Rohölpreishausse beschleunigt Inflation und dämpft Wirtschaftswachstum
Wien (wifo) - Die österreichische Wirtschaft wird im Jahr 2008 real um 2,3% wachsen. Das BIP
expandierte im I. Quartal getragen von Sachgütererzeugung, Bauwirtschaft und Tourismus noch stärker als
im Frühjahr erwartet. Nun schwächt sich die Konjunktur allerdings ab. Dazu trägt nicht zuletzt der
markante Auftrieb der Weltmarktpreise für Erdöl bei, der eine deutliche Beschleunigung der Inflation
(2008 auf 3,5%) bewirkt. Dies belastet die verfügbaren Realeinkommen der privaten Haushalte und bremst das
Wachstum der Konsumausgaben. Die von den USA ausgehende Dämpfung der Konjunktur in den Industrieländern
wird in Österreich die Ausweitung von Export, Industrieproduktion und Investitionen bremsen. Für das
Jahr 2009 wird deshalb ein Anstieg des realen BIP um nur noch 1,4% erwartet. Heuer nimmt die Beschäftigung
rasch zu. Für 2009 zeichnet sich eine Steigerung der Arbeitslosigkeit ab.
Der Weltmarktpreis für Rohöl der Marke Brent stieg seit Jahresbeginn von etwa 90 $ auf 135 $ je Barrel.
Dazu trug die Verlagerung der Spekulation von den Finanz- und Immobilienmärkten auf die Rohstoffmärkte
ebenso bei wie die neuerliche Zunahme der Nachfrage nach Erdöl und das Ausbleiben einer Angebotsausweitung
seit 2005. Dies und die hohen Weltmarktpreise für Nahrungsmittel bewirken eine markante Beschleunigung des
Preisauftriebs auf Verbraucherebene. In Österreich dürfte die Inflationsrate heuer 3,5% erreichen, den
höchsten Wert seit dem Jahr 1993. Für 2009 wird unter der Annahme einer schwächeren Steigerung von
Energiekosten und Nahrungsmittelpreisen ein Rückgang der Inflationsrate auf 2,7% unterstellt.
Die hohe Inflation lässt die Nettorealeinkommen der Beschäftigten pro Kopf 2008 um 0,7% sinken und die
verfügbaren Realeinkommen der privaten Haushalte um nur noch 0,7% steigen. Selbst wenn – wie für Phasen
einer starken Energieverteuerung typisch – ein Rückgang des Sparanteils am verfügbaren Einkommen unterstellt
wird, drückt der schwache Anstieg der Einkommen die Konsumnachfrage merklich. Die Konsumausgaben der privaten
Haushalte werden im Jahr 2008 real um nur 1,1% zunehmen, weniger als halb so rasch wie im langfristigen Durchschnitt.
Auch für 2009 ist keine Erholung zu erwarten. Die Konsumschwäche trifft vor allem den Dienstleistungssektor
und das Kleingewerbe. Im Handel dürfte die Wertschöpfung real jeweils um nur 1¼% steigen.
Während die Konsumnachfrage im I. Quartal kaum mehr stieg, expandierte die Wertschöpfung in der Sachgütererzeugung
laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung des WIFO weiterhin kräftig (real +6% gegenüber dem Vorjahr).
Damit setzte sich die Hochkonjunktur der letzten zwei Jahre in der Industrie (Wertschöpfung kumuliert +16%)
nahezu ungebrochen fort. Dennoch kündigen die Vorlaufindikatoren des WIFO-Konjunkturtests eine deutliche Verlangsamung
in der Sachgütererzeugung an, vor allem wegen der ungünstigeren Wirtschaftsentwicklung bei wichtigen
Handelspartnern.
Im Euro-Raum belasten verschiedene Faktoren die Nachfrage und lösen so einen Konjunkturabschwung aus:
- Seit neun Monaten stagniert die Wirtschaft in den USA; die Binnennachfrage schrumpft, und die Importe werden
nur schwach gesteigert.
- Die effektive Aufwertung des Euro dämpft Export und Investitionen in Europa.
- Die Kreditbedingungen für Unternehmen und Haushalte verschlechtern sich.
- In Irland und Spanien hält die Bau- und Immobilienkrise an.
- Der starke Anstieg der Rohstoffpreise treibt die Inflation an und dämpft damit die verfügbaren Realeinkommen
und die Konsumausgaben der privaten Haushalte.
Konjunkturstabilisierend wirken hingegen die stark expansive Budget- und Geldpolitik in den USA, die konjunkturbedingte
Ausweitung des Defizits der öffentlichen Haushalte im Euro-Raum und die lebhafte Binnennachfrage in den Schwellenländern.
Das BIP dürfte im Euro-Raum heuer real noch um 1¾% zunehmen, für 2009 wird allerdings eine Verlangsamung
auf etwa +1% erwartet. Auch in den neuen EU-Ländern ist die Binnennachfrage noch kräftig. Allerdings
zeichnet sich eine Abschwächung der Konjunkturdynamik ab, weil die beträchtlichen Preissteigerungen und
die hohe Verschuldung der privaten Haushalte die Konsumnachfrage drücken. Das Wirtschaftswachstum bleibt dennoch
deutlich höher als im Westen (2009 +4,5%).
Die Dämpfung des Wirtschaftswachstums in der EU verringert das für die heimischen Exporteure relevante
Marktwachstum von +11% im Jahr 2006 auf nur +5,8% im Jahr 2008. Gleichzeitig bewirkt die markante Aufwertung des
Euro eine temporäre Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Die österreichischen
Warenexporte dürften deshalb heuer und 2009 real um nur etwa 5% zunehmen, deutlich weniger als zuletzt (2007
+8,2%).
Die Sachgütererzeugung boomte in den letzten zwei Jahren. Nun verlangsamt sich ihr Wachstum aufgrund der Abschwächung
der Exporte. 2008 könnte die Produktion insgesamt real um 3,8% ausgeweitet werden, für 2009 wird ein
Zuwachs von 2,2% prognostiziert. Die mit der Konjunktureintrübung verbundene Verringerung der Kapazitätsauslastung
dürfte trotz guter Gewinnlage eine Zurückhaltung im Bereich der Investitionen nach sich ziehen. Dies
zeigt sich auch im WIFO-Investitionstest: Die Investitionspläne der Industrieunternehmen für 2008 wurden
gegenüber der Herbstbefragung nach unten revidiert. Die Ausrüstungsinvestitionen werden heuer real um
3% zunehmen.
Die Verteuerung von Vorleistungen beeinflusste die Bauproduktion bislang nur wenig, sie war im I. Quartal 2008
auch vom milden Wetter begünstigt. Nach zwei Boomjahren (Wertschöpfung 2006 und 2007 kumuliert real +8%)
zeichnet sich dennoch eine Verringerung der Zuwachsrate ab. Sie dürfte heuer real +2% betragen, 2009 könnte
sie etwas darunter liegen.
Von Jänner bis Mai stieg die Zahl der Beschäftigten beträchtlich (+90.000 gegenüber dem Vorjahr).
Dies spiegelt die günstige Konjunkturlage des 2. Halbjahres 2007 wider, dürfte zu einem erheblichen Teil
aber auch auf die seit 1. Jänner 2008 geltende Verpflichtung zurückgehen, Beschäftigte bereits vor
Arbeitsbeginn bei der Sozialversicherung zu melden. Der eher konjunkturbestimmte saisonbereinigte Beschäftigungszuwachs
gegenüber dem jeweiligen Vormonat schwächt sich seit Jahresbeginn ab. Auch andere Faktoren deuten auf
ein Nachlassen der Dynamik auf dem Arbeitsmarkt hin: Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen stagniert, die um
Saisoneinflüsse bereinigte Arbeitslosenzahl verringert sich seit Februar nicht mehr. Im Jahresdurchschnitt
2008 dürfte die Zahl der unselbständig aktiv Erwerbstätigen um 68.000 höher sein als im Vorjahr,
jene der registrierten Arbeitslosen um 13.000 auf 209.000 sinken. Die derzeitige Konjunkturabschwächung wird
mit der bekannten Verzögerung auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt eintrüben. Für 2009 muss mit einem
Anstieg der Zahl der Arbeitslosen um etwa 15.000 gerechnet werden. Die Arbeitslosenquote dürfte dann 6,1%
der unselbständigen Erwerbspersonen laut traditioneller österreichischer Berechnungsmethode bzw. 4,4%
der Erwerbspersonen laut Eurostat betragen.
Die Staatseinnahmen steigen weiterhin stark. Das Wachstum der Einnahmen an Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen
spiegelt das hohe Beschäftigungswachstum und den Anstieg der Nominallöhne wider. Hingegen nehmen die
Verbrauchsteuereinnahmen trotz hoher Inflation wegen der ausgeprägten Konsumschwäche verhalten zu. Insgesamt
wachsen die Einnahmen dennoch merklich rascher als im Bundesvoranschlag vorgesehen. Trotz der Budgetbelastungen
durch die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge und das Vorziehen der Pensionserhöhungen könnte
der Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte heuer –0,6% des BIP betragen. Für 2009 muss konjunkturbedingt
mit einem Anstieg des Abgangs im Staatshaushalt gerechnet werden.
Die vorliegende Prognose erwartet, dass sich das Wirtschaftswachstum im Laufe des Jahres 2008 deutlich abschwächt,
ohne dass allerdings eine Rezession ausgelöst würde. Angesichts der hohen Volatilität der Rohstoffpreise,
Wechselkurse und Finanzmärkte sowie deren Auswirkungen auf die Realwirtschaft bleiben Dauer und Ausmaß
des Konjunkturabschwungs jedoch sehr unsicher. Bereits für Anfang 2009 wird eine Konjunkturerholung unterstellt.
Sollten die konjunkturbelebenden Impulse erst mit Verzögerung an Kraft gewinnen, dann würde dies den
Anstieg des BIP im Jahr 2009 empfindlich bremsen.
Quelle: WIFO
Autor: Markus Marterbauer
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