Wien (öj) - Vergangene Woche berichteten wir über den „Umbau“ an der Spitze der SPÖ: Verkehrsminister
Werner Faymann übernahm diese Funktion von Alfred Gusenbauer, der sich „nur mehr“ auf sein Amt als Bundeskanzler
konzentriert. Faymanns Aufgabe besteht in erster Linie darin, das Profil der SPÖ zu schärfen, verstärkt
auf (SP-)Regierungsleistungen hinzuweisen und der mit der Performance unzufrieden gewordenen Basis zu beweisen,
daß die Sozialdemokratie imstande ist, ihre Ziele auch umzusetzen.
Wie zu erwarten, ist diese kurzfristige Veränderung des bisher mit seinem ÖVP-Pendent Umweltminister
Josef Pröll um Friede und Zusammenhalt in der Regierung bemühten SP-Koalitionskoordinators Faymann bei
der ÖVP auf keine Zustimmung getroffen. Nach den fast nur parteipolitisch motivierten gegenseitigen Vorhalten
der ersten Tage geht es jetzt um Substantielles: „Pensions-Automatik“ - oder nicht, Verlängerung der Pflege-Amnestie
- oder nicht, nur um die beiden aktuellsten Beispiele anzuführen. Vorschläge der Gegenseite werden strikt
und mit ähnlichem Automatismus abgelehnt, wie man das sonst nur von der Opposition kennt. Die Krise rund um
Ostern dieses Jahres war ganz anders gelagert, da gab es da und dort vereinzelte Stimmen, die ein mögliches
Ende der Koalition andeuteten, nur wenige sprachen diese Option als reale Möglichkeit an.
Dann traten Faymann und Pröll an, riefen ihre jeweiligen Parteikollegen zur vereinbarten Ordnung zurück,
was ja dann auch ein paar Wochen zu halten schien. Bis eben SPÖ und ÖVP bei der Landtagswahl in Tirol
herbe Verluste hinnehmen mußten: Das war, sozusagen, der Moment, wo in der Führungsebene der SPÖ
die Notbremse gezogen wurde - denn viel zu viele Stammwähler hatten zu Verstehen gegeben, diese SPÖ,
die sich der ÖVP unterwerfe, nicht gewählt zu haben, ja, schlimmer noch, nicht mehr wählen zu wollen,
solange diese nicht zu ihren Inhalten zurückfinde. Die ÖVP steht nach außen hin geschlossener da,
weil Debatten über Entscheidungen und Mängel im Ablauf nicht über die Medien, sondern meist intern
geführt werden. Es kann aber kaum Zweifel daran bestehen, daß die vielen Strömungen in der Volkspartei
(festzumachen etwa am Beispiel der Landeshauptmann-Frage in Tirol, wo die Bünde unterschiedliche Standpunkte
vertreten und damit auch unterschiedliche Personen forcieren) weiter und lauter auseinanderdriften, als dies früher
erkennbar war. Es ist bisher noch nicht vorgekommen, daß zwei Minister (ÖVP-Gesundheitsministerin Andrea
Kdolsky und SPÖ-Sozialminister Erwin Buchinger) eine Einigung zu einer anstehenden Gesundheitsreform finden,
die im Ministerrrat gutgeheißen und - umgehend sowohl vom SP-Parteivorstand, als auch von Teilen der ÖVP
(vor allem vom ÖAAB, der im VP-Parlamentsklub über viele Mandate verfügt) schlichtweg abgelehnt
wird. Die Suche nach einer neuen Lösung wird jedenfalls - nebst lautstarken Protesten von Ärzteschaft
und Pharmaindustrie - an der verfahrenen Situation der Koalition scheitern. Nicht überraschend, dennoch bemerkenswert,
ist jedenfalls, daß die Schuldzuweisungen am Nichtzustandekommen - ausgedrückt durch recht heftige Wortwahl
- dem jeweils anderen zugeschrieben wird. Noch etwas fällt auf: Aussagen wie „Wir fürchten uns vor keiner
Neuwahl“, „Wenn die ... unbedingt will, können wir ja wählen“, tauchen jetzt aus verschiedenen Partei-Ebenen
praktisch täglich auf, Medien „transportieren“ die ersten Aufstellungen über die Kosten der bevorstehenden
Wahl.
Vor allem in jenen Medien, die nach dem Wahlergebnis im Jahr 2006 mit massivem Druck gefordert hatten „doch endlich
eine Regierung“ zu bilden, jene Medien, die - siehe oben - um die Osterzeit gefordert hatten, man möge das
Volk erlösen und endlich den Schritt zu „Neuwahlen“ (dabei ist es ja nur eine) freizugeben, jene Medien also
stellen nun die Frage (wem?), ob eine Neuwahl eigentlich etwas bringen würde. Viele erwarten resp. prognostizieren,
die Parteienlandschaft sei schließlich so gelagert, daß ein nächstes Ergebnis wieder nur eine
Große Koalition zwischen SPÖ und ÖVP erlauben würde. Daß sich die Regierung in der jetztigen
Stimmungslage dazu durchringt, „noch schnell“ ein Verhältniswahlrecht (von allem für und wider abgesehen)
zu beschließen und damit für die nächste Legislaturperiode eine leichtere Regierungsfindung zu
ermöglichen, ist auszuschließen .
Abseits der Variante Große Koalition SPÖ/ÖVP wird - voraussichtlich - keine der drei Oppositionsparteien
Grüne, FPÖ und BZÖ über soviel Stimmenanteil verfügen, um alleine mit einer der beiden
großen Parteien eine Mehrheit bilden zu können. Also bräuchte es die Zusammenarbeit von drei Parteien,
an die aber nicht zu denken ist. Ein Blick auf die Befindlichkeiten der drei Oppositionsparteien zeigt folgendes
Bild: Die Grünen denken nicht daran, mit FPÖ oder BZÖ zusammenarbeiten, auch wenn man sich bereit
zeigt, unter bestimmten Voraussetzungen mit SPÖ oder ÖVP zu regieren. Für die SPÖ ist eine
Kleine Koalition mit der FPÖ oder dem BZÖ undenkbar, die ÖVP kann mit der FPÖ unter HC-Strache
nicht und das BZÖ mit derzeit rund fünf Prozent bringt keine notwendige Mehrheit. Ein Zusammenschluß
von FPÖ und BZÖ wird zwar vielfach „hinter den Kulissen“ angedacht, hat aber praktisch keine Chancen.
Welche Hoffnung verbindet man also mit einer bevorstehenden Neuwahl? Es bleibt nur eine: daß eine Neuaufstellung
der Repräsentanten der Parteien eine Änderung der innenpolitischen Gesamtstimmung auslöst - denn
das „Wahlvolk“ glaubt den meisten Aussagen heute nicht mehr. Zuviel wurde versprochen und nicht gehalten. Und kaum
jemand weiß zu unterscheiden, welche der Regierungsparteien welches Vorhaben verhindert hat. Viele gehen
davon aus, daß der nächste Kanzlerkandidat der SPÖ nicht mehr Alfred Gusenbauer, sondern Werner
Faymann heißen wird. Ebenso viele sehen bereits Landwirtschaftsminister Josef Pröll als Nachfolger von
Vizekanzler und VP-Obmann Wilhelm Molterer. Die beiden „alten“, also Gusenbauer und Molterer, gehen davon aus,
an der Regierungsspitze zu bleiben. Und die beiden „neuen“, also Faymann und Pröll, dementieren (wenig überraschend),
derartige Pläne zu hegen. Vielleicht wissen wir's im Herbst 2008. (mm) |