Düsseldorf (idw) - Die meisten krebsbedingten Todesfälle sind auf Metastasen zurückzuführen,
selbst nach zunächst erfolgreicher Entfernung des so genannten Primärtumors. Die Vorhersage des weiteren
Verlaufs der Erkrankung und die Entscheidung über die medikamentöse Therapie richten sich gegenwärtig
nach der anatomischen Ausbreitung des Primärtumors und im Zeitalter molekularerer Therapien zunehmend auch
nach dessen genetischer Beschaffenheit. Eine neue Studie von Wissenschaftlern der Universitätsklinika Regensburg,
Düsseldorf, Hamburg-Eppendorf und dem Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried legt nun nahe,
dass dies möglicherweise nicht ausreicht. Bessere Therapieergebnisse könnten erreicht werden, wenn die
genetische Beschaffenheit von Vorläuferzellen späterer Metastasen ebenfalls untersucht würde.
In der Mai-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift "Cancer Cell" berichteten die Forscher über
die Ergebnisse ihrer Studie, in der das Erbgut von Vorläuferzellen späterer Metastasen bei Patienten
mit Speiseröhrenkrebs analysiert wurde. Der allgemeinen Annahme nach sollten sich die Vorläuferzellen
der Metastasen und ihre Primärtumore genetisch ähneln, da die Metastasierung als spätes Ereignis
in der Krebsentwicklung verstanden wird. Auf diese Annahme verlassen sich auch die diagnostischen Tests an Primärtumoren,
um bestimmen zu können, ob und welche Therapien zur Unterdrückung der Metastasenentstehung für die
Patienten geeignet sind. Jedoch zeigen nun die Daten der neuen Studie, dass sich die Vorläuferzellen der Metastasen
genetisch von ihren Primärtumoren wesentlich unterscheiden. Dieser Befund weist auf eine im Krankheitsverlauf
sehr frühe Tumorzellstreuung hin, mit erhebliche Folgen für die Therapie.
So konnten die Wissenschaftler nur auf Grund der genauen Analyse der bereits gestreuten metastatischen Vorläuferzellen
eine für Ösophaguskarzinome neue therapeutische Angriffsmöglichkeit entdecken. Diese wäre durch
die alleinige Analyse von Primärtumorgewebe nicht aufgefallen.
Die Daten der Studie legen nahe, dass bei bestimmten Formen des sehr aggressiven Speiseröhrenkrebses beispielsweise
das Medikament Trastuzumab, unter dem Namen Herceptin bekannt und seit 2006 in Europa für die Brustkrebstherapie
zugelassen, eine sinnvolle Behandlungsoption für einige der betroffenen Patienten sein könnte. Angriffspunkt
für den Wirkstoff ist das Onko-Gen HER2 in der Tumorzelle, das bei vielen Krebsarten durch bestimmte Veränderungen
zu einem wichtigen krebsfördernden Gen werden kann.
Zusammenfassend zeigt die Studie, dass Marker zur Prognose des Erkrankungsverlaufs und Angriffspunkte einer zielgerichteten
Therapie direkt an den Vorläuferzellen der Metastasen in Lymphknoten oder Knochenmark identifiziert werden
können. Die Leiter der Studie, Nikolas Stoecklein und Christoph Klein, stellen nicht die Bedeutung des Primärtumors
zur Abschätzung von Therapie und Krankheitsverlauf in Frage, betonen aber, dass Patienten von der direkten
Analyse der metastatischen Vorlauferzellen profitieren können. Da diese Zellen das eigentliche Ziel der gegen
die Metastasen gerichteten medikamentösen Therapien sind, dürfte deren Analyse letztlich zu therapeutisch
bedeutsamen Entscheidungen führen. Weiterhin sprechen sich die Autoren dafür aus, die evolutionäre
Dynamik der Tumorzellstreuung in weiteren klinischen Studien zu untersuchen, um mehr Informationen über die
Prävention tödlicher Metastasenbildung zu erhalten. |