelung zur Bereitschaftszeit kann nach der Einigung der EU-Arbeitsminister aufrechterhalten werden
Wien (pwk) - "Der jetzt gefundene Kompromiss ist zu begrüßen, weil die österreichische Regelung zur Bereitschaftszeit beibehalten werden kann. Die in Österreich bereits durchgeführten Flexibilisierungsschritte im Bereich des Arbeitszeitrechts spiegeln sich nun auch auf europäischer Ebene wieder", erklärte Reinhold Mitterlehner, Generalsekretär-Stellvertreter der WKÖ, nach der in der Nacht auf 10.06. erzielten Einigung der EU-Arbeits- und Sozialminister auf die neue Arbeitszeitrichtlinie.

Die Neufassung der Richtlinie war nötig geworden, nachdem der Europäische Gerichtshof in einem Urteil aus dem Jahr 2004 entschieden hatte, dass Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit zu werten und daher in die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden einzurechnen sind. "In der Neufassung wird die inaktive Zeit des Bereitschaftsdienstes nicht als Arbeitszeit gewertet. Somit kann die bestehende österreichische Regelung zur Bereitschaftszeit aufrechterhalten werden", betonte Mitterlehner.

Gleichzeitig beschlossen die Minister auch eine neue Richtlinie zur Leiharbeit. Diese besagt, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen (z.B. das Entgelt und die Arbeitszeit der Zeitarbeitnehmer während der Dauer der Überlassung) mindestens denjenigen entsprechen, die gelten würden, wenn die Arbeitnehmer vom entleihenden Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären. "Besonders wichtig für Österreich ist, dass weiterhin besondere Regelungen zulässig sind, wenn - so wie in Österreich - Sozialpartner Tarifverträge über Zeitarbeit geschlossen haben", betonte Mitterlehner.

"Mit diesem Vorschlag sollte das zu Unrecht bestehende schlechte Image von Zeitarbeitsunternehmen wesentlich verbessert werden können", so Mitterlehner. "Österreichische Arbeitskräfteüberlasser beschäftigen rund 2 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen und tragen damit wesentlich zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Die bereits bestehenden Kollektivverträge in diesem Bereich werden durch die neue Regelung nicht berührt."

 

 Oberhauser: EU-Arbeitszeitrichtlinie so inakzeptabel
Jetzt sind die EU-ParlamentarierInnen gefragt
Wien (ögb) - "So ist die EU-Arbeitszeitrichtlinie inakzeptabel. Diesem faulen Kompromiss dürfen die EU-ParlamentarierInnen nicht zustimmen", reagiert die Vorsitzende der ARGE-ÄrztInnen im ÖGB, Dr. Sabine Oberhauser, scharf auf den nächtlichen Kompromiss der EU-Arbeitsminister auf eine neue Arbeitszeitrichtlinie.

"Bereitschaftszeit am Dienstort muss weiter Arbeitszeit sein. Daran darf nicht gerüttelt werden", fordert Oberhauser und kritisiert die EU-Minister völlig an der Realität in den europäischen Spitälern vorbei zu entscheiden. "Ich gehe nun davon aus, dass die Mitglieder des Europäischen Parlamentes mehr Realitätssinn haben, und die Richtlinie noch stoppen bzw. entsprechend abändern", appelliert die ARGE-ÄrztInnen-Vorsitzende an die EU-Abgeordneten.

Den österreichischen Arbeitsminister Bartenstein fordert Oberhauser auf, gemeinsam noch alle Möglichkeiten der Abänderung des Richtlinienentwurfes zu nutzen.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
zurück