Leipzig (idw) - Ein Umzug oder die Trennung der Eltern kann bei Kindern das
Risiko deutlich erhöhen, später an einer Allergie zu erkranken. Das geht aus einer Langzeitstudie über
Zusammenhänge zwischen Lebensstil, Immunsystem und Allergien hervor, die vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung
in Leipzig (UFZ), vom Helmholtz Zentrum München und vom Institut für umweltmedizinische Forschung (IUF)
in Düsseldorf geleitet wird. Die Forscher hatten Blutproben von 234 sechsjährigen Kindern untersucht
und im Zusammenhang mit Umzug oder Trennung der Eltern erhöhte Blutkonzentrationen des Stresspeptides VIP
(Vasoaktives intestinales Peptid) gefunden. Der Botenstoff VIP aus der Gruppe der Neuropetide könnte eine
Vermittlerrolle zwischen Stressereignissen im Leben und der Immunregulation einnehmen, schreiben die Forscher im
Fachblatt Pediatric Allergy and Immunology. Dass Stressereignisse einen Einfluss auf die Entwicklung von allergischen
Krankheiten haben können, war bereits länger bekannt. Die zugrunde liegenden Mechanismen galten aber
lange Zeit als ungeklärt. In der jetzt veröffentlichten Studie wurden erstmals Stressereignisse in den
frühen Lebensjahren innerhalb einer großen epidemiologischen Studie mit Hilfe von Immunmarkern und Neuropeptiden
untersucht.
Stressereignisse in der Kindheit stehen zunehmend im Verdacht, eine große Rolle bei der späteren Entwicklung
von Asthma, Hautkrankheiten oder allergischen Sensibilisierungen zu spielen. Dramatische Lebensereignisse wie der
Tod eines Angehörigen, schwere Erkrankungen eines Familienmitgliedes oder die Trennung der Eltern, aber auch
harmlose Ereignisse wie beispielsweise ein Umzug stehen im Verdacht, das Allergie-Risiko bei betroffenen Kindern
zu erhöhen. Offenbar spielt das Immunsystem eine Vermittlerrolle zwischen Stress auf der einen Seite und allergischen
Krankheiten auf der anderen Seite. Da diese Mechanismen bisher kaum verstanden worden sind, versuchten die Forscher
im Rahmen einer epidemiologischen Studie (LISA), stressbedingte Faktoren mit Einfluss auf das Immunsystem zu identifizieren.
Parallel zu Blutuntersuchungen analysierten die Forscher gemeinsam mit Kollegen vom Institut für Sozialmedizin
der Universität zu Lübeck auch verschiedenste soziale Faktoren im Umfeld der Kinder, um auslösende
Faktoren für stressbedingte Fehlregulationen des Immunsystems herauszufinden.
Bei Kindern, deren Eltern sich innerhalb des letzten Jahres getrennt hatten, fanden die Forscher erhöhte Blutkonzentrationen
des Neuropetides VIP (Vasoaktives intestinales Peptid) sowie erhöhte Konzentration von Immunmarkern, die mit
der Auslösung allergischer Reaktionen verbunden sind, wie das Zytokin IL-4. Schwere Krankheiten oder der Tod
von nahen Verwandten führten dagegen zu keinen auffälligen Veränderungen. Auch Arbeitslosigkeit
der Eltern war nicht mit erhöhten Stresspeptidkonzentrationen im Blut der Kinder assoziiert. So tragisch diese
Ereignisse auch sind, offenbar sind sie jedoch für die Stressreaktionen von Kindern von geringerer Bedeutung
als beispielsweise eine Trennung oder Scheidung der Eltern, schlussfolgern die UFZ-Forscher. Wie bereits in einer
frühen Arbeit aus der gleichen Studie gezeigt wurde, können auch nach einem Umzug (ebenso wie bei Trennung
der Eltern) erhöhte Konzentrationen des Stresspeptides VIP im Blut der Kinder nachgewiesen werden. Vorangegangene
Untersuchungen in LISA zeigten, dass es einen Zusammenhang zwischen einer erhöhten Konzentration u.a. des
Neuropeptides VIP und allergischen Sensibilisierungen bei sechsjährigen Kindern gibt. Auch wenn die Ergebnisse
wegen der vergleichsweise geringen Anzahl an betroffenen Kindern vorsichtig interpretiert werden sollten, so geben
sie doch wertvolle Hinweise darauf, was genau durch Stress im Körper passiert.
Den Untersuchungen liegen Daten 6-jähriger Kinder der LISA-Studie zugrunde. LISA steht für "Lifestyle
- Immune - System - Allergy" und untersucht Einflüsse des Lebensstils auf das Immunsystem und die Entstehung
allergischer Erkrankungen bei Kindern. Neben dem Helmholtz- Zentrum für Umweltforschung in Leipzig (UFZ),
dem Helmholtz Zentrum München und dem Institut für umweltmedizinische Forschung (IUF) in Düsseldorf
sind weitere universitäre und klinische Partner beteiligt, unter anderem das städtische Klinikum "St.
Georg" in Leipzig. Für die LISA-Studie wurden zwischen Ende 1997 und Anfang 1999 über 3000 neugeborene
Kinder in den Städten München, Leipzig, Wesel und Bad Honnef rekrutiert. Die Eltern wurden wiederholt
zu verschiedenen familiären und gesundheitlichen Parametern befragt. Zusätzlich erfolgten Blutuntersuchungen
zu verschiedenen Zeitpunkten. Im sechsten Lebensjahr wurden insgesamt 565 Kinder in Leipzig untersucht, bei 234
Teilnehmern wurden Blutanalysen zu Neuropeptiden und Immunparametern durchgeführt. Im Laufe der 6-Jahres-Untersuchung
war fast ein Drittel der Leipziger Studienfamilien von Arbeitslosigkeit betroffen. Bei etwa der Hälfte aller
Familien traten schwere Erkrankungen naher Angehöriger auf. Todesfälle bei Angehörigen oder die
Trennung der Eltern betrafen dagegen nur jedes sechste bzw. zehnte Kind. |