Wandmalereien der Kremser Gozzoburg   

erstellt am
20. 06. 08

Untersuchungen am ÖAW-Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit identifizieren den mittelalterlichen Wandmalereizyklus der Gozzoburg als kulturhistorisches Denkmal ersten Ranges
Wien/Krems (öaw) - Die Kremser Gozzoburg birgt eine kunsthistorische Rarität. Die Wandmalereien, die im Zuge der Generalsanierung 2006/07 im Repräsentationsraum des Wohntraktes entdeckt wurden, zeigen Szenen der seit der Antike bekannten Legende "Barlaam und Josaphat". Das weist Gertrud Blaschitz vom Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in einer Studie nach. Der Wandmalereizyklus stellt - neben den Iweinfreskenzyklen in Deutschland - die einzige geschlossene Monumentalmalerei des 13. Jahrhunderts nördlich der Alpen dar.

Im Zuge der Generalsanierung der sogenannten Gozzoburg in Krems/Donau (NÖ) kam im Wohntrakt des dreigeschossigen Baukörpers ein Wandmalereizyklus von hervorragender Qualität zum Vorschein. Die Malereien bedeckten alle vier Wände des seinerzeit als Wohn- und Repräsentationsraum genützten Freskensaales. Das Bauforschungsteam datierte die Entstehung des Baues zwischen 1249 und 1291.

Die während einer Umgestaltung des Gebäudes um 1526 zum Teil zerstörten oder übertünchten Fresken konnten bei der Restaurierung 2006/07 freigelegt werden. Kunsthistorisch sind die Malereien exzellente Zeugnisse der Zeit an der Wende von der Spätromanik zur Frühgotik Nun gelang Getrud Blaschitz vom ÖAW-Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit die eindeutige Identifizierung der Bildinhalte: "Obwohl durch ein in der frühen Neuzeit eingezogenes Gewölbe nur einzelne Szenenteile sichtbar sind, lassen sich zweifelsfrei Handlungseinheiten aus der seit der Antike bekannten Legende "Barlaam und Josaphat" erkennen", sagt die Wissenschafterin.

Grundlage der Geschichte ist die verchristlichte Version des Lebens und der Bekehrung Buddhas mit sehr verschlungener Text- und Stoffgeschichte, die von Indien nach Palästina gelangte und Adaptierungen durch Judentum, Islam und Christentum erfuhr. Es gibt aber auch georgische und griechische Fassungen, die ihrerseits wieder in die lateinisch-patristische Literatur Aufnahme fanden. Die Erzählung handelt von der Bekehrung des indischen Königssohnes Josaphat (so die spätere griechische Namensform für Buddha) durch den Eremiten Barlaam und war ein beliebter Stoff des europäischen Mittelalters. Basierend auf der griechischen Fassung gab es eine lateinische Übersetzung, die bereits im 12. Jahrhundert - vermutlich durch Kreuzfahrer - nach Europa gelangt war und zahlreiche Abschriften erfahren hat. Sie war auch im österreichischen Raum ziemlich bekannt, wie zahlreiche Manuskripte in Klosterbibliotheken des 12. und 13. Jahrhunderts dokumentieren. Der Barlaam und Josaphat-Stoff war, wie die zahlreich überlieferten Manuskripte belegen, sowohl in griechisch-lateinischen als auch in volkssprachlichen Versionen, weit verbreitet und man kann, wie Gertrud Blaschitz betont, eine gute Stoffkenntnis in der Bevölkerung annehmen.

Bemerkenswert ist der innovative Ansatz in den Darstellungen in der Gozzoburg: "Die hier in Bildern realisierten literarischen Inhalte sind weit entfernt von der konventionellen Visualisierung zeitgleicher religiöser Inhalte. Durch die hohe Qualität in der Ausführung sind die Freskan als bedeutende Innovation des überkommenen bekannten Bildrepertoires und des damals gängigen ikonographischen Könnens zu werten", so die Wissenschafterin. Die Darstellungen folgen einem alten Schema. Bereits in Manuskripten des 11. Jahrhunderts wird die Legende als Zyklus von meist zwölf Parabeln mit prägnanten Motiven aus der Vita Josa phats dargestellt. Die Illustration scheint schon damals einem festgelegten Kanon zu folgen. Dieser Kanon weist mit dem Ausstattungsschema in der Gozzoburg eine hohe Übereinstimmung auf.

Bemerkenswert an den Kremser Wandmalereien ist, wie Blaschitz betont, die frühe bildkünstlerische Rezeption eines literarischen Werkes. Die bildliche Umsetzung von Literatur in bürgerlichen Wohnbauten tritt nördlich der Alpen erst im 14. Jahrhundert breiter auf. Das bildnerische Programm wurde in relativ enger Anlehnung an die literarischen Vorlagen realisiert. "Das Bildwerk zeugt sowohl vom Bedürfnis nach repräsentativer Selbstdarstellung des Auftraggebers als auch von seinem deutlichen Wunsch nach Visualisierung eines bestimmten literarischen Themas. Die damit verbundene Intention ist wohl, dem Ziel der Dichtung entsprechend, die Darstellung der Verkündung des Sieges des Christentums und die ethische Formung der Menschen", so die Interpretation der Wissenschafterin.
 
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